Klischees im Schwingsport

Eidgenössisches Schwingfest Burgdorf 2013; Schwingen: Stolzer König Matthias Sempach. © Andreas Blatter
Bildquelle: bernerzeitung.ch

Wie ist das nun mit den Klischees im Schwingsport? Im Publikum sollen nur bierbäuchige ältere Herren mit Stumpen sitzen? Neben den Schwingplätzen wird nur gejodelt? Das Schwingen ist immer noch ein Sport für die Bauern? Die Schwinger selber sind meist nur Bauern? Die Zuschauer sind samt und sonders alles brave SVP-Wähler? An Schwingfesten werden meist nur Bratwürste und Bier verköstigt?
Mitnichten!

Jeder Sport hat so seine Klischees, auch der Schwingsport. Aber was bedeutet eigentlich das Wort „Klischee“, und was soll es meinen? Ein Blick in Wikipedia lohnt sich: „Ein Klischee, von französisch cliché, zu deutsch Abklatsch, ist eine ehemals innovative Vorstellung, Redensart, Kunstwerk oder Stilmittel, die mittlerweile veraltet, abgenutzt oder überbeansprucht erscheint. Das Klischee existiert als etwas geistig beziehungsweise sprachlich Schablonenhaftes. (…) Das Wort „Klischee“ wird häufig synonym zu „Vorurteil“ und „Stereotyp“ verwendet. Vorurteile drücken eine generelle Haltung aus, Stereotype eine kognitive Zuordnung. (…)“

Wir begegnen dem Wort „Vorurteil“ und der Bezeichnung „kognitive Zuordnung“, also der Wahrnehmung oder der Erinnerung. Beides hängt miteinander zusammen. Auf einem Schwingplatz hat man mal ältere Herren mit Bauchansatz und Stumpen wahrgenommen, und schon wird daraus ein Vorurteil, welches haften bleibt.

Als etwas Schlechtes oder Schlimmes würde ich das nicht bezeichnen. Im Gegenteil: Für viele Leute ist das Drum und Dran an einem Schwinget der Inbegriff von Gemütlichkeit und einem Stück heile Welt. Was soll daran so verkehrt sein?

Zudem kann man furchtlos an jedes Schwingfest reisen, nirgends ein Problem mit Hooligans oder brennenden Fackeln. Keine Leibesvisitationen, das Wegnehmen von Taschenmessern oder einer Flasche. Friedlichkeit und Freundlichkeit hüben und drüben. Da kann sich so manches Fussball- oder Eishockey-Spiel eine Scheibe davon abschneiden.

Dass sich nicht nur (noch) ältere Herrschaften bei den Schwingplätzen tummeln, hat sich mittlerweile rumgesprochen. Dank den Medien und den riesig aufgezogenen Eidgenössischen Schwing- und Älplerfesten (seit 2004) ist ein regelrechter Boom ausgebrochen. Man trifft auf zig junge Menschen, die den Sägemehl-Athleten bei ihrer Arbeit zuschauen und sie dabei anfeuern.

Jung trifft auf alt, Klischee vermischt sich mit der Moderne. Trotzdem: Auf den Schwingplätzen wird kulturell immer noch der urchigen Volksmusik mit Alphörnern und Jodelgesang gefrönt. Bei der Abendunterhaltung in den Festzelten trifft man aber auch auf Rock- oder Countrymusik. Da ist eine Veränderung eingetreten. Die jüngere Fangemeinde verlangt nach anderen kulturellen Unterhaltungen.

Auch bei den Schwingern hat sich neben den Schwingplätzen die Moderne breit gemacht. Viele von ihnen sind nicht mehr Bauern, einige gar Studenten oder Hochschulabsolventen. Die Vermarktung und das topmoderne Training hat aus den Schwingern Athleten gemacht, welche auch in anderen Sportarten eine gute Figur machen würden.

Das Klischee trifft vor allem auf die Schwingplätze zu, wo weiterhin noch keine Werbung hängen darf. Da trifft man auf die eingangs erwähnten Begebenheiten. Da wird gejodelt, der stumpenrauchende Mann prostet seinem jungen Sitznachbar mit einem kühlen Bier zu. Die Schwinger laufen in ihrem „old Style“-Tenue mit Hose und Hemd respektive der obligaten weissen Turnerbekleidung in die Arena und verrichten ihre Schwingarbeit.

Abseits des Platzes tragen die Schwinger topmoderne Trainingsbekleidung und hören ab ihren iPods samt Stöpsel in den Ohren Songs von der aktuellen Hitparade. Der Schwingfan bekommt im Festzelt mancherorts auch ein vegetarisches Menu oder einen fein duftenden Espresso. Die Moderne hat den Schwingsport erreicht, einfach auf seine Art. Sanft und abseits des Schwingplatzes. Niemandem tut es weh und alle können damit leben.

Was die bevorzugte politische Partei der Schwingerfreunde betrifft, halte ich mich lieber raus. Ob SVP oder grüne Partei: Beim Schwingen sind wir alles eine Familie, geniessen den Sport sowie das Drumherum und lassen Politik Politik bleiben.
Dabei darf es auch ein bisschen „Klischee“ sein. Denn wo Tradition dahinter steckt, trifft man auch auf altehrwürdige Bräuche. Diese müssen nicht immer über den Haufen geworfen werden. In der manchmal orientierungslosen Zeit war ein Fels in der Brandung noch nie das Verkehrteste. Ein Stück Schweiz eben.

feldwaldwiesenblogger

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