Vergangenen Mittwochabend durfte ich die Probe des Muotathaler Theaters besuchen. Zu dieser Ehre kam ich, weil mich Regisseur Daniel Heinzer nach dem Interview von letzter Woche einlud.
Mit Notizblock, Fotoapparat und iPhone ausgerüstet betrat ich eine halbe Stunde vor dem Beginn der Probe das gemütliche Theaterstübli, welches sich gleich hinter der Bühne befindet.
Dort traf ich auf Daniel und seine Regieassistentin Nathalie Zwyssig, mit welchen ich ein kurzes Gespräch führte.
Regisseur Daniel Heinzer und Regieassistentin Nathalie Zwyssig (Bildquelle: feldwaldwiesenblogger)
Beim Gespräch sprach ich mit Fragen verschiedene Punkte an. Ich fragte zum Einstieg, ob das diesjährige Theaterstück lustiger sei als das letztjährige.
„Das ist im jetzigen Moment schwierig zu sagen. Wir haben nun alle Witze etwa zwanzigmal gehört, und fragen uns manchmal ob diese oder jene Szene wirklich lustig ist. Die Probeaufführung von kommenden Mittwoch gibt uns da sicher Hinweise. Wir haben aber das Gefühl, dass es lustig ist, sonst hätten wir dieses Stück nicht ausgewählt.“
Versucht der Regisseur, das Stück jeweils in ähnliche Bahnen zu lenken wie in anderen Jahren, sprich: eine ähnliche Ausgewogenheit zwischen Lustigem und Ernstem?
Ja. Die Theaterstücke, welche wir aussuchen sind aber schon so gegeben. Volksstücke sind eigentlich eher ernst und mit einem ebensolchen Hintergrund. Die Figuren im Stück sind witzig, die Sprüche sind lustig. Es ist eigentlich immer etwa die gleiche Richtung, und es ist auch das, was wir anstreben. Das ist unsere Linie, und unser Publikum will das sehen. Wir geben uns Mühe, lustige Szenen und witzige Lieder einzubauen.“
Habt ihr auch schon Experimente gewagt? Oder versucht, etwas Neues auszuprobieren?
„So viel ich mich erinnere, hatten wir einmal ein Lustspiel. Da gab es viele Leute, die hinterher sagten, wie viel sie dabei lachen konnten. Andere Leute behaupteten aber auch, dass das Stück gar keinen Sinn hatte. Wir haben uns auch schon die Frage gestellt: Was wollen wir machen?
Aber: Alle Theater in unserer Nähe bringen Lustspiele. Wir versuchen eigentlich bewusst diese Lücke mit ernsten Volksstücken in dem sogenannten hiesigen Theatermarkt auszufüllen.“
Wie ist das mit dem Dialekt: Wird dem Theaterstück eine Extraportion «Dialekt» aufgesetzt? Müssen die Spieler extremer «muotathalern», als sie es sonst täten?
„Da das diesjährige Volksstück vom Luzerner Josef Brun verfasst wurde, haben wir es erst in den Muotathaler Dialekt umgeschrieben. Dann sitzen wir zu fünft an einen Tisch und diskutieren, wie das oder jenes in urtümlichem Muotathaler Dialekt ausgesprochen würde.
Wir stellen schon fest, dass die Jungen ein bisschen weniger stark „muotathalern“, wenn sie beispielsweise in Schwyz arbeiten. Sobald sie aber auf der Bühne stehen, klingen sie wieder wie echte Muotathaler.
Da bestehen nur feine Nuancen, welche Aussenstehende eigentlich gar nicht bemerken.
Wir suchen aber nicht Worte, welche nicht mehr verwendet werden. Ausgegraben werden also keine alten Wörter, die nur noch einige wenige Muotathaler kennen würden. Es kommen aber natürlich typische Wörter oder Redensarten vor, wie das „Dach“, mit welchem ein Regenschirm gemeint ist. Oder auch: „Ich ga gu gingglä“. Da meinen eventuell Nicht-Muotathaler, das nun etwas Unsittliches kommen könnte. Dabei meint diese Redensart nichts anderes, als „ich gehe nun etwas (Billiges) einkaufen“.
Ihr haltet euer Konzept mit einem Stück, das in der Vergangenheit spielt, aufrecht? Damit verbunden ist ja auch die Einkleidung, die bei den Spielern einen etwas «kurligen» und eine Art «heile Welt»-Eindruck hinterlässt. Wird das bewusst so gemacht?
„Ja. Das ist sicher auch ein Teil des Erfolges, welcher das Muotathaler Theater ausmacht. Die alten Kleider und Utensilien „heimeln“ die Zuschauer an. Das praktizieren die Theater in unserer Gegend nicht mehr so. Deshalb machen wir das und bleiben dabei.
Unsere Theaterstücke spielen in der Vergangenheit. Wir legen aber nicht eine genaue Zeitepoche fest. Deshalb kann es auch sein, dass nicht alle Details haargenau übereinstimmen. Wichtig ist, dass der Gesamteindruck stimmt.“
Die Volksmusik (Singen, Juuzen, Örgeli spielen) gehört zum Muotathaler Theater wie das Amen in der Kirche. War das schon immer so?
„Das ist schon sehr lange so. Wie lange genau, entzieht sich aber meiner Kenntnis. Schon zu Zeiten, als mein Vater noch spielte (Nathalies Vater Adolf Hediger), wurde gesungen. Der Gesang wurde früher auch in den Theatern in unserer Gegend gepflegt, heute praktisch nicht mehr. Wir halten bewusst am Gesang fest. Unsere Zuschauer lieben und mögen das.“
Bekommt ihr viel Fanpost?
„Sehr selten. Es gibt pro Jahr etwa ein bis zwei Dankesbriefe. Vor allem von älteren Zuschauern, welche das erste Mal bei uns waren. Sie drücken darin aus, dass sie einen wunderschönen Abend oder Nachmittag bei uns verbringen durften, und sind dafür dankbar.“
Gab’s auch schon negative Rückmeldungen?
„Wegen dem Stück selber gibt es eigentlich nie negative Rückmeldungen. Es gibt vereinzelte mündliche Rückmeldungen, was man eventuell besser gemacht hätte. Zum Beispiel, wie man nächstes Jahr besser zu Billetten kommen könnte.
Letztes Jahr schrieb ein Zuschauer in einem Brief, dass er nach dem ersten oder zweiten Akt nach Hause ging, weil es im Zuschauerraum so stark gezogen hatte. Uns erstaunte das sehr, da nach dem Umbau des Theaters vieles neu gemacht wurde. Es gab bisher noch keine Zuschauer, welche diesbezüglich ein negatives Feedback loswerden wollten. Wir gehen davon aus, dass das ein sehr empfindlicher Mensch ist…“
Letztes Jahr musste ich beim Besuch des Theaters schmunzeln: Auf der Bühne wurde geraucht. Wurdet ihr darauf auch schon angesprochen? Ich nehme ja im Übrigen an, dass in der Josefshalle Rauchverbot ist, oder?
„Es wurde dann und wann schon auf der Bühne geraucht. Ein Zuschauer störte das mal sehr. Er meinte, man hätte den Rauch noch zu hinderst gerochen.
Wir sind der Meinung, wenn es die Situation erfordert, dann wird auf der Bühne geraucht. Wir essen und trinken auf der Bühne ja auch richtig. Darum wird auch richtig geraucht. Wir wollen da nichts simulieren, was nicht echt ist. Es muss so sein.“
Welche letzten Details seid ihr noch am Ausfeilen?
„Der Text und die Bewegungen sitzen eigentlich. Was uns bei der Probe am Montag aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass noch ein wenig die Authentizität fehlt. Zwei Beispiele: Ein Spieler läuft einen Weg, weil er ihn laut Drehbuch machen muss. Er soll aber nicht den Grund abwarten. Oder er erschrickt, bevor er tatsächlich von seinem Gegenüber erschreckt wird. Es sind im Grossen und Ganzen Timing-Sachen, an welchen wir noch arbeiten.“
Sind die angesprochene Hintergrundmusik und die Beleuchtung, welche Daniel kürzlich in meinen «Sieben Fragen an…» erwähnte, nun auch parat?
„Diese Dinge sind nun parat. Auch da sind wir noch am Feilen des Timings.“
Der Vorverkauf beginnt nur eine Woche vor der Premiere. Wieso eigentlich so spät? Ist das nicht ein wenig knapp?
„Dies ist immer wieder mal ein Thema. Du sagst, das sei ein wenig spät. Bedenke aber: Man bestellt die Billette etwa Mitte Oktober. Die letzte Aufführung ist aber erst am 7. Dezember. Man muss sich dessen bewusst sein. Zudem: Wenn der Zeitraum länger wäre, würden wir vor der Premiere andauernd Anrufe erhalten von Leuten, welche noch gerne ein Billett hätten. Diese eine Woche hat sich eigentlich schon länger bewährt. Aber: Es erstaunt auch nicht, dass am Premierensamstag jeweils am ehesten nach einem ersten Ansturm noch Plätze frei sind. Denn nur eine Woche nach dem Start des Vorverkaufes geht es vielen Leuten nicht gleich sofort.“
Was wünscht sich der Regisseur vor der Premiere?
„Gesunde Spieler, und dass sie keinen Unfall erleiden. Wenn alle gesund sind, kann man alles machen. Das ist von jetzt bis zur Premiere eigentlich das wichtigste.“
Was wünschen sich die Spieler vor der Premiere?
Es antworten der Regisseur und die Assistentin, welche beide auch bei mehreren Aufführungen selber mitspielten. Sie meinen: „Wir wünschen ihnen viel Lampenfieber, damit sie fokussiert sind. Es ist wie beim Sport: Wenn du studieren musst, bist du zu spät.“
Nathalie erklärt weiter: „Ich hatte auch Lampenfieber vor der Premiere. Dies war dann der Moment, wo ich mir sagte: Ich spiele nie mehr. Am Tag darauf hat sich das aber schon wieder verflüchtigt. Und man denkt schon wieder an die nächste Theaterzeit. Am schlimmsten ist es beim ersten Mal. Dann legt sich das.“
Nach und nach trafen die Akteure während dem Gespräch ein. Sie stürzten sich in ihre Bühnenkluft, und nahmen dann auch im Stübli Platz.
Kurz vor dem Beginn der Probe, um halb acht Uhr, wurde jedem Anwesenden ein Gläschen Chrüter gereicht. Auch mir. Wir stiessen an, und prosteten uns zu.
Wie mir Nathalie erklärte, ist das Einnehmen des Chrüters am «Halbi» (am Abend um halb acht, am Nachmittag um halb zwei Uhr) eine liebgewordene Tradition geworden. Mehr noch: Es ist gewissermassen ein Ritual.
(Bildquelle: feldwaldwiesenblogger)
Dann ging es los, und ich begleitete nach ein paar Schnappschüssen direkt vor der Bühne den Regisseur und die Assistentin hinauf zum Balkon mit den Sitzplätzen.
Die Erklärung der beiden ist so simpel wie auch einleuchtend: Das sei deshalb, dass die Akteure schön hinauf schauen, und nicht mehr in die vorderen Reihen herunter, wo sie zu Beginn der Proben sassen.
Nun begann das Stück. Man merkte, dass es langsam aber sicher Richtung Premiere geht. Die Regie musste nur noch punktuell einschreiten und unterbrechen. Da ging es noch um Betonungen, die korrekte Haltung, Laufwege auf der Bühne, die Lautstärke (sowohl der Spieler wie auch der Hintergrundmusik) und das richtige Timing. Also das Anbringen von Gesprochenem, Gestikulation oder Gegenständen am richtigen Moment, aber auch Ort.
Oder Daniel verlangte von seinen Leuten, dass sie in gewissen Szenen mehr Emotionen zeigen sollen. Es wurde noch an letzten Details geschliffen, sozusagen die Abläufe noch verfeinert.
Daniel und Nathalie spendeten aber auch spontanen Applaus, wenn sie eine Szene besonders hervorragend gespielt sahen. Das motiviert die Spieler, und das spürt man auch.
Überhaupt: Ich hatte das Gefühl, dass die gesamte Theatercrew, angefangen vom Helfer bis hin zum Regisseur, untereinander eine hervorragende Stimmung hat. In der grossen Pause nach zwei Akten gab es eine halbe Stunde Pause. Man sass zusammen, ass und trank etwas. Dazu spielten zwei Anwesende auf ihren Schwyzerörgeli und entlockten ihnen schöne «Tänzli». Die Atmosphäre war gemütlich und verlockte einen zum Verweilen. Was ich denn auch tat.
(Bildquelle: feldwaldwiesenblogger)
Beim diesjährigen Theaterstück wird man Aussagen wie «Wenn Säue das Pulver riechen» oder «Fuchs und Luchs sich nur durch einen Buchstaben unterscheiden» vernehmen. Weiter erfreuten mich Sprüche wie «Ds Trini isch nüger frini», und «das gid Arräscht, abr zerscht machid miär nu äs Fäscht». Ich musste einige Male spontan loslachen. Der Muotathaler Dialekt und die kernigen Sprüche kommen auch dieses Jahr wie gewohnt nicht zu kurz.
Irgendwann im Stück heisst es: «Sensation für die Zeitung, aber die wird nicht verraten». Deshalb werde ich hier nicht mehr Details zum Theaterstück bringen, respektive verraten. Die Zuschauer sollen live am Geschehen teilhaben können, und nicht vorher schon von mir alles vorgesetzt bekommen. Die Spannung soll hochgehalten werden. Denn es wird wieder sehr viel geboten: Vom Schiessen einer Sau, über eine Liebelei, einem handfesten Familienstreit bis hin von Fünflingen einer Katze. Oder sind es Drillinge? Egal. Die gespielte Jagdszene lässt eh kein Auge trocken, und der urchige Gesang sowie die schön eingesetzte Hintergrundmusik rundet das ganze wunderbar ab.
Bis zur Premiere bleibt noch etwas Zeit, und es wird, wie ich erfahren durfte, nur noch an Details gearbeitet. Für die Spieler wird es kommenden Mittwoch aber schon ernst: Es ist eine Probeaufführung angesetzt, bei welcher Zuschauer anwesend sein werden. So können die Akteure das Gefühl von Lampenfieber schon vor der eigentlichen Premiere erleben. Diese Probeaufführung gibt es bereits zum vierten Mal, und ist besonders für die Neuen gedacht. Damit sie das angesprochene Lampenfieber erleben können.
Ich habe den Abend beim Theater Muotathal sehr genossen. Ich bedanke mich herzlich für die bereitwillige Auskunft von Daniel und Nathalie. Bedanken möchte ich mich aber auch dafür, dass ich einen Einblick in die Probe und das neue Stück erhielt, und so nun meine lieben Leser daran teilhaben lassen kann.
Nun bleibt mir nur noch das Toi, Toi, Toi und dreimal über die Schulter gespuckt an die Muotathaler Theatercrew. Dass man dies so macht, habe ich im Blog des Theaters Heilbronn gelesen. Zudem wünscht man auch Hals- und Beinbruch. Aber keinen Unfall!
feldwaldwiesenblogger