Abstimmung: Volkswahl des Bundesrates

Am nächsten Sonntag ist es wieder so weit: Wir dürfen wieder mal an die Urne und über diverse Geschäfte befinden. National gesehen sind es zwei Sachgeschäfte, zu denen wir Stimmbürger unsere Meinung kundtun dürfen.

Über die Vorlage «Änderung des Asylgesetzes» habe ich bereits auf Twitter eine Stimmempfehlung abgegeben: Ein Ja, weil die Vorlage ausgewogen, aber auch nötig ist. Ob jetzt als Abschreckung oder als Verschärfung bei gewissen Punkten. Die Vorlage wurde im Parlament solange weich geklopft, dass sie jetzt für (fast) alle Stimmbürger genehm sein dürfte. Für die rechte Seite geht das überarbeitete Asylgesetz wohl zu wenig weit, für die linke Seite wohl ein bisschen zu weit. Für mich als Normalos-Idiotos-Bünzlibürger geht sie weit genug. Wenn die Verfahren künftig schneller abgehandelt werden können und das Ganze auch als Hemmschuh für die Nordafrikaner wird, hat die Vorlage schon gewonnen.

Nun aber zur zweiten Vorlage: Der Volkswahl des Bundesrates.

Diese SVP-Initiative ist umstritten. Für mich ist Stand hier, auf dieser Zeile, noch nicht klar, was ich stimmen werde.
Einerseits tönt das schon gut, wenn man als Bürger einen Bundesrat wählen darf. Andererseits hat uns die Geschichte gelehrt, dass die Parlamentarier bisher meist vernünftige Bundesräte gewählt haben.

Seit das Parlament aber den Halbgott Blocher aus dem Bundesrat abwählte und stattdessen eine «gläserne Hexe» aus dem Bündnerland in den Rat hievte, ist für die SVP die Welt nicht mehr in Ordnung. Sie startete relativ schnell nach ihrer schlimmen Niederlage eine Volksinitiative, die das Ziel verfolgt, Blocher via Volkswahl wieder in den Bundesrat wählen zu lassen.

Nun, ich bin jetzt im Zwiespalt: Eigentlich finde ich das Anliegen, die Volkswahl des Bundesrates, nobel und reizvoll. Da aber das ganze aus der finstersten Ecke der SVP kommt, bin ich mit mir selbst im Clinch. Auch deshalb, weil gewisse Kreise meinen könnten, «Volksverhetzer» in den Rat wählen zu dürfen.

Da kam mir gestern die Pro- und Contra-Debatte in der Neuen Luzerner Zeitung gerade recht.

Auf der Pro-Seite darf Kari Kälin, Redaktor Ressort Politik, argumentieren. Auf der Gegenseite ist es Jan Flückiger, Leiter Ressort Politik. Herr Flückiger ist wohl auch der Chef von Kari Kälin, und beweist damit, dass er anderslautende Meinungen auch gelten lässt. Lobenswert!

Meine Wenigkeit machte sich natürlich betreffs Kari Kälin auch so seine Gedanken. Der gute Mann wurde nämlich vor gefühlten zwei Jahren in der Weltwoche als neuen Schreiberling begrüsst («kommt von der Neuen Luzerner Zeitung») und durfte ein paar Artikel für das SVP-nahe Blatt verfassen.
Dann las ich in Köppels Blatt keine einzige Zeile mehr von Kälin. Ich dachte mir erst nicht viel dabei: «Der Kari macht wohl einen ausgedehnten Urlaub».
Plötzlich las ich aber statt in der Weltwoche wieder in der Neuen Luzerner Zeitung von Herrn Kälin. Der verlorene Sohn war also wieder heimgekehrt. Das SVP-Blatt war ihm also doch zu …, ja was eigentlich? Zu «köppelianisch»? Meine Güte, ich weiss es nicht.
Ist auch egal, jedenfalls hat die Zeit bei der Weltwoche auf Herrn Kälin abgefärbt. Er schreibt also nun, anders als sein Chef, für das Pro zur Volkswahl des Bundesrates.

Ich habe die beiden Seiten heute Morgen aufmerksam durchgelesen. Anschliessend war ich bei einem leichten Nein zur Initiative angelangt. Die Argumente von Herrn Flückiger überzeugten mich mehr.

Ich glaube, am meisten hat mich ein Argument überzeugt:
„Im Gegensatz zum Ausland, wo starke Regierungen die Politik dominieren und prägen – und die Parlamente häufig nur zum Abnicken da sind, ist es in der Schweiz das Parlament, welches die Politik macht. Der Bundesrat ist «nur» die ausführende Gewalt, die Gesetze machen die National- und Ständeräte.“

Das überzeugt, nicht wahr. Denn dies ist genau das, was ich in der Primarschule gelehrt habe. Das nationale Parlament ist die Legislative, der Bundesrat die Exekutive und das Bundesgericht die Judikative. Sauber getrennt. Bei den meisten Westmächten habe ich wirklich das Gefühl, dass das Parlament tatsächlich nur aus Kopfnickern besteht. Die Politik, die Gesetze und die Ausführung werden gefühlsmässig von einer Person ausgeführt. Mit Obama, Merkel und Hollande haben wir drei grosse Regierungschefs, wo vor allem ihre starken Persönlichkeiten dominieren und das grosse Sagen haben. Mich dünkt, in den Parlamentskammern jener Länder könnten grad so gut Marionetten sitzen.

Bei uns hingegen ist der Bundesrat seit jeher eigentlich eher mit «schwachen» Persönlichkeiten bestückt. Die wirklichen Polithaudegen sitzen in einem der beiden Räte, und sind den Menschen im nahen Ausland wohl teilweise eher bekannt als einer unserer Bundesräte. Ich denke, das ist gut so. Die Bundesräte sollen die ausgehandelten Gesetze umsetzen, darüber wachen und ihre zum Teil riesigen Departemente führen.
Die Parlamentarier hingegen sollen politisieren, debattieren und an den Gesetzen rumbasteln.

Dass die Parlamentarier natürlich nicht unbedingt Alphatiere in den Bundesrat wählen, versteht sich von selbst. Alphatiere im Siebnergremium können sich (fast) nicht dem Kollegialitätsprinzip unterordnen, und sind daher mit Bestimmtheit weniger konsensfähig.
Beispiele in jüngerer Vergangenheit haben gezeigt, dass «Bosse» wie Blocher, Couchepin oder Calmy-Rey den Rat regelecht lahmlegten. Sie führten teilweise sinnlose Grabenkämpfe mit anderen Ratsmitgliedern und polierten lieber ihr Ego statt ihre Departemente korrekt zu führen.

Es ist halt schon so, dass das Parlament lieber pflegeleichte Bundesräte wählt. Bei solchen Räten gehen sie davon aus, dass sie ihre «auslobbyierten» Gesetze eher umsetzen lassen können. Das hingegen wäre für mich fast das einzige Argument, ein Ja in die Urne zu legen.

Ich komme jetzt aber, je länger ich darüber nachdenke und schreibe, zu der Überzeugung, dass ein Nein zur Volkswahl des Bundesrates wirklich das Beste für unser Land ist.
Ein weiteres Argument der Gegner, die scheinbar mit 10 Alt Bundesräten ein enormes Kaliber auffahren, ist der Wahlkampf vor solch einer Wahl. Man kann sich vorstellen, dass da auf den Mann (oder Frau) geschossen wird, dass sich die Balken biegen. Man kann sich aber auch vorstellen, dass so eine Volkswahl nur noch Bundesräte gewinnen würden, die ähnlich viel Kohle locker machen könnten wie Blocher.
Da wären wir dann plötzlich bei amerikanischen Verhältnissen angelangt, mit einem epischen und nicht mehr enden wollenden Wahlkampf. Von den italienischen Verhältnissen mit einem kriminellen und betrügerischen Wirtschaftskapitän wie Berlusconi wollen wir schon gar nicht erst zu reden beginnen.

Nein, nein, liebe Leser, ich bleibe lieber ein wenig bünzlig. Dafür haben wir einen einigermassen anständigen Bundesrat, der vom Parlament gewählt wird, und die Schweiz durch die Klippen der Zeit führen kann.
In den beiden Kammern sollen die wirklich politischen Köpfe sitzen, von links bis rechts. Unter diesen Köpfen darf es auch Querdenker haben, die in der Vergangenheit immer wieder für gute politische Ideen und Lösungen sorgten.
Das Parlament soll weiterhin die Gesetze ausarbeiten und die Bundesräte wählen. Der Bundesrat soll weiterhin «nur» die ausführende Kraft sein.

So wie ich das in Erinnerung habe, sind wir in der Schweiz gewissermassen eine indirekte Demokratie. Das Volk wählt ihre Volksvertreter ins nationale Parlament, und das nationale Parlament (die vereinigte Bundesversammlung) wählt den Bundesrat. Wir können den Bundesrat also indirekt wählen…

Wenn es jemanden vor einer Bundesratswahl brennt und beisst, weil er nicht selber mitentscheiden kann, soll er doch einen oder mehrere seiner gewählten Volksvertreter anrufen. Ich glaube, ich werde in Zukunft, vor einer Bundesratswahl, mich mit einem linken Politiker (Nationalrat Andy Tschümperlin, SP) und einem rechten Politiker (Ständerat Peter Föhn, SVP) in Verbindung setzen. Solche Gespräche dürften vermutlich viel spannender sein, als die ermüdende Werbung in TV und Zeitungen vor einer Volkswahl eines Bundesrates…

Meiner Meinung nach fuhren wir mit dem «Status Quo» bisher recht gut. Wieso sollten wir also wegen einem Sturm im Wasserglas (gemeint ist die Abwahl Blochers aus dem Bundesrat) diese gute Errungenschaft ablegen, und uns, dem Volk aufbürden lassen?

Und noch etwas: Wenn die Volkswahl des Bundesrates zum Ziel hat, Leute wie Blocher in den Bundesrat zu hebeln, dann Gute Nacht, liebe Schweiz!

Ich habe mich nun durch die Zeilen geschrieben und dabei entschieden: Ich lege am Sonntag ein Nein in die Urne!

feldwaldwiesenblogger

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.