Die Verletzungshexe im Innerschweizer Schwingerlager

In der SCHLUSSGANG-Ausgabe Nummer 14 vom 26. August findet sich folgender Artikel:

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(Bildquelle: SCHLUSSGANG Nummer 14, 26. August 2014)

Es geht um die Verletzungshexe im Schwingsport und um die auffällige Häufung von verletzten Spitzenschwingern im Innerschweizer Lager. Gelb markiert habe ich zudem eine brisante Aussage: «Doch hinter vorgehaltener Hand wird die ISV-Verletzungsmisere nicht nur dem Zufall zugeschrieben. Weil diese Aussage aber derart brisant ist, möchte sich öffentlich niemand dazu äussern.» Starker Tobak!

Als ich das las, dachte ich mir sofort: Diesem Aspekt nehme ich mich nach dem Kilchberger Schwinget an. Denn in diesen Fall gehört in meinen Augen etwas Licht, um das Dunkel daraus zu vertreiben. Sprich: Was steckt dahinter? Wie verhält es sich wirklich? Gäbe es Handlungsbedarf, und wenn ja, wo?

Als Ergänzung zur SCHLUSSGANG-Aussage habe ich noch die dazugehörige Liste «Verletzte Spitzenschwinger Saison 2014»:

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(Bildquelle: SCHLUSSGANG Nummer 14, 26. August 2014)

Wie man unschwer erkennen kann, ist die Zahl der verletzten Spitzenschwinger im ISV-Lager um einiges grösser als bei den anderen Teilverbänden. Diese 10 Namen stechen sofort ins Auge. Dagegen sind die drei verletzten Berner Schwinger geradezu eine Bagatelle, sind doch zwei von ihnen inzwischen wieder genesen und beim Kilchberger Schwinget gar angetreten…

Im Innerschweizer Team sind gerade mal zwei Athleten (Peter Imfeld und Alain Müller) wieder zurückgekehrt. Ganze acht Schwinger werden vor dem Jahr 2015 keine Schwingfeste mehr bestreiten.

Diesem Fall bin ich nun nachgegangen. Dabei ergaben meine Recherchen, dass es sich vermutlich nur um Spekulationen hinsichtlich der brisanten Aussage handeln muss.
Und: Mir wurde aus einer vertraulichen Quelle zugetragen, dass hinter dieser Sache ein Journalist stecken könnte, welcher dieses Gerücht in die Welt setzte und Unruhe ins ISV-Lager bringen möchte.
Der SCHLUSSGANG stieg dann leider auf dieses Gerücht ein…

Es gibt nämlich keinen rationellen Zusammenhang zwischen den Verletzungen und den Verletzten.
Wenn man nämlich die Verletzungen und die verletzten Schwinger ein wenig unter die Lupe nimmt, stellt man zwei Tatsachen fest:
a) Es handelt sich um Spitzenschwinger aus allen Kantonalverbänden (Vier Luzerner, drei Schwyzer, ein Urner, ein Obwaldner und ein Zuger).
b) Es gibt sechs verschiedene Verletzungsarten: Fünf Knieverletzungen, zwei Bänderverletzungen, eine Rückenverletzung, ein Leistenbruch, eine Magenverletzung und eine Herzmuskelentzündung.

Von einem kausalen Zusammenhang kann man da einfach nicht sprechen. Was höchstens auffällt, sind die fünf Knieverletzungen. Aber auch die sind laut SCHLUSSGANG-Tabelle unterschiedlicher Natur. Was gerne angedichtet worden wäre, nämlich Kreuzbandrisse wegen falschem Training oder dergleichen, trifft gar nicht zu. Lediglich zwei Schwinger (Pirmin Reichmuth und Martin Suppiger) erlitten in dieser Saison Kreuzbandrisse. Für diese zwei Sportler natürlich absolutes Pech. Dennoch steckt dahinter keine Regelmässigkeit, sondern purer Zufall.

Weiter wurde mir aus einer gut unterrichteten Quelle zugetragen, dass die Innerschweizer Schwinger betreffend persönlicher Betreuung nicht so professionell aufgestellt sind wie die Berner. Diese Tatsache ist für mich aber nicht wirklich neu, habe ich doch in meiner Schwingkolumne vom 9.9.2014 die professionellere Betreuung der Mutzen thematisiert. In jenem Beitrag zwar hinsichtlich mentalem Training, was aber auch auf die sportlichen Bereiche zutrifft.

Was eine professionelle Betreuung sein kann, zeigt das Beispiel Matthias Sempach. Wenn man den Betreuerstab vom Schwingerkönig und Kilchberg-Sieger betrachtet, staunt man Riesenbauklötze. Mit Jean-Pierre Egger, Valérie Adams, Werner Günthör und dem Sportpsychologen Heinz Müller wird nichts dem Zufall überlassen und alles minutiös geplant.
Wetten, Philipp Laimbacher hätte mit dem gleichen Betreuerstab am letzten Sonntag länger gegen Sempach im Schlussgang gestanden?

Aber: Ist das die Zukunft des modernen Schwingsportes? Können sich alle Spitzenschwinger so einen Betreuerstab leisten? Wie würde wohl der Eidgenössische Schwingerverband zu einer solchen «Professionalisierung» stehen?

Zurück zu den Verletzungen im Schwingsport. Was nicht erst seit heute klar ist: Die Schwingweise muss eindeutig dem Körper angepasst sein.
Nehmen wir das Beispiel Brienzerspezialisten. Sie gehen dabei ein grosses Verletzungsrisiko ein, sich das Kreuzband zu reissen. Thomas Sempach war früher ein gefürchteter Brienzerspezialist. Die Folge waren langwierige Knieverletzungen. Sempach hat als Vorbeugung nun seinen Schwingstil angepasst.

Der Körper muss sich vorallem zwischen dem 16. und etwa dem 22. Lebensjahr an das Schwingen mit den grossen und schweren Brocken gewöhnen. Dabei müssen die jungen Schwinger entsprechend trainiert und aufgebaut werden. Denn: Viele Schwinger haben in dieser Zeit schon Knie-Verletzungen erlitten. Hier ein Auszug aus einer Liste von Schwingern, welche sich in jungen Jahren das Kreuzband rissen:
– Jörg Abderhalden mit 16 Jahren
– Christian Schuler mit 17 Jahren
– Pirmin Reichmuth mit 19 Jahren
– Benji von Ah und Thomas Sempach (beide mehrere Kreuzbandrisse)

Weiter: Es spielen bei Verletzungen mehrere Faktoren mit. Die wichtigsten sind das Alter, das Training und der Aufbau sowie die Schwingweise.

Aber: Wie oben recherchiert und analysiert, erkennt man einfach keine Regelmässigkeit bei den Verletzungen und Verletzten bei unseren Innerschweizern. Handlungsbedarf besteht diesbezüglich keiner, denn wo keine grossen Übereinstimmungen festgestellt werden können, kann man auch nicht ansetzen.
Was aber nicht heissen soll, dass die ISV-Cracks nicht noch professioneller trainieren könnten. Meiner Ansicht nach könnten sie sich betreffs Trainingsmethodik von den Bernern noch einiges abschauen. Dabei meine ich nicht unbedingt vom Schwinger mit dem grössten Betreuerstab (Matthias Sempach), sondern von den anderen Spitzenschwingern. Die verbesserten Trainings können auch zur Vorbeugung von Verletzungen dienen.

Deshalb: Meine Quelle und ich sind der Meinung, dass sich da jemand etwas zusammengereimt hat und so ein Gerücht in die Welt setzte.
Wenn dem nicht so sein sollte, darf sich derjenige gerne bei mir melden, und wir führen darüber eine offene Diskussion.

Mit Schwingergruss
feldwaldwiesenblogger

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