Besuch im Schwingermuseum Winterthur (Teil 2): Vom Schwingerlatein, Anekdoten und Interessantem über Karl Meli

Heute folgt Teil 2 meines Berichtes über den Besuch im Schwingermuseum Winterthur. Zur Erinnerung: Das Schwingermuseum befindet sich im Obergeschoss des Restaurants Sternen und wird von Irène Bodenmann-Meli, der Tochter von Karl Meli, sorgfältig unterhalten.
Irène integrierte wohl viele Preise und Erinnerungen von ihrem Vater ins Museum. Wie die schwingbegeisterte Frau mir im Teil 1 erklärte, war es nie ihr Ziel, ein Museum als Hommage an Karl Meli zu machen. „Ich möchte das Museum möglichst umfassend über die gesamte Schwingerei halten“, ergänzte sie zu diesem Thema.

bild8
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Ein Herr Rohrer aus der Innerschweiz malte dieses Bild, welches es in verschiedenen Ausführungen gibt. Wenn man mit den Fingern über das Hemd vom dreifachen Schwingerkönig Ruedi Hunsperger fährt, spürt man das Sägemehl. Der Maler hat also Sägemehl (!) in das Bild integriert, welches Karl Melis Revanche beim Kilchberger Schwinget 1967 darstellt. 1966 verlor Meli den Schlussgang beim Eidgenössischen in Frauenfeld gegen Hunsperger. Auf dem Schwingplatz waren die beiden harte Gegner, daneben verband die Top-Schwinger eine sehr grosse Freundschaft.

bild9
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Erinnerungsfotos von Karl Meli (Jahrgang 1938) als Rückblick auf seine Schwinger- und Nationalturner-Karriere. Der Turnerschwinger war Mitglied des Schwingklub Winterthur. Übrigens: Der Schwingklub Winterthur ist der einzige Klub, welcher bisher drei Schwingerkönige hervorbrachte. Nebst Karl Meli sind dies Walter Flach und Arnold Ehrensberger.

Irène erzählte folgendes zu den „alten Königen“: „Es gibt einige ganz schöne Anekdoten von den alten Schwingerkönigen. Weisst du übrigens, mit was man Jäger- und Fischerlatein toppen kann? Mit Schwingerlatein! Diese ‚Alten‘ untereinander schlagen mit ihrem ‚Plagieren‘ und mit ihren Sprüchen alles in dieser Hinsicht. Das ist Unterhaltung vom allerfeinsten. Einerseits ist es sehr lustig, andererseits würdigen sie den anderen auf eine unglaubliche Art und Weise.“

Zu Schwingerkönig Walter Flach gibt es eine Anekdote, welche im Restaurant Sternen seinen Ursprung hatte. Die Anekdote geht so: „Eines Tages kam Lukas, der Sohn von Irène, vom Kindergarten heim, und lief direkt in die Gaststube des Restaurants Sternen. Versammelt waren eine unglaubliche Anzahl ‚Schwingerkränze‘. Walter Flach, Ruedi Hunsperger, David Roschi, Leo Egli, Karl Meli und noch einige weitere ehemalige Schwinggrössen sassen in einer ‚glatten‘ Runde beisammen. Flach rief Lukas, zeigte dabei auf Hunsperger sowie Meli und sagte zu ihm: ‚Du Lukas, da, diese beiden Babydoll-Schwingerkönige!‘ Der Kleine baute sich vor Flach auf und erwiderte: ‚Wenn denn da einer ein Babydoll ist, dann bist das du. Aber ganz sicher nicht mein Grossvater!“ Darauf sahen sich der Kleine und Flach gut zwei Jahre nicht mehr. Irgendwann sass Schwingerkönig Walter Flach wieder im Sternen. Beim Grüezi-Sagen fragte Flach Lukas: ‚Kennst du mich noch?‘ Der Schulbub entgegnete: ‚Sicher, du bist der Babydoll-Schwingerkönig!“

Eine andere Anekdote betraf den oben erwähnten Schwinger Leo Egli, welcher in Lengnau Wirt war. Egli hat zwar nie einen Schönschwingerpreis gewonnen, war aber ein toller Techniker. „Eines schönen Tages bestritt Leo Egli an einem Schwinget einen Gang gegen Fritz Uhlmann. Uhlmann konnte Egli in diesem Gang ‚spitzen‘ so oft er wollte, es hat einfach nie gereicht. Egli wollte auf keinen Fall verlieren und wehrte sich mit seinen Mitteln so gut es ging. Der Gang endete irgendwann gestellt. Uhlmann ging darauf zum Tisch der Kampfrichter und sagte ihnen: ‚Schriebid dem Fotzulhung afig äs Nünifüfäzwänzg!“

bild10
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Ein Zimmer ist dem Eidgenössischen Frauenschwingverband (EFSV) gewidmet. Die erste Schwingerkönigin war 1980 Evi Bleiker. Für sie und den EFSV bedeutete das in Aeschi BE ein grosser Moment.

Irène war selber Schwingerin, bestritt ihr erstes Schwingfest aber erst 1997, mit 35 Jahren. Eine Gabe ragt für sie besonders heraus: Das Hufeisen, welches auf dem Gestell gut zu erkennen ist. Diese hat die ehemalige Schwingerin 1998 beim Frauenschwingen in Uznach gewonnen. Mit dem Hufeisen hat es eine ganz besondere Bewandtnis auf sich. Beim zweiten oder dritten Gang wurde sie der späteren Schwingerkönigin Eveline Fankhauser zugeteilt. Irène bereitete sich auf den Gang vor, als eine Kollegin völlig aus dem Häuschen zu ihr eilte. Diese sagte ihr: „Dein Vater ist da!“ Darauf meinte die heutige Wirtin: „Jawohl, und die Erde ist eine Scheibe. Was will denn mein Vater an einem Frauenschwingfest?“ Die 20-fache Kranzgewinnerin dachte sich dabei nichts weiter, lief kurze Zeit später auf den Platz hinaus und sah ihrem Vater mitten ins Gesicht. Beim Gang gegen Fankhauser hat sie schlagartig vergessen, wie schwingen funktioniert und fiel um wie eine Tanne. Für Irène war es so ein emotionaler Moment, mit feuchten Augen. Denn sie wusste, wie viel es für ihren Vater überhaupt brauchte, hierhin an ein Frauenschwinget zu kommen. Als ein Journalist Meli darauf ansprach, zuckte er nur mit der Schulter und sagte: „Sie ist auch mein Kind.“
Dieses Hufeisen verbindet Irène heute noch mit vielen Emotionen und Erinnerungen. Es war eine Ehrengabe von Franz Schatt, wegen dessen Familie sie überhaupt mit dem Schwingen begann. Zudem war ihr Vater in Uznach zum ersten Mal überhaupt an einem Frauenschwingfest anwesend.

bild11Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

In einem anderen Zimmer befindet sich unter anderem die erste Fahne des Eidgenössischen Schwingerverbandes. Diese Fahne ist 121 Jahre jung, hat alle Stürme der Zeit überlebt und befindet sich immer noch in einem guten Zustand.

bild12
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Diese zwei Figuren tragen die Schwingerkleidungen von Karl Meli (Turner) und Alois Boog (Senn). Das Spezielle daran: Boog trug 1964 dieses Hemd im Schlussgang des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes in Aarau. Karl Meli gewann gegen Alois Boog und wurde zum zweiten Mal nach 1961 Schwingerkönig.

bild13
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Diese wunderschöne Truhe war eine Gabe am Innerschweizerischen 1965 in Schattdorf UR. Speziell daran ist, dass sie Karl Meli nicht gewann. Er tauschte seinen Preis, den obligaten Muni, hinterher mit seinem Schlussganggegner Hans Zurfluh. So konnte er eine bleibende Erinnerung an seinen Sieg als Gast in der Innerschweiz mit nach Hause nehmen.

bild14
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Karl Meli erkämpfte sich in seiner Karriere insgesamt 124 Kränze. Wie Irène weiter ausführte, trat er dafür 125 Mal an. An dem einen Fest, wo er ohne Kranz heimging, war er angeblich selber schuld. Der Winterthurer schaute aus lautem „Gwunder“ 1956 beim Nordostschweizerischen Schwingfest nach seinem sechsten Gang dem Kampfrichter über die Schulter. Er wusste, dass er für den Kranz die Note zehn benötigte. Diese Zehn hätte er bekommen, für sein „Vergehen“ wurde Meli aber ein Viertelpunkt abgezogen. So flog Meli ein einziges Mal in seiner Karriere aus dem Kranz.

In diesem Kranzkasten befinden sich alle Eidgenössischen Kränze von dem sehr erfolgreichen Turnerschwinger. Neun Kränze stammen vom Schwingen, sieben vom Nationalturnen. Meli hat zu seinen neun Eidgenössischen Kränzen stets gesagt: „Das wäre heutzutage gleichzusetzen mit acht Eidgenössischen Kränzen.“ Irène lieferte mir die Erklärung nach: „Es gab in dieser Zeit, wo mein Vater diese Kränze gewann, dreimal nur einen Zweijahres-Abstand zwischen den Eidgenössischen. Der Normalfall war der Dreijahres-Rhythmus. Der Grund dafür war, dass das Eidgenössische Schwingfest und das Eidgenössische Turnfest nicht im selben Jahr stattfinden durften. Es ergab sich dann so, dass der eine, in diesem Fall der Eidgenössische Schwingerverband, seinen Anlass vorverschieben musste. 1956/1958, 1964/1966 und 1972/1974 fanden die Eidgenössischen Schwingfeste deshalb im Zweijahres-Abstand statt.“

Karl Meli nahm an neun Eidgenössischen Schwingfesten teil und gewann jedes Mal den Kranz. Erstmals 1956 in Thun, letztmals 1977 in Basel. Zu seiner Anzahl Teilnahmen meinte Meli aber, dass das eigentlich so nicht stimme. Er stand nämlich an zehn Eidgenössischen im Einsatz. Beim allerersten, 1953 in Winterthur, war er „Täfelibueb“.

Somit bin ich am Ende der zweiteiligen Serie „Besuch im Schwingermuseum Winterthur“. Beim Tippen dieser Zeilen lebte ich den Rundgang nochmals richtig mit, bei welchem mir die Tochter von Karl Meli viele kleinere und grössere Geschichten und Anekdoten erzählte. Ich wusste, dass ich hinterher unmöglich alles in diese beiden Teile packen kann. Deshalb bin ich mit Irène so verblieben, dass ich irgendwann dem Schwingermuseum und dem Restaurant Sternen wieder einen Besuch abstatten darf. Dabei werde ich ebenfalls Augen sowie Ohren offen halten, und hinterher weitere Geschichten rund um das Schwingermuseum auf Papier, respektive in meinen „Schwinger-Blog“ bringen.

feldwaldwiesenblogger

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.