Das ESAF 2013 ist Geschichte – ein paar Gedanken

In der aktuellen Ausgabe der Weltwoche vergleicht Sportjournalist Klaus Zaugg den Schlussgang an einem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest mit dem Superbowl des American Football in den USA. Recht hat er: Im Schlussgang oder eben dem Superbowl entladen sich die Gefühle und Emotionen der beiden Länder in einer nur ihr eigenen Art. Man nennt das auch Swissness oder Hollywood.

In der gigantischen Emmentalarena wurde am späten Sonntagnachmittag der logische Sieger mit Matthias Sempach erkoren. Zum Glück strafte Sempach nicht nur mich mit meiner Tippabgabe Lügen: Weder Bieri, noch Wenger, noch Stucki oder ein Innerschweizer wurde Schwingerkönig. Auch viele Experten lagen komplett daneben, ja prophezeiten sogar, dass diesmal keiner mehr mit acht gewonnenen Gängen Schwingerkönig werde. Wie Unrecht doch sie, und auch ich hatten.

Matthias Sempach ist nicht nur ein würdiger Nachfolger von Kilian Wenger, sondern auch der ideale Sympathieträger des modernen Schwingsportes. Schwingerkönig Sempach verköpert auch wie kein Zweiter den Prototyp eines durchtrainierten Athleten und Mustersportler.
Herzliche Gratulation Mättu!

Übrigens: Mit den Lebendpreisen (siehe Bild oben) könnte man von mir aus sofort aufhören. Was soll das heutzutage noch bringen, ausser Arbeit und Umtrieb?
Zudem gilt es die peinliche Tatsache zu erwähnen, dass der Siegermuni am ESAF zu wenig an «Preis-Geld» für den König abgeworfen hätte. Einzelne Preise für die nachfolgenden Ränge hätten nämlich gut und gerne den doppelten Wert des Stieres Fors gegolten. Dem Burgdorfer OK blieb nichts anderes übrig, als noch ein Couvert mit ein paar Tausender-Nötli draufzulegen.

Die Folklore darf an einem ESAF natürlich auch nicht fehlen. Schön dezent durften die Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger ihre Vorträge in der Arena darbringen. Die urchigen Klänge kamen so unaufdringlich daher, dass sich auch Nichtvolksmusik-Begeisterte an dem typischen Swissness-Sound erfreuten.
Zudem konnte und durfte Dagobert Cahannes, der Hauptspeaker von schon so manchem Eigenössischen, während den Darbietungen Gänge ankündigen oder Resultate durchgeben, ohne dass es störte.

Apropos Eidgenössisches: Wieso muss dieses grossartige Fest eigentlich mit vollem Namen immer noch den Zusatz «Älplerfest» beinhalten? Ich meine mich zu entsinnen, gar nicht so viele Älpler in Burgdorf angetroffen zu haben. Die Bezeichnung Eidgenössisches Schwingfest reicht vollkommen, oder?

Der Gigantismus an den Eidgenössischen Schwingfesten nimmt in meinen Augen ein bedrohliches Ausmass an. Gerade noch habe ich oben vorgeschlagen, es nicht mehr Älplerfest zu nennen. Denn was hat diese Festmeile (siehe obiges Bild) mit den unzähligen Verkaufs-, Essens-, Ausstellungs- und Werbeständen mit dem Älplertum (noch) zu tun? Etwa so viel wie Bernhard Russi mit der Formel 1.
Eine grosse Schwingarena mit den üblichen Verpflegungsständen und einer entsprechenden Anzahl Festzelten für den unumgänglichen «Krimskrams» würde in meinen Augen vollkommen reichen.
Aber eben: Ein OK-Mitglied hat am Sonntag im Radio gemeint, die Grösse des jetzigen Anlasses entspreche der Nachfrage. Wahrscheinlich hat er (leider) Recht.

Beeindruckt hat mich nebst der Riesenarena, übrigens der grössten temporären Europas, auch die Stahlkonstruktion unter den Tribünen.
Ein Wahnsinn und Gewirr an Rohren, Stangen und Schrauben. Auch dies verkörpert die typische Schweiz: Mit Präzision, Weitsicht, Eifer und Fleiss wurde in Burgdorf die grösste Arena errichtet, die je an einem ESAF gesehen wurde.

Etwas unterhalb meines Sitzplatzes, auf der Tribüne C (jener der Innerschweizer), fand sich ein lustiger Zeitgenosse von den «Ländern hindäfürä» (Ob-/Nidwalden) ein. Er schoss nicht nur bei jedem gewonnenen Gang von Andreas Ulrich eine längliche Tischbombe ab, er peitschte auch das Publikum mit seinem Megafon an.
Am Sonntagvormittag gelang ihm sogar das Kunststück, die La Ola-Welle zu starten und um die Arena branden zu lassen. Gut gemacht, Junge!

Der Stimmungsmacher mit der längeren Haartracht bringt mir die Überleitung zu unseren «Sorgenkindern», den Innerschweizer Schwingern. Wobei Sorgenkinder: Die ISV-Schwinger erkämpften sich stolze 15 (!) Kränze, gar drei mehr als die Berner.
Man könnte fast meinen, dass das Einteilungsgericht Mitleid mit den Urschweizern bekam und ihnen im achten Gang ein Trostpflaster in Form von «ringen» Gegnern zum Kranzgewinn darreichte.

Für die tragische Figur an diesem ESAF, Martin Koch, nützte das auch nichts mehr. Böse Zungen behaupten, dass er mit den Gängen gegen Kilian Wenger (Sieg), Christian Stucki (Niederlage) sowie gegen Matthias Sempach (ebenfalls Niederlage) verheizt und für die Innerschweiz geopfert wurde.

Symptomatisch für den ISV-Auftritt waren auch gewisse Schwyzer, allen voran Adi Laimbacher und Christian Schuler, die gemäss Paul Vogel (ISV-Präsident) versagt haben. Trotzdem holten sich die Schwyzer am Sonntagabend ganze acht Kränze ab.

Was aus Innerschweizer Sicht bleibt, ist die nüchterne Erkenntnis, dass meine «Landsleute» praktisch zu keiner Zeit des Festes an der Spitze mittun und um die Krone kämpfen konnten. Woran das liegen mag, wissen die Götter.
Klugscheisser und Besserwisser meinen, dass der abtretende Geni Hasler die Ursache allen Übels und Elendes ist. Dabei gilt es nochmals zu unterstreichen: Die ISV’ler holten die meisten Kränze!
Aber: Das markiert halt heutzutage (fast) keine allzu grosse Ruhmestat mehr, wo wie bei Olympiaden oder Weltmeisterschaften im Skifahren fast nur noch das Mittun im Schlussgang und der Schwingerkönigtitel am meisten zählt.

Geni Hasler ist und bleibt ein sympathischer Zeitgenosse. Das war er schon als Schwinger und ist es als TK-Chef der Innerschweizer geblieben. Hasler, einem der besten, wenn nicht gar besten Schwinger aller Zeiten, blieb die Königskrone verwehrt. Wiederum behaupten andere böse Zungen, dass genau aus diesem Grund unter «Schränz Geni» nie und nimmer ein Schwinger aus seinem Team Schwingerkönig geworden wäre. Wegen Neid, Missgunst und was weiss ich für welchem «Mumpitz».

Aber eben, mit sympathischen Leuten ist in der Neuzeit kein Blumentopf, geschweige denn den Königstitel zu gewinnen. Da muss scheinbar ein «Böser» her. Ob’s ein Arschloch oder ein furchtbarer Schinder als Technischer Leiter braucht, weiss ich auch nicht.
Ich bin der Meinung, dass man die Sache nüchtern betrachten sollte, und keine Schnellschüsse abzufeuern braucht.

Jedenfalls könnte es nicht schaden, wenn in Zukunft unsere Topleute halt doch nicht nur im grossen Verbund trainieren und über glühende Kohlen hüpfen. Sondern irgendwie auch separat betreut werden und trainieren, wie es die stärksten Berner Mutzen scheinbar schon länger erfolgreich praktizieren.

Man könnte jetzt tausend Dinge vorschlagen und gegen einander abwägen: Das ESAF 2013 ist vorbei und soll abgehakt werden. Hingegen soll eine Revanche in Form vom Kilchberger Schwinget in gut einem Jahr ins Auge gefasst und gut geplant werden.

Bundesrat Ueli Maurer, welcher mich und meine Muotathaler Kollegen am Sonntagmorgen mit einem herzhaften «Guete Morge mitenand» begrüsste, hielt anschliessend in der Schwingarena eine stimmige WWW-Rede ab. WWW was? Maurer erklärte, dass WWW für Wurzeln, Wert und Weitsicht stehe. Da gibt es nichts dagegen einzuwenden.
Eine findige Twitter-Followerin von mir antwortete vorgestern, nachdem ich es mit einem entsprechenden «Piktschör» auf Twitter stellte: «Dieselbe Rede wie im August 2012 zur Eröffnung des 4-Quellen-Wegs auf dem Gotthard-Pass.»

Nichtsdestotrotz: Vor Maurers Gang in die Höhle der Mutzen liess er am Samstagabend, nach Beendigung der Schwingerarbeit, die Patrouille Suisse (Bild oben) auffliegen und über das Emmental donnern.
Dabei habe ich gedacht, dass diese Edelfliegerstafel aus Kostengründen aus dem Sortiment der Schweizer Armee gestrichen wurde…

Das ESAF 2013 ist Geschichte, und dies waren nun ein paar Gedanken von mir zum grössten Schweizer Sportanlass dieses Jahres.

feldwaldwiesenblogger

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