Im ersten Teil des Interviews mit Blaise Decrauzat ging es unter anderem um die Saison-Einschätzung der Südwestschweizer Schwinger, wie sie sich aufs ESAF2016 vorbereiten und wie’s um die Vorfreude auf diesen Grossanlass steht. Weiter um die wichtigsten Tätigkeiten des Verbandspräsidenten, was ihn derzeit am meisten beschäftigt, wie es um den schwingerischen Nachwuchs in der Romandie bestellt ist und wo es in der Westschweiz am meisten Schwinger hat.
Die erste Frage im Teil zwei habe ich bereits in einem Beitrag vom 4. August angekündigt: Ein gutes Jahr vor dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest: Wieso eigentlich der Zusatz „Älplerfest“?
Blaise Decrauzat
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger
Was bietet das ESAF2016 in Bezug auf das „Älplerfest“?
Blaise überlegt. Es wird sicher einen traditionellen Umzug geben, dazu kann ich aber noch nichts sagen, da es noch nicht offiziell ist. Man ist daran am Organisieren.
Aber sonst, was bleibt noch vom Älplerfest? Man darf sicher den Sport, also Schwingen, Hornussen und Steinstossen, dazu zählen. Jodler und Fahnenschwinger werden sicher auch dabei sein. Ob es nebst den Lebendpreisen weitere Kühe geben wird, weiss ich nicht.
Hat das ESAF schon seine Strahlkraft vorausgeworfen, und so zu einem Schwingboom in der Romandie geführt?
Ein Boom, ich vermute nicht. Den Athleten ist bewusst, was auf sie zukommen wird und sie machen auch etwas dafür. Wir spüren einen gewissen Druck, auch von den Zeitungen. Einige berichten fast jede Woche darüber. Sicher, es gibt viele Leute, die über das ESAF reden. Ich denke aber, dass der Boom eher nachher kommt.
Hast Du das Gefühl, dass es auch im Schwingsport eine Art „Rösti-Graben“ gibt?
Blaise grinst und meint: Das musst du meine Tochter fragen. Sie macht eine Gymi-Arbeit über den „Rösti-Graben“.
„Rösti-Graben“ im Schwingen? Ich denke, ein bisschen schon. Diejenigen in der Romandie, welche mit dem Schwingsport zu tun haben, leben schon für diesen Sport.
Ich weiss nicht, ob du im SCHLUSSGANG gelesen hast, dass im Wallis beim Kantonalen nicht alles rund lief. Wir haben manchmal schon einen „Tête de Romande“, einen Westschweizer-Kopf. Ruedi Schläfli (TK-Chef) und ich am „Kopf“ des Verbandes ziehen das jetzt durch. Wir arbeiten nach den Richtlinien des ESV und versuchen alles so gut wie möglich zu machen. Aber das ist nicht immer so einfach!
Es ist bei uns schon eine andere Mentalität vorhanden. Du wirst in Estavayer sicher feststellen, dass das Fest gut organisiert ist. Einfach anders als bei euch. Wir sind halt Romands!
Wird es in der Romandie dereinst wieder so einen Topschwinger wie Hanspeter Pellet, Stefan Zbinden oder früher Ernest Schläfli und Gabriel Yerly geben?
Benjamin Gapany könnte einer sein, wenn er gesund bleibt. Gapany ist 1,90 Meter gross und 110 Kilogramm schwer. Vielleicht noch Steve Duplan. Er ist nur etwa 1,80 Meter gross und 85 Kilogramm schwer, aber technisch sehr beschlagen. Vergleichbar mit dem Innerschweizer Andreas Ulrich. Bei Cardinaux dasselbe. Beide müssen noch etwa zehn Kilogramm zulegen, dabei die Technik aber nicht verlieren.
Jetzt klagen wir, dass wir zurzeit keinen Topschwinger haben. Das kann sich wieder ändern. Wir haben viele gute Nachwuchsleute. Die sind aber noch zu jung, um eine Prognose abgeben zu können. Diese Schwinger sind gewichtsmässig alle leicht, aber technisch gut. Bei uns in der Romandie ist das genügend. Aber wenn sie beispielsweise so einen Athleten wie Remo Käser vor sich haben, wird es schon schwierig.
Michael Matthey, Kranzgewinner beim Innerschweizerischen Schwing- und Älplerfest
Bildquelle: schlussgang.ch
Einige Eurer Schwinger konnten diese Saison auch ausserhalb Ihres Verbandsgebietes sich den Kranz ergattern. Ein schönes Beispiel war Michael Matthey beim Innerschweizerischen in Seedorf. Wie stuft Ihr diese Erfolge ein?
Das ist schon top, diese Erfolge sind auch unsere Motivation. Das gehört zu den Hauptzielen, dass unsere Schwinger auch auswärts den Kranz holen. Die zwei Kränze auf dem Weissenstein waren für uns ebenfalls sehr gut. Dieses Jahr holten wir insgesamt vier Kränze ausserhalb unseres Teilverbandgebietes. Letztes Jahr waren es nur zwei.
In der Romandie ist es für unsere Schwinger einfacher, den Kranz zu erkämpfen. Die besten Akteure holen jährlich drei bis vier Kränze an unseren Kranzfesten. Wenn sie gut schwingen wollen, müssen sie auch ausserhalb unseres Verbandsgebietes antreten. Wenn unsere Athleten dort den Kranz holen, beweisen sie, dass sie auch etwas können.
Habt ihr bewusst an Euren Kantonalen Berner Gäste, um diese Schwingfeste aufzuwerten?
Am Walliser waren die Oberländer, am Neuenburger die Seeländer und am Freiburger die Oberaargauer zu Gast. Beim Waadtländer Kantonalen waren die Oberhabsburger (Luzerner) eingeladen. Natürlich, diese Gäste haben wir auch, um unsere Schwingfeste aufzuwerten und interessant zu machen. Weiter auch, um andere Paarungen als sonst einteilen zu können. Wenn wir einen besseren Stand im Vergleich zu den anderen Teilverbänden hätten, sähe das auch anders aus. Zehn gute Athleten machen normalerweise das Fest schon interessant.
Beim Freiburger Kantonalen hatten wir keine Chance bei der Teilnahme von Matthias Sempach, Remo Käser und ihren Kollegen.
Vom ESV aus haben wir deswegen keine Sondergenehmigung. Es gibt seit kurzem eine Richtlinie, welche die Gäste-Einladung regelt. Du darfst einen Klub einladen, musst aber Beziehungen mit diesem Klub vorweisen können. Der Schwingklub Lausanne hat beispielsweise eine freundschaftliche Beziehung mit dem Schwingklub Oberhabsburg. Die Freiburger haben gute Kontakte zum Schwingklub von Schwingerkönig Sempach, den Oberaargauern. Matthias Sempach hat in Freiburg zwei Jahre seiner Lehrzeit absolviert. Seinen allerersten Kranz holte er sich beim Freiburger Kantonalen.
Welche Gegend in der Romandie weist die meisten Schwingerfreunde auf? Wo ist das Interesse am Schwingsport am Grössten?
Auch bei diesem Punkt, der Kanton Freiburg. Im Waadtland gibt es ebenfalls viele treue Schwingerfans. Wenn die einmal gekommen sind, bleiben sie dem Schwingsport treu. Die Neuenburger und die Walliser Schwinggemeinden sind ein wenig unter sich. Mit William Martinetti haben sie im Wallis jemanden, der den Schwingsport weiterbringt. In Neuenburg gibt es (noch) niemanden, der das Schwingen vorantreibt. Leider ebenso im Kanton Genf.
Die Freiburger haben wohl die meisten Schwinger. Die Waadtländer stellen aber zurzeit wohl die stärksten Schwinger mit Matthey, Piemontesi, Duplan, Cardinaux und Gottofrey. Die besten Freiburger Schwinger sind Nydegger, Gapany, Moser, Haenni, Glauser und Guisolan. Der beste Neuenburger Schwinger ist derzeit Samuel Dind.
Sehr schade ist einfach, dass Michael Nydegger, unser Leader und einziger zurzeit aktive Eidgenosse, letztes Jahr ab Mai und dieses Jahr die komplette Saison verletzungshalber verpasste.
Fühlst Du dich im Vergleich mit den anderen vier Teilverbänden manchmal benachteiligt?
Nein, ich fühle uns nicht benachteiligt. Ob an einem Bergfest wie beim Weissenstein oder an einem Teilverbandsfest, die Verantwortlichen helfen uns auf der sportlichen Ebene. Sie unterstützen uns dabei, dass auch wir gute Resultate erzielen können. Das ist gut für uns und unsere Schwinger, denen das Selbstvertrauen gibt.
Auf der ESV-Ebene besteht eine gerechte Aufteilung unter den fünf Teilverbänden.
Samuel Dind und Benjamin Gapany, die beiden Kranzgewinner beim Weissenstein-Schwinget
Bildquelle: arls.ch
Der Auftritt der vier Südwestschweizer Schwinger am Kilchberger Schwinget letztes Jahr war ja nicht unbedingt das Gelbe vom Ei.
Es waren vier Südwestschweizer Schwinger dabei. Keiner davon war im Ausstich. Von den 16 Gängen resultierten zwei Gestellte und 14 Niederlagen. Wir haben das diskutiert, besprochen und dann abgehakt.
Was soll ich sagen? Wir vom Verband haben dabei vielleicht einen Fehler bei der Selektion gemacht. Das Problem war, dass wir die Selektion Mitte Juli nach dem Südwestschweizerischen vorgenommen haben. Nachher waren noch zwei Kantonale Schwingfeste. Dind bestritt noch das Nordwestschweizerische, wo er den Kranz holte. Wir haben vielleicht nicht die vier besten genommen. Zudem waren die Schwinger in Kilchberg einfach nicht parat. Gapany und Glauser waren nominell die besten Südwestschweizer auf dem Platz. Beide konnten an diesem Tag nicht ihre Leistung abrufen. Ich denke, das sollte nicht mehr passieren.
2013 holten wir keinen Kranz am ESAF in Burgdorf. Das Jahr darauf wollten wir es am Kilchberger besser machen, schafften es aber leider nicht. Wir machten damals schon eine Krisensitzung mit dem TK und dem Vorstand. Das ist aber nun Geschichte und wir schauen nach vorne. Estavayer ist nun unser Ziel, dort müssen wir etwas zeigen. Wir setzen alles daran, dass uns das auch gelingt.
Ein weiteres positives Beispiel: Der Freiburger Glauser war einer der ersten Schwinger, der zu uns Funktionären kam und fragte: Wie soll ich mich vorbereiten, um den Kranz in Estavayer machen zu können? So haben wir angefangen, etwas aufzubauen um die Schwinger unterstützen zu können.
Aber wie ich schon erwähnte, verantwortlich sind in erster Linie der Schwinger und sein Schwingklub. Wir sind das Dach und bereit für jegliche Hilfestellung.
Hast Du abschliessend einen Wunsch oder eine Bitte?
Blaise überlegt länger. Wir haben ein Loch an der Spitze des Verbandes. Das kommt zu einem Teil auch wegen den zurückgetretenen Schwingern. Viele Schwinger, welche Erfolg hatten, siehst du nachher nicht mehr bei uns. Das ist meines Erachtens ein Fehler. Ich habe selber nie geschwungen, und kann daher kein schwingerisches Wissen weitergeben. Da kann man sich schon fragen: Wieso bin ich als Nichtschwinger Präsident vom Südwestschweizerischen Schwingerverband geworden? Mein Wunsch wäre, dass die ehemaligen Spitzenschwinger mehr in unseren Verband eingebunden und eine Funktion übernehmen würden.
Ich werde mein Amt in gut anderthalb Jahren niederlegen. Ich bin dann 12 Jahre Präsident, das ist genug. Der nächste Präsident wird vielleicht auch ein Nichtschwinger sein. Es ist auch ein Wunsch, meine Nachfolge gut zu organisieren. Es wäre gut, heute schon zu wissen, wer der nächste Präsident wird.
Eine Bemerkung zu den Ämtern: Beim Südwestschweizerischen Verband sind alle Posten besetzt. Auf der Kantonalstufe sind leider nicht alle Ämter besetzt.
Beim Posten des Pressechefs fängt es an: Wir haben beispielsweise keinen Pressechef in Freiburg und in Neuenburg.
Aber die Posten der Jungschwingerleiter und der Technischen Leiter sind bei allen Kantonalverbänden glücklicherweise besetzt.
Hier bin ich am Ende meines interessanten und aufschlussreichen Gespräches mit Blaise Decrauzat. Der Mann lebt regelrecht für den Schwingsport und versucht in der Romandie etwas aufzubauen, sowie zu bewegen. Ich wünsche ihm dabei viel Erfolg, Ausdauer und gute Leute, welche ihn unterstützen.
Meine Vorschauen-Serie auf das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in gut einem Jahr trägt hoffentlich auch ein wenig zur Unterstützung bei. Vor allem aber hoffe ich, dass in der Deutschschweiz dadurch mehr Verständnis und Entgegenkommen gegenüber dem kleinsten der fünf Teilverbände entgegengebracht wird.
Blaise, vielen Dank für das angenehme Gespräch in Murten und deine angebotene Unterstützung für meine weiteren Beiträge über den Südwestschweizer Schwingsport!
feldwaldwiesenblogger