Gespräch mit Ralf Schelbert, der Schwingernachwuchshoffnung aus dem Bisisthal

Im achten Teil der neunteiligen Serie über das Schwinggeschehen im Muotatal widme ich mich in diesem Beitrag Ralf Schelbert, der momentan grössten Nachwuchshoffnung des Schwingklub Muotathal. Zu diesem Zweck machte ich mich kürzlich auf ins Bisisthal, respektive zum Restaurant Schwarzenbach, wo Ralf zuhause ist.
Übrigens: Dies ist mein 1000. Blogbeitrag. Es freut mich umso mehr, dass ich mein Jubiläum mit der Vorstellung eines jungen Schwingers feiern darf.

ralf schelbert
Ralf Schelbert
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Ralf Schelbert wurde am 10. Mai 1995 geboren. Von Beruf ist der 190 Zentimeter grosse und 99 Kilogramm schwere Sennenschwinger Zimmermann, sein Arbeitgeber ist die Suter Holzbau AG in Muotathal.
Wie mir der 20-jährige beim Interview erklärte, ist seine körperliche Arbeit ein gutes Krafttraining.
Ralf hatte sich in Unterägeri beim Zuger Kantonalen letztes Jahr einen Innenband- und Seitenbandriss am Knie zugezogen. Darauf fiel er für den Rest der Saison aus. In diesem Frühling holte sich der Bisisthaler beim Schwyzer Kantonalen den längst fälligen ersten Kranz, welchen er drei Wochen später beim Zuger Kantonalen mit dem erneuten Kranzgewinn bestätigte.

Auf seine Hobbys angesprochen, meinte Ralf: „In erster Linie natürlich Schwingen, vor allem im Sommer. Im Winter fahre ich gerne Ski. Zudem velofahren, dies hat aber auch mit Ausdauertraining fürs Schwingen zu tun.“

Wie würdest du dich charakterisieren?
„Ich bin eher ein ruhiger Typ, auch zurückhaltend gegenüber Fremden.“

Wie und wann kamst du zum Schwingsport?
„Ich schwinge schon seit 12 Jahren. Mit acht Jahren bin ich zum Schwingsport gekommen. Da mein Onkel Roland Gwerder sowie mein Vater Markus Schelbert aktive Schwinger und mein Grossvater schon ein grosser Schwingfan war, wuchs ich von klein auf in den Schwingsport hinein.“

Wieso gerade Schwingen?
„Natürlich, wie erwähnt, wegen der Familie und der Verwandtschaft. Zuerst ging ich zwar ins Fussballtraining, dies war aber nicht so mein Ding. Darauf ging ich einen Winter lang ins Handballtraining. Am besten gefiel mir aber das Schwingen, welches ich am besten beherrschte. In meinem Jahrgang waren wir sehr viele Jungschwinger, daraus entwickelten sich Kollegschaften und so ging man immer gemeinsam ins Schwingtraining.“

Was gefällt dir besonders am Schwingen?
„Es ist ein Einzelsport, bei welchem du selber deine Leistung erbringen musst und nicht auf einen anderen angewiesen bist.“

Welche Schwinger sind deine Vorbilder?
„Natürlich Heinz Suter, er ist mein Hauptvorbild. Ich war gerade sechs oder sieben Jahre alt, als er seine besten Zeiten hatte. Wenn Heinz ein Schwingfest gewann, war ich bei den anschliessenden Einzügen jeweils auch dabei. Dies machte mir sehr Eindruck. Heinz war auch eine Zeit lang mein Trainer bei den Aktiven.
Jörg Abderhalden mit seinem Schwingstil zähle ich auch zu meinen Vorbildern.“

Welches waren deine grössten Erfolge in der Zeit als Jungschwinger?
„Mein grösster Erfolg als Jungschwinger war der Sieg an einem Schwyzer Kantonalen Jungschwingertag. Zudem beim letzten Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag (ENST) 2012 der Gewinn des Zweiges. Bei diesem Fest wäre aber mehr drin gelegen.
Erwähnenswert sind auch die zehn Jungschwinget, welche ich gewann. Insgesamt erkämpfte ich als Jungschwinger 80 Zweige und einige kleine Trycheln.“

ralf beim enst 2012
Ralf (rechts) beim ENST 2012 in Hasle/Entlebuch
Bildquelle: René Schelbert

Wie gross ist der Trainingsaufwand pro Woche?
„Etwa acht Stunden, dies bei vier Trainings zu je zwei Stunden. Zusätzlich kommen die Schwingfeste Samstag oder Sonntag. Es ist aber nicht jede Woche gleich: Es gibt auch Wochen mit fünf Trainingseinheiten, dann auch wieder Wochen mit drei Trainings. Vor den Kranzfesten absolviere ich nur zwei Schwingtrainings, damit ich mich nicht zu stark verausgabe.“

Was für Trainingseinheiten sind das?
„Zwei Schwingtrainings, einmal pro Woche ein Krafttraining und einmal Turnen bei der Aktivriege des KTV Muotathal. Die Schwingtrainings sind sicher die wichtigsten Trainingseinheiten.
Zudem versuche ich an möglichst vielen Rangschwinget teilzunehmen, um wettkampfmässig schwingen zu können und dabei Erfahrung zu sammeln. Das ist wohl das Wichtigste in meinem Alter.“

Trainierst du meist mit deinen Kameraden, mit welchen du gemeinsam deinen ersten Kranz geholt hast? Absolvierst du auch Trainingseinheiten alleine?
„Das Krafttraining mache ich meistens alleine im Kraftraum des Schwingkellers. Beim Turnen sind zwei oder drei Schwingerkameraden dabei sowie einige ehemalige aktive Schwinger. Beim Schwingtraining sind alle meine Kollegen dabei, mit denen ich zusammen den ersten Kranz gemacht habe.“

Betreibst du neben dem Schwingen auch einen Ausgleichsport?
„Nein, bewusst eigentlich nicht. Der Ausgleich ist das Turnen am Dienstag. Dabei spiele ich auch gerne, wie beispielsweise Unihockey. Das ist gut für die Gelenke und gut für die Beweglichkeit. Zudem schaue ich auf die Erholung.“

Machst du bezüglich Verletzungsprophylaxe auch gezielte Übungen oder Trainings?
„Das erwähnte Krafttraining ist meine Prophylaxe. Gerade fürs Knie sind gezielte Übungen mit Rumpfbeugen oder mit Gewicht gedacht, damit sich um die Bänder herum Muskulatur bildet, welche stabilisierend und festigend wirken soll. Bei mir ist es vor allem das Knie, an welchem ich mich letztes Jahr verletzte. Aber auch um den Rumpf herum muss man stark sein. Ich trainiere beim Krafttraining aber schon ganzkörperorientiert, dass ich überall ‚Pfuus‘ habe. Das Beste gegen Verletzungen ist eine gute Muskulatur um die heiklen Stellen.“

Machst du nebst dem eigentlichen Training auch mentales Training?
„Nein. Wir machten letztes Jahr einen Versuch beim Schwingklub, handhaben es dieses Jahr aber nicht mehr. Der TK-Leiter der Aktiven, Erwin Betschart, stimmt uns jeweils gut vor einem Schwingfest ein. Das ist dieses Jahr gut aufgegangen.“

Welches sind deine bevorzugten Schwünge?
„Vor allem der Kurz und der Gammen, das sind meine Hauptschwünge. Diese Saison versuche ich auch, den Fussstich anzuwenden.“

Welches sind deine Stärken?
Ralf lacht und überlegt. „Ich probiere immer ruhig zu bleiben, und nach einem verlorenen Gang die Fassung zu wahren. Dazu versuche ich positiv zu denken. Erwin sagt uns schon eine Woche vor einem Schwingfest, dass wir es positiv sehen und nehmen sollen.“

Wo könntest du dich noch verbessern?
„Körperlich kann ich mich noch verbessern. Bei der Ausdauer und der Schnelligkeit möchte ich diese Saison noch zulegen. Über den Winter konnte ich leider nicht sehr viel trainieren, da ich die Rekrutenschule besuchte. In dieser Zeit waren dies etwa drei oder vier Trainings, und vier Trainings vor dem Schwyzer Kantonalen.
Als Nichtkranzer war die Sportler-RS leider noch kein Thema. Beim kürzlich besuchten WK machte ich einen Sportleiter-Kurs. Diesen kann ich in Zukunft im Militär anwenden und darf nebenbei auch trainieren.
Wenn ich im Schwingen noch besser werden sollte, könnte ich mich zu den Sportler-WK’s in Magglingen umteilen lassen.“

Schaust du auch auf die Ernährung? Wenn ja, wie?
„Nein, momentan noch nicht gross. Ich versuche zurzeit wieder an Gewicht zuzulegen, ich war nämlich auch schon fünf Kilogramm schwerer. Wenn man sehr viel trainiert, ist es schwierig, schwerer zu werden. Mit etwas mehr Gewicht bringt man halt schon mehr Wucht in die Schwünge.“

Wie war die Zeit für dich nach der Knieverletzung beim Zuger Kantonalen 2014?
„Zuerst war das für mich niederschmetternd. Ich habe dann bald nach vorne geschaut. Um mein Knie optimal genesen zu lassen, liess ich die ganze Saison aus. Ich machte ein gezieltes Aufbautraining mit Krafttraining und Velofahren. So machte ich schöne Fortschritte und konnte die Muskulatur wieder aufbauen. Diese Saison hatte ich bisher nie Probleme mit meinem Knie.“

ralf schelbert als neukranzer
Ralf (im roten Kreis) als Neukranzer
Bildquelle: René Schelbert

Im Boten stand kürzlich, dass du bereit seist für weitere Grosstaten. Was für Ziele hast du dir für diese Saison nebst den beiden Kranzgewinnen am Schwyzer und Zuger Kantonalen noch gesteckt?
„Simon Gerber hat ein wenig übertrieben. Mein nächstes Ziel ist der Kranz am Innerschweizerischen in Seedorf, das wäre schön. Um dies erreichen zu können, muss ich an jenem Tag parat sein. Zudem die noch geplanten sechs oder sieben Rangschwingfeste absolvieren, und dort eine gute Leistung erbringen. Damit ich nach meinem wieder grösseren Trainingsaufwand nach der RS meine Leistungskurve weiter nach oben bringen kann.
Ich darf leider noch kein Bergfest bestreiten. Der TK-Chef des Schwyzer Kantonalen Schwingerverbandes, Fidel Schorno, hat entschieden, dass Neukranzer im gleichen Jahr noch kein Bergfest machen dürfen. Ausser es sei ein anderer verletzt, dann könnte ich eventuell nachrücken. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Nächstes Jahr darf ich dann an einem Bergfest antreten.“

Dein Ziel nächstes Jahr ist sicher die Teilnahme am ESAF in Estavayer?
„Ja, das ist natürlich von jedem Schwinger von uns das Ziel. Ich versuche sicher bei den Kantonalen gut zu schwingen, den Kranz wenn möglich zu holen und vorher gut trainieren zu können. Ich mache deswegen aber keine spezielle Vorbereitung. Wenn man im Winter optimal trainieren kann, ist man im Frühling schon ‚zwäg‘.
Ich konnte nun Jahr um Jahr Fortschritte bei mir beobachten und hoffe, dass ich nächstes Jahr wieder einen weiteren Schritt nach vorne komme. Damit man gegen Eidgenossen auch schwingen und bestehen kann.“

Dein Name ist in Schwinger Kreisen und unter Schwingexperten hoch im Kurs. Wie gehst du mit dem um? Verspürst du dadurch Druck?
„Druck eigentlich nicht. Ich habe meist frisch von der Leber weg geschwungen und verspürte dabei keinen grossen Druck. Die entsprechenden Zeitungsberichte und Kommentare habe ich wohl gelesen, legte sie aber wieder beiseite. Die Erwartungshaltung vor dem ersten Kranz (vor allem im Bote der Urschweiz) machte mir nicht viel aus. Ich liess es nicht zu nahe an mich ran.
Erwin redet uns auch gut zu, und bei den Schwingfesten nehme ich Gang um Gang. Ich versuche schon primär den Kranz zu gewinnen, schaue aber auch auf meine absolvierten Gänge, und was ich im nächsten Gang verbessern könnte. Ich blicke nicht mal gross auf den Punktezwischenstand.“

Hast du auch bereits schon einen Internetauftritt (Homepage, Facebook)? Wenn nein, gedenkst du in Zukunft diesbezüglich auch etwas zu unternehmen?
„Nein, ich habe ausser einem Facebook-Account noch gar nichts. Ich möchte das zurzeit auch nicht ändern. Mein Ziel ist es momentan, zu trainieren, besser zu werden und Leistung zu erbringen. Das andere kommt von alleine, wenn es sein muss.“

Was denkst du zur Entwicklung des Schwingsportes heutzutage und der zunehmenden Vermarktung der Spitzenschwinger?
„So wie es momentan ist, ist es sicher gut. Der Schwingsport ist zurzeit gross im Trend. Wenn du in den Medien nicht Werbung für den Schwingsport machst, bekommst du auch keinen Nachwuchs. Wie wir selber feststellen konnten, kommen nach einem Eidgenössischen mehr Jungschwinger ins Schwingtraining.
Da wir letztes Jahr wenig Jungschwinger hatten, gingen wir vom Schwingklub nebst dem angebotenen Migros-Schnuppertag auch einmal in die Primarschule zum Sportunterricht. Anschliessend kamen um die zehn bis zwanzig Buben ins Schwingtraining. Ein paar sind auch geblieben. Momentan haben wir nämlich wieder um die 20 Jungschwinger.“

Was denkst du zum Schwingsport von heute und jenem von vor 25 Jahren?
„Ich kenne natürlich von früher nur das, was ich in Filmen gesehen habe. Ich denke, dass heutzutage die körperliche Komponente stärker ins Gewicht fällt als früher, auch ausdauermässig. Technisch sind die Schwinger heutzutage nicht unbedingt besser. Früher wurde vermutlich wegen den anderen körperlichen Voraussetzungen mehr mit der Technik geschwungen. Heutzutage brauchst du ‚Pfuus‘ und Schnelligkeit. Wie beispielsweise Kilian Wenger, welcher blitzschnell ist. Früher wurde wahrscheinlich nicht so schnell und aggressiv geschwungen. Wenger und Sempach machen sicher gezielte Trainings hinsichtlich Schnelligkeit, und zwar mit Spurts, also Intervalltrainings.“

ralf schelbert beim muotathaler rangschwinget
Ralf (rechts) beim Muotathaler Rangschwinget 2015
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Ralf erzählte mir nach dem Beantworten meines Fragenkataloges weitere interessante Details zu den Trainings.
„Wir machen auch Gleichgewichtsübungen, welche man auf Bildern oder Filmbeiträgen beispielsweise von Sempach sah. Diese Übungen sind aber schwierig.
Im Februar haben wir jeweils einen Schwingkurs mit einer auswärtigen, ehemaligen Schwinggrösse, wie bereits mit Gregor Rohrer oder Rolf Zimmermann. Diese zeigen uns Schwünge vor, und es bleibt einem sicher etwas davon hängen, was man selber auch machen könnte. Es ist sicher nicht unwichtig, ob es ein Schwinger ist, welcher einem körperlich und von der Grösse her zusagt.
Ehemalige Spitzenschwinger vom Schwingklub Muotathal wie Heinz Suter, Leo Betschart, Richard Heinzer oder Roland Gwerder kamen unter dem Jahr auch schon ins Schwingtraining und zeigten uns ihre Hauptschwünge und ihre Finessen. Weiter zeigten sie auch, was wir noch besser machen könnten. Das sind wertvolle Trainings.“

„Vor den Kantonalen im Frühling können wir leider nicht an anderen Orten trainieren. Während den Wintermonaten gibt es jeden Montagabend Kantonaltrainings. Dann findet ein Training beispielsweise entweder in Ibach, bei uns oder auch in der March draussen statt. Man darf trainieren, wo man gerne möchte. Dabei trifft man auch auf unsere besten Schwyzer Schwinger wie die Gebrüder Laimbacher, Christian Schuler oder Andreas Ulrich. Bei diesen Trainings wird hauptsächlich geschwungen und ich darf mich auch mit ihnen messen. So kann ich im Winter vor einem Kantonalen auch mit Eidgenössischen Kranzschwingern schwingen, und weiss so eher wie ich mich darauf einzustellen habe. Diese Schwinger sind schon älter, haben Routine und ihre eigenen Finessen.“

„Während dem Winter finden pro Monat jeweils auch zwei ISV-Zusammenzüge statt. Bei diesen Einheiten kann man untereinander schwingen und trainieren. Durch den Sommer versuchen wir auch, mit einem anderen Klub ein oder zwei Trainings zu absolvieren, um mit möglichst verschiedenen Gegnern trainingshalber schwingen zu können.“

Der junge Sennenschwinger über ein gutes Notenblatt, (momentan) noch stärkere Gegner und die Rangschwingfeste:
„Ich bin jeweils zufrieden, wenn ich am Abend nach einem Schwingfest ein gutes Notenblatt mit guten Gegnern habe, wie beim Schwyzer und Zuger Kantonalen, wo ich nicht geschont wurde. Ich wurde schon früher als Jungschwinger jeweils mit guten Gegnern eingedeckt.
Ich schwinge gerne gegen stärkere Schwinger, wie beispielsweise kürzlich beim Morgarten Schwinget. Dort erhielt ich fünf gute Ob-/Nidwaldner Schwinger zugeteilt (unter anderem Eidgenosse Peter Imfeld und Stefan Gasser). Diese wollen mit mir auch offensiv schwingen. An den Rangschwinget habe ich nichts zu verlieren und werde dadurch gefordert. An diesen Schwingfesten kann man auch Schwünge anwenden, welche man sonst nur beim Training übt.“

Ralf Schelbert ist auf einem guten Weg. Man sollte ihm aber keinen Druck auferlegen, und ihn seinen Weg gehen lassen. Diesen wird er zweifellos machen, die Voraussetzungen, der Wille und der Fleiss sind vorhanden. Etwas Wichtiges ist aber auch vorhanden: Wie ich beim Gespräch feststellen durfte, ist eine von Ralfs Stärken seine Ruhe.
In diesem Sinne wünsche ich Ralf alles Gute, in erster Linie Gesundheit und wenn die Zeit reif ist, auch schöne Erfolge.

feldwaldwiesenblogger

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.