Besser spät als nie: Der Oktober-Beitrag zum Eidgenössischen in Estavayer kommt gerade noch rechtzeitig vor Monatsende. So fuhr ich am letzten Samstag wieder einmal nach Murten FR und traf mich dort mit Isabelle Emmenegger, der Direktorin von Estavayer2016 zum Interview. Leicht konsterniert musste ich in der Woche vor dem Gesprächstermin zur Kenntnis nehmen, dass in der neusten Ausgabe von SCHWINGEN. DAS MAGAZIN. bereits ein Interview mit Frau Emmenegger enthalten ist. Ich liess mich aber nicht entmutigen und bereitete meinen Fragenkatalog dementsprechend mit anderen Fragen vor.
Isabelle Emmenegger, geboren und aufgewachsen im Entlebuch, genauer gesagt in Schüpfheim LU, wohnt heute in Kerzers FR. Weiter vorstellen wird sich die 38-jährige Frau gleich bei der ersten Frage. Apropos Fragestellung: In Schwingerkreisen ist es üblich, dass man untereinander „Duzis“ macht. So bot mir Frau Emmenegger vor dem Interview auch das Du an. Deshalb meine entsprechend persönliche Fragestellung.
Isabelle Emmenegger, Direktorin von Estavayer2016
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger
Wie kamst du zu deinem Job? Was war die Motivation dazu?
Schon während meiner Primarlehrer-Ausbildung und später beim Jus-Studium in Freiburg war ich dem Sport immer sehr nahe. Ich machte selber aktiv viel Sport: Fussball, Skirennen und Volleyball. Mit Glück habe ich nach dem Studium beim Bundesamt für Sport in Magglingen BE eine Stelle bekommen. Ich war dort automatisch immer in Sportprojekten involviert, unter anderem auch bei der Fussball-Euro 2008 und anderen kleineren Projekten. Irgendwann verabschiedete ich mich in Magglingen, und war zwei Jahre weg vom Sport. Ich arbeitete in einem Projekt im Kanton Freiburg. Verschiedene Personen sprachen mich darauf an, ob ich nicht eine Bewerbung als Direktorin von Estavayer2016 einreichen möchte. Das wäre doch etwas für dich, und sie brauchen jemanden der zweisprachig ist, sich im Sport auskennt und schon Grossprojekte geführt hat. Es hat sich darauf das Eine zum Anderen ergeben.
Die Motivation ist grundsätzlich der Sport und die Herausforderung eines Grossprojektes. Das ist für mich eigentlich das schönste, welches es in Verbindung zueinander geben kann.
Wann hast du diese Tätigkeit angetreten?
Im Herbst 2012 begann ich meine Tätigkeit. Eigentlich relativ spät. Wenn man mit den Eidgenössischen von Burgdorf oder Zug vergleicht, etwa ein halbes Jahr später. Aber das macht gar nichts. Es braucht einfach die Zeit, welche einem zur Verfügung steht.
Gibt es ein Pflichtenheft für deine Aufgaben? Wurden deine Aufgaben zu Beginn definiert?
Ja, es gibt in dem Sinn schon ein Pflichtenheft. Wir nahmen das Pflichtenheft von Burgdorf als Basis und sagten uns, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen.
Es kann auch ein Nachteil sein, wenn das Pflichtenheft zu detailliert ist. Denn meine Aufgabe ist so breit, und es ist vorgängig fast nicht möglich alles zu sehen, was kommen wird. Es hängt zudem auch davon ab, welche Leute im Organisations-Komitee (OK) mitarbeiten. Bei den einen Stellen braucht es mehr Unterstützung, an anderen Orten praktisch keine. Das Grundsätzliche ist einfach die Gesamtkoordination und die Führung des Projektes. Weiter die repräsentativen Pflichten beim Steuerungsausschuss wahrnehmen, welche die strategischen Entscheide treffen. Wir sind eigentlich wie ein mittleres oder grösseres Unternehmen mit einem Verwaltungsrat organisiert.
Das Operative ist komplett bei mir, aber das heisst nicht, dass ich keine Unterstützung brauche. Es ist überdies sehr viel mit dem OK-Präsidenten und den Vizepräsidenten abgesprochen. Jetzt sind wir einfach in einer Projektphase, wo wir nicht immer alles miteinander besprechen können. Es geht so viel, und ich weiss manchmal auch nicht immer alles. Das ist dann auch eine Frage des Vertrauens. In Projekten muss man sowieso flexibel sein, sonst funktioniert das nicht.
Wir haben ein Organigramm und alle Abläufe stützen sich auf dieses ab. Dort kann man eigentlich die Prozesse und Strukturen ablesen. Wir haben zudem ein Kompetenzreglement und Statuten für unsere Verantwortung. Es ist alles gut geregelt, denn das ist auch juristisch wichtig. Es war uns zu Beginn der Arbeiten wichtig, eine gute Basis zu legen.
Am Anfang gab es den OK-Präsidenten, Albert Bachmann, und drei Vizepräsidenten. Die führten mit mir ein sehr interessantes und spannendes Gespräch. Sie stellten mir Fragen, wie ich das sehe, und was ich bisher machte.
Ich sass zu Beginn sehr viel mit dem Geschäftsführer von Burgdorf, Patrick Sommer, zusammen. Auch heute noch spreche ich viel mit ihm. Weiter habe ich als wichtige Stütze den Geschäftstellenleiter vom Eidgenössischen Schwingerverband, Rolf Gasser, zur Seite. Er hat ein grosses Wissen rund ums Schwingen und ihn löchere ich mit meinen Fragen. Ich weiss ganz genau, wo und bei wem ich nachfragen kann. Man muss auch nachfragen wollen.
Wir haben sogar Leute vom Burgdorfer Organisations-Komitee an leitender Stelle in unserem OK. Das gab bei uns Kontinuität, was ich wichtig finde. Denn: Wir haben zusätzlich andere spannende Herausforderungen. Wir sind im Kanton Waadt mit unserem Fest, sind zweisprachig, politisch ist es ein Freiburger Projekt und administrativ läuft es schlussendlich über den Kanton Waadt.
Das Festgelände wird zum grössten Teil auf Waadtländer Boden zu stehen kommen, vor allem auf der Gemeindefläche von Payerne. Es gibt ein paar Parkplätze, welche sich auf Freiburger Boden befinden werden.
Wer ist eigentlich ganz genau dein jetziger Arbeitgeber?
Der Verein „Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest Estavayer2016“ ist mein Arbeitgeber. Vorgängig wurde besagter Verein mit eigenen Statuten gegründet, bei welchem ich auch Vorstandsmitglied bin. Der Steuerungsausschuss bildet den Vorstand. Mein Vertrag wurde vom OK-Präsidenten und von einem Vize-Präsidenten unterschrieben.
Auf der Homepage von Estavayer2016 steht dazu folgendes: „Der Freiburger Schwingerverband sowie seine neun Schwingclubs haben nach dem Erhalt des Eidgenössischen die Durchführung an den Verein Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest Estavayer2016 delegiert. Das Organisationskomitee wird von Albert Bachmann präsidiert. Über dem OK steht der Freiburger Schwingerverband mit seinen Schwingclubs als Trägerverein, der von Emmanuel Crausaz geführt wird.“
Diese saubere Organisation wurde unter anderem auch wegen der Haftung vorgenommen. Wenn wir ein Defizit machen würden, würde so der Trägerverein, der Freiburger Kantonalverband, nicht in die Verantwortung genommen. Sollten wir Gewinn machen, haben wir das Splitting für den Kantonalverband und die Schwingklubs schon geregelt.
Organigramm Estavayer2016
Bildquelle: estavayer2016.ch
Wie gross ist dein Team? Wie viele Personen arbeiten zurzeit in einem Voll- oder Teilzeitpensum in deinem Direktorium?
Ich arbeite in einem Vollpensum. Weiter habe ich eine Assistentin in einem 80 Prozent-Pensum, und Rolf Gasser arbeitet zudem in einem 30 Prozent-Pensum bei uns. Daneben arbeiten noch einige Agenturen für uns, welche explizit für das Sponsoring, die Kommunikation und die Eventumsetzung zuständig sind. Der Rest sind alles Freiwillige. Das ist aus meiner Sicht einerseits eine Herausforderung, andererseits auch unsere Stärke. Oder anders gesagt: Das ist das Einmalige und Spezielle an einem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest, welches so organisiert bleiben sollte. Im Gegensatz dazu beispielsweise eine Fussball-Europameisterschaft. So lange die UEFA diesen Anlass noch nicht vollkommen professionell durchgeführt hatte, war das noch ganz anders. Jetzt geht das gleiche Organisationsteam von der einen EM zur nächsten mit. Das ist zwar einerseits positiv für den Wissenstransfer, andererseits aber kommt die regionale Tradition und Mentalität so weniger zur Geltung.
Übrigens: Unsere Büros befinden sich bei der Autobahnraststätte in Estavayer-le-Lac. Das ist natürlich für die Fahrwege super!
Ich vermute, momentan ist dein Job noch eine eher ruhige Angelegenheit, oder?
Nein, nicht wirklich. Es wird nun konkret. Wir sind nämlich schon in der Umsetzungsphase, und jetzt geht es darum, die Leute auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Das ist momentan etwas die Schwierigkeit, und macht es zugleich anspruchsvoll. Aus meiner Sicht war es vor zwei Jahren sogar anstrengender, weil wir in der Planungsphase steckten. Was damals anspruchsvoll war, ist die Tatsache, dass die Leute nicht verstehen konnten, dass wir schon etwas machen. Sie verstanden auch nicht, was wir machen, und konnten auch nicht verstehen, dass man noch nichts sieht. Das empfand ich damals sogar unangenehmer als heute, wo jeder etwas will. Aber jetzt kann man auch antworten. Wir haben jetzt auch wirklich Inhalt.
Wie viele Stunden pro Woche investierst du zurzeit in deine Tätigkeit?
Ich schreibe die Stunden für meine persönliche Kontrolle auf. Nicht, dass man sieht wie viel ich gemacht habe, sondern auch, dass ich sehe: Jetzt ist fertig. Es ist schon lange kein 100 Prozent-Job mehr. Ich weiss gar nicht, wann ich von 100 Prozent auf 120 oder 130 Prozent erhöht habe. Es sind so um die zehn- bis zwölf Stunden-Tage, manchmal sind es pro Tag auch 15 Stunden. Ich mache eigentlich schon länger nichts mehr anderes. Mein Privatleben gibt es nicht mehr gross. Hingegen lasse ich mir meine Joggingausflüge nicht nehmen. Zudem ist mein privates Umfeld auch wichtig, auch die haben das Recht mich manchmal zu sehen.
Jetzt gibt es zwar noch Tage, an welchen ich um 17 Uhr Feierabend machen kann, vor allem in Ferienzeiten, wenn viele abwesend sind. Das kann ich irgendwann nicht mehr. Es werden dann regelmässig noch mehr Stunden pro Tag sein. Aber es ist ja absehbar, und es steckt eine Freude dahinter. Es ist etwas Schönes, etwas Positives und es geht nicht um Leben und Tod. Es geht um ein wahnsinnig schönes Projekt!
Aber man muss sich auch abgrenzen können. Ich musste dies lernen. Ich lernte auch, das Handy auszuschalten, oder dass ich einfach mal für drei Stunden weg bin. Es ist egal was passiert, die Welt geht deswegen nicht unter. Ich sage auch nicht mehr zu allen Einladungen Ja. Ich habe auch gelernt Nein zu sagen. Am Anfang wollte ich überall dabei sein und hatte fast übersprühende Energie. Irgendwann spürt man, dass fast jeder etwas von dir möchte. Es ist wichtig, dass man sich zeigt. Aber wir sind mehrere Personen im OK, und es müssen auch nicht immer die gleichen unterwegs sein. Ich muss mich auch deshalb abgrenzen, damit ich leistungsfähig bleibe.
Am Ende von Teil 1 bleibt anzufügen, dass ich mit 20 Fragen im Gepäck nach Murten reiste. Isabelle beantwortete meine Fragen so interessant und ausführlich, dass ich mich entschloss, drei Teile aus meinem Gespräch mit der Direktorin vom nächsten Eidgenössischen zu machen. Teil 2 wird in Bälde folgen.
feldwaldwiesenblogger