Gestern erhielt ich von einem Kollegen einen schockierenden Reisebericht eines Seglers namens Ivan Macfadyen. Diesen aufrüttelnden Bericht möchte ich euch nicht vorenthalten, und habe ihn in der Folge komplett in diesen Blogbeitrag verpackt.
Die Quelle des besagten Reiseberichtes ist: «The ocean is broken – Der Ozean ist gekippt, By Greg Ray, Newcastle Herald, 22. Oktober 2013«
Da mir der Name Ivan Macfadyen überhaupt nichts sagte, gab ich ihn bei Wikipedia ein, leider ohne Ergebnis.
Eine Google-Suche mit diesem Namen ergab 259’000 Treffer, unter anderem eine Internetseite mit dem findigen Namen «netzfrauen – Was eine nicht schafft, schaffen viele«. Darin findet sich ebenfalls der erwähnte Reisebericht, praktisch wortwörtlich wie ich ihn auch widergebe.
Ein anderer Link führte mich auf die Segelreporter.com-Homepage. Dort fasst Michael Kunst unter dem Titel: «Müll im Meer: Australischer Segler berichtet von riesigen Müllflächen im Pazifik – Geschändeter Ozean» den Reisebericht zusammen und ergänzt ihn mit eigenen Worten.
Hier also nun der komplette Original-Reisebericht:
(Bildquelle: Greg Ray, Newcastle Herald)
«Es war die Ruhe, die diese Reise anders machte als alle anderen vorher. Nicht die Abwesenheit von Geräuschen, genauer gesagt. Selbstverständlich bewegte der Wind geräuschvoll die Segel, und man hörte das Pfeifen und Klappern im Gestänge. Auch die Wellen schlugen gegen das Fiberglas der Bootswand.
Und dann waren da all die anderen Geräusche: Ein Schlagen, Reiben, Kratzen und Klopfen, wenn das Boot mit den vielen Abfällen in Berührung kam.
Aber es fehlte das Schreien jener Meeresvögel, welche unser Boot während all der anderen Reisen umkreisten. Die Vögel fehlten, weil die Fische fehlten.»
Vor genau 10 Jahren, als der Segler Ivan Macfadyen von Newcastle auf dem genau gleichen Kurs segelte, brauchte er zwischen Brisbane, Australien und Osaka (Japan) lediglich eine Angel ins Wasser zu halten, um einen Fisch zu fangen.
(Bildquelle: Greg Ray, Newcastle Herald)
«Damals verging kein Tag auf der 28-tägigen Reise, ohne dass wir einen gut gewachsenen Fisch fingen, den wir danach kochen und zusammen mit Reis essen konnten», erinnerte sich Macfadyen. «Aber dieses Mal fingen wir auf der ganzen Reise nur 2 Fische.»
Keine Fische – keine Vögel – kaum ein Zeichen von Leben.
«Nach all den Jahren hatte ich mich an das Gekreisch der Vögel gewöhnt», sagte er. «Sie haben das Boot begleitet, sich manchmal auf dem Masten ausgeruht, um sich dann wieder in die Lüfte zu schwingen.»
Im März und April dieses Jahres war das Boot umgeben von Stille und Trostlosigkeit.
Nördlich des Äquators, nördlich von Neu Guinea, sahen wir grosse Fischerboote, die den Riffen entlang fuhren. «Die grossen Schiffe fuhren ständig vor und zurück», sagte er. In der Nacht ging die Arbeit weiter, sie verwendeten helles Flutlicht.
Eines Morgens weckte der Crew-Partner Madfadyen, weil ein Hochgeschwindigkeitsboot gestartet war. «Ich war besorgt. Wir waren unbewaffnet und Piraten sind eine echte Gefahr in diesen Gewässern. Ich dachte, wenn diese Typen bewaffnet sind, stecken wir in grossen Schwierigkeiten.»
Aber es waren keine Piraten, zumindest nicht im üblichen Sinne. Das Boot legte seitlich an, und der Melanesier bot uns Geschenke an, Früchte und Eingemachtes. «Zudem gaben sie uns fünf grosse Zuckersäcke gefüllt mit Fischen. Es waren gute, grosse Fische, unterschiedliche Sorten. Einige waren frisch, andere hatten offensichtlich eine Weile in der Sonne gelegen.»
(Bildquelle: segelreporter.com)
Wir sagten ihnen, dass wir absolut keine Möglichkeit hätten, all diese Fische zu verwenden. Wir waren nur zu zweit, und wir hatten auch gar keinen freien Stauraum. Sie forderten uns auf, sie einfach über Bord zu werfen – das hätten sie ohnehin auch getan.
Sie erzählten, dies sei ein winziger Teil des Beifanges eines Tages. Sie wären nur an Thunfisch interessiert, alles andere sei lediglich Abfall. Die Fische wurden getötet und weggeworfen. Sie fuhren dem Riff entlang, Tag und Nacht, und fingen jedes Lebewesen das sich zeigte.
Macfadyen wurde sterbensübel. Hier sah er, was ein einziges Fischerboot anrichtete, und er wusste, dass unzählige weitere Boote hinter dem Horizont auf die gleiche Weise fischten.
Kein Wunder, dass das Meer tot war. Kein Wunder, konnte er mit der Angel nichts fangen. Es gab nichts mehr zu fangen.
Das mag depressiv klingen – aber es kam noch schlimmer.
Eine weitere Reiseetappe ging von Osaka nach San Francisco. Die meiste Zeit während dieser Reise waren sie umgeben von einer Übelkeit erregenden Verwüstung.
«Nachdem wir Japan verlassen hatten, fühlte sich der Ozean tot an. Wir sahen kaum je eine lebende Kreatur. Wir sahen einen einzigen Wal, der sich hilflos an der Wasseroberfläche bewegte. Ein grosser Tumor wurde sichtbar an seinem Kopf – es war schlimm.»
«Ich bin viele Seemeilen gefahren in meinem Leben, und ich bin es gewohnt, Schildkröten, Delphine, Haie und zahllose Vögel zu sehen. Aber dieses Mal war auf 3000 Seemeilen nichts Lebendiges zu sehen.»
«Stattdessen gab es Abfall in unglaublichen Mengen.»
Ein Teil davon waren die Überreste des Tsunamis, welcher Japan vor zwei Jahren getroffen hatte. Die Welle rollte über riesige Landstriche, und trug unglaubliche grosse Mengen von Trümmern aufs Meer hinaus.
Ganze Nester aus verwickelten, synthetischen Seilen, Netzen und Polystyrol-Schaum-Stücken, millionenfach. Schlick von Öl und Petrol überall.
Unzählbare Holzmasten, die von der Riesenwelle mitgerissen wurden, und die jetzt mit ihren Kabeln in der Mitte des Ozeans schwammen.
«Vor Jahren, wenn es einmal windstill war, haben wir einfach den Motor angeworfen, um vorwärts zu kommen.»
«Aber nicht dieses Mal.»
«An vielen Orten konnten wir den Motor nicht in Betrieb nehmen aus Angst, der Propeller würde von all den Seilen und Kabeln zerstört werden. Wir entschieden, den Motor nur tagsüber einzuschalten, wenn jemand von der Brücke aus den Abfall im Auge behalten konnte.»
(Bildquelle: segelreporter.com)
«Von der Brücke aus konnte man bei Hawaii durch das klare Wasser in die Tiefe sehen.
Da sahen wir, dass die Trümmer nicht nur an der Oberfläche schwammen, sondern auch auf dem Grund lagen. Abfälle von der Grösse einer Getränkeflasche bis zur Grösse eines Lastwagens.
Wir sahen einen Fabrik-Schornstein aus dem Wasser ragen, dem ein verbundener Boiler den Auftrieb gab. Wir sahen grosse Container, die sich rollend mit den Wellen immer weiter bewegten.»
«Wir segelten um diese Trümmer und Abfälle herum – es war ein richtiger Abfall-Trip.»
«Unter Deck hörten wir ständig, wie die Gegenstände gegen die Bootswand schlugen, und waren immer in Angst, etwas wirklich Grosses würde uns treffen. Die ganze Bootswand war zerkratzt und zerbeult.»
«Plastik war allgegenwärtig. Flaschen, Beutel, jede Art von Wegwerfartikeln, die man sich vorstellen kann. Von zerbrochenen Stühlen bis zu Kehrichtschaufeln, Spielsachen und andere Utensilien.»
«Und noch etwas: Die leuchtend gelbe Farbe des Bootes war in all den Jahren, die es benutzt wurde, niemals verblasst oder verwittert von der Sonne oder vom Salzwasser. Aber etwas im Wasser bei Japan nahm der Farbe die Strahlkraft, und veränderte sie in noch nie da gewesener Weise.»
Daheim in Newcastle versucht Macfadyen immer noch zurecht zu kommen mit dem Schock und dem Horror dieser Reise.
«Der Ozean ist gekippt», sagt er, und schüttelt ungläubig seinen Kopf.
«Man muss sehen, dass das Problem riesig ist. Keine Organisation und keine Regierung scheint irgend eine Absicht zu haben, daran etwas zu ändern.» Macfadyen sucht nach Ideen.
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Macfadyen versucht jetzt alle möglichen Gruppierungen zu mobilisieren, damit sie auf freiwilliger Basis das Problem angehen.
«Warum verlangen wir nicht nach einer Flotte, welche diese Verschmutzung aufräumt?»
Die Antwort, die er bekam: Die Umwelt-Schäden durch den verbrannten Treibstoff für dieses Unternehmen wären schlimmer, als der Schaden, wenn man einfach alles so belässt wie es ist.
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Der Bericht erschien im Newcastle Herald
Übersetzung: Ruth Huber
Liebe Leser, dieser Reisebericht stimmt einen wirklich traurig. Von der Schweiz aus, einem Binnenland, kann man das leider nur schwer erahnen, was für Müll und Dreck sich in den Ozeanen scheinbar ansammelt.
Wir leben vergleichsweise in einem «sauberen» und «geschützten» Land. Trotzdem sollten auch wir unseren Beitrag zu sauberen Ozeanen leisten. Wie das genau erfolgen soll und kann, weiss ich auch nicht.
Wie wäre es aber, wenn wir uns zum Beispiel mehr überlegen, wie und woher unser Fisch auf dem Teller kommt. Oder wo unsere Unmengen an Plastikabfällen eigentlich landen. Denn es ist auch hier bekannt, dass mikroskopisch kleine Plastikpartikel sich heute im Meer, in Trinkwasser und selbst in Lebensmitteln finden.
feldwaldwiesenblogger