Muotathaler Mulörgeler

Im Text zur Muotathaler Volksmusik wird auch ein Kapitel den Muotathaler Mulörgelern gewidmet. Die meisten Fakten im heutigen Blogbeitrag erfuhr ich beim Gespräch mit dem passionierten Mundharmonikaspieler Werner Schelbert („ds Seppälers“), welchen ich am 10. Januar besuchte.

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Werner Schelbert („ds Seppälers“)
(Bildquelle: feldwaldwiesenblogger)

Laut Werner gibt es wohl seit 1830/40 Mulörgeli. Wann die ersten Mulörgeli ins Muotathal gelangten, ist nicht belegt. Einer der ersten Mulörgeler bei uns war angeblich Kari Imhof vom Saum („Hofers Kartsch“, 1855 – 1922), welcher vermutlich um 1870/80 eines der ersten Mulörgeli im Muotathal besass. Kari war ein zwei Meter grosser, baumstarker Mann, und ein guter Mulörgeler. In seinen mächtigen Händen sei die Mundharmonika jeweils kaum zu sehen gewesen.
Seine beiden Söhne Sebi und Wisi („ds Kartschä“) spielten später auch Mulörgeli.

Zu Sohn Sebi erzählte mir Werner eine Anekdote:
Sebi Imhof nahm angeblich als Mulörgeler auch an Wettspielen im Urnerland teil, welche in den 1940iger-Jahren stattfanden. Dabei waren an einem Anlass auch die beiden Handörgeler Franz Schmidig („Lunnis Franz senior“) und Leo Schelbert („Tönis Leo“), welche sogar den Sieg davon trugen. Albert Hagen soll damals in der Jury gesessen haben.
Lunnis Franz fragte nach dem Anlass Kartschä Sebi, was er denn für einen Bericht erhielt. Sebi, welcher beim Sprechen jeweils den „R“ rollte, sagte in seiner ihm eigenen Ausdrucksweise, dass sie wegen der Musik nichts auszusetzen hatten. Die Juroren schrieben aber: „Hosäladä schliessen und Schnauz besser stutzen.“

Sebis Bruder Wisi lebte später auswärts. Dieser spielte angeblich auch öfters mit Josef Carletti im Militärdienst. Man erzählte, dass Wisi einen Abend lang Mulörgeli spielen konnte, ohne einen einzigen Tanz zu wiederholen.

Der aber wohl bekannteste Muotathaler Mulörgeler ist Josef Heinzer („Schründler“, 1914 – 2003), welcher massgebend das Mulörgelispiel im Muotathal ins Rollen brachte. Auf die Frage, wo Josef das „Mulörgelen“ erlernte, antwortete Werner: „Schründler brachte sich das Mulörgelispiel selber bei.“
Josef komponierte etwa 10 bis 15 Tänzli, der bekannteste ist wohl „dr Schründler“. Zehn Tänzli sind zudem auf Schellackplatten verewigt. Er spielte auch etliche Male mit Handörgelern zusammen, angeblich viel mit Fredy Zwimpfer.

Wie eingangs erwähnt, gab es schon vor dem Schründler Mulörgelispieler im Tal. Ausser die erwähnten Kartschä Sebi und Wisi sind aber die meisten kaum oder nie öffentlich aufgetreten. Höchstens an „Schloffätänz“, wie Werner’s Schwiegervater, „dr Lieneler“ (Jahrgang 1906), welcher vor allem zuhause oder an den besagten Schloffätänz Mulörgeli gespielt habe.

Lunnis Franz senior hat angeblich vor dem Handorgelspiel erst Mulörgeli gespielt. Die Mundharmonika war damals gewöhnlich das erste Instrument, welches erlernt wurde.
Einzelne bekannte Mulörgeler gab es im Muotathal immer wieder. So spielten auch Leo und Adolf Gwerder („Felis“), Werner Betschart („Gigers“), sowie Franz Betschart („Hammichels“) Mulörgeli. Weiter auch Erasmus Betschart („Chuchlis Müssul“, 1930 – 2014), welcher ein begnadeter Mulörgler und Juuzer war.
Der Geiger Josef Imhof („Predigers Joseb“) und Friedel Betschart („Vorsprächä“) spielten auch Mundharmonika.

Werner erzählte weiter, dass er, wie andere auch, zuerst mit „Märchtmulorgeli“ zu spielen begann. Einfache Mulörgeli, mit welchen man erste „Liedli“ erlernte.
Felis Adolf hat jeweils im Elternhaus von Werner (Restaurant Schlüssel) mit doppelreihigen Mulörgeli gespielt. Waren diese verstimmt, schmiss er sie weg, und Jungspund Werner begann auf diesen Mulörgeli Tänzli nachzuspielen.

Der inzwischen pensionierte Bankangestellte lernte gleichzeitig mit Alois Schelbert („Schrinerlis“) und Anton Betschart („Gigers“) das Mulörgelispiel. Sie spielten damals oft zusammen.
Werner brachte sich nach eigenen Angaben das Spiel auch selber bei. Er hat viel geübt und erlangte sich nach und nach eine gute Spiel-Fertigkeit. Er erinnerte sich, dass er zu Beginn während gut zwei Jahren jeden Abend eine Stunde übte. Der damals junge Mann lernte dabei viel, und fand beim Spielen auch einiges heraus.

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Werner Schelbert in einer „Potzmusig“-Sendung im Jahr 2014
(Bildquelle: www.srf.ch)

Heutzutage spielt der sehr versierte Mulörgeler auch „Lunni-Tänz“ und Stücke von Walti Grob. Auf die Frage, ob er eigene Kompositionen vorzuweisen habe, meinte Werner: „Bis jetzt noch nicht. Ich bin aber daran.“
Im Jahr 2014 durfte Werner einen kleinen Höhepunkt erleben. Er hatte bei einer „Potzmusig“-Sendung einen gemeinsamen Auftritt mit dem Schwyzerörgeler Markus Flückiger.

Anno 1967/68 taten sich Josef Heinzer („Schründler“), Josef Schelbert („Meitscheler“), Walter Betschart („Schmids Seffis“) sowie Werner Schelbert („Seppälers“) zusammen, und spielten praktisch jeden Freitagabend im Restaurant Bödeli („is Meitschä“) Mulörgeli. Damals spielten sie zu dritt vor, Walter begleitete sie.
Nach Werners Angaben „rauften“ sie sich dann zusammen und gründeten eine Formation: Das „Mundharmonika-Quartett Muotathal“.

Werner kaufte sich eine Bass-Mundharmonika und spielte sie in diesem Quartett.
Sie gingen viel an Ländlertreffen, Schwyzerörgelitreffen und weiteren ähnliche Anlässen aufspielen. Das Quartett spielte auch in Schlieren, Hirzel und Pfäffikon an Mulörgeli-Treffen.

Anno 1971 machten sie zwei Single-Platten mit dem „Mundharmonika-Quartett Muotathal“.
Sie spielten bis 1973/74 in dieser Formation, und traten unter anderem auch am ersten Ländlertreffen im Restaurant Sternen, welches Fredy Zwimpfer organisierte, auf.
Als dann Walter heiratete und fort zog, wurde die Formation aufgelöst. Jeder spielte anschliessend vor allem für sich ein wenig Mundharmonika, mit einer Ausnahme: Sie traten im Jahr 1977 nochmals in der erwähnten Besetzung bei einer „Stadt und Land“-Sendung vom Schweizer Fernsehen auf.

Zu der Hochzeit von Kollege Walter erzählte mir Werner auch eine Anekdote:
Als Quartett-Mitglied Walter Betschart heiratete, waren die anderen drei auch zum Apéro auf dem Hirzel eingeladen. Diese trugen beim Eintreffen im Restaurant, wo die Hochzeitsgesellschaft feierte, rote „Hirthämli“.
Die eine Serviertochter meinte beim Anblick der drei Rotgewandeten, dass sie wohl von der Chilbi kommen, welche nebenan am Laufen war. Die drei erklärten aber: „Wir sind die Musik von der Hochzeit“. Die Serviertochter grinste und sagte zu ihnen: „Wenn ihr die Musik seid, bin ich der Papst.“
Als das Trio dann für die Hochzeitsgesellschaft musizierte, kam sich die Serviertochter hinterher bei ihnen entschuldigen. Sie lud die Mulörgeler in den roten Hirthämli kurzerhand auch ein, im Restaurant zu musizieren. Was die drei denn auch mit viel Freude und Befriedigung taten.

Als die „Stubeten“ im Restaurant Fluhhof begannen, spielte Werner wieder mehr Mulörgeli. Er machte vorerst wieder die Tänzli, welche sie damals schon mit dem Quartett gespielt hatten.
Später übte er neue Stückli von der Kapelle Heirassa, von Schilliger, von Johnny Gisler, und spielte wieder mehr als nach der Auflösung des Quartetts.

Werner, Josef Heinzer und Josef Schelbert spielten zudem fortan im Trio weiter. Sie traten so auch an den Muotathaler Ländlermusiktreffen im Restaurant Sonne auf.
Im Jahr 1988 wurde „Schründler“ 75 Jahre alt, und die drei Mulörgeler bespielten extra für diesen Anlass eine CD. Diesen Tonträger machten sie zusammen mit weiteren Muotathaler Volksmusikanten: Röbi Suter (Handorgel), Stefan Schelbert (Handorgel), Hugo Suter (Bass), Werner’s Bruder Fredi (Büchel) und Verena Ulrich (ds Pitschä, Jutz).

Werner erklärte weiter, dass er, wie auch andere Mulörgeler, öfters mit Handörgelern zusammen musiziert. Früher spielte er viel im Restaurant Rössli mit dem Wirt „Rössli Adolf“. Oder er spielte im Elternhaus, im Restaurant Schlüssel, unter anderem mit Stefan Suter („Stützlers“) oder Theodor Imhof („Hofers“).

In seinen „Flegeljahren“ (Lehrzeit, Mitte der Sechzigerjahre) hat Werner angeblich immer mit einigen Kollegen im Restaurant Schwert musiziert. Dabei spielte er zusammen mit zwei Mulörgelispielern, zwei Handörgelern, Anton Betschart („Gigers“, Bass) und mit dem Wirt Niklaus „Chläusi“ Renggli. Chläusi spielte Klavier.
„Bertholdä Seffi“ sahen sie dabei auch spielen, und er hat laut Werner sogar mit ihnen zusammen gespielt. Werner meinte, dass Bertholdä Seffi ein guter Geigenspieler mit einer ganz tollen Vortragstechnik war.

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(Bildquelle: thomann.de)

Es gibt, wie bei anderen Instrumenten, auch bei den Mundharmonikas verschiedene Typen. So sind Vorspiel-, Begleit- und Bass-Mulörgeli erhältlich, welche verschieden gebaut sind. Zudem existieren auch verschiedene Hersteller. Werner verriet mir, dass er Hohner-Mulörgeli spiele.

Einige Mundharmonika-Hersteller wie „Loreley“ sind eingegangen. Die Firma Hohner stellt auch keine Mulörgeli mehr her. Werner hat aber in Deutschland einen Spezialisten (einen ehemaligen Mitarbeiter von Hohner) gefunden, der ihm seine Instrumente wartet und stimmt. Dieser Spezialist stellt ihm aber auch nach seinen Wünschen neue Mulörgeli mit spezieller Stimmung her, welche es sonst nirgends gibt.

Werner besitzt für jede der 12 Tonarten ein eigens dafür gestimmtes Mulörgeli.
Gespielt wurden und werden im Muotathal meistens diatonische Mulörgeli. Das „Mundharmonika-Quartett Muotathal“ spielte während zwei Jahren auch mal auf chromatischen Mundharmonikas. Sie seien aber wieder auf die diatonischen Instrumente zurückgekehrt.

Seppälers Werner hört man auch heutzutage noch recht häufig Mundharmonika spielen. So tritt er mit der „Sunnämusig“ jeden Dienstagnachmittag im Restaurant Alpenrösli (Muotathal) auf. Diese Formation besteht aus vier Pensionierten. Nebst Werner sind Josef Inderbitzin (Sunnäwirt, Akkordeon), Josef Ulrich („Pitschä“, Gitarre) und Ernst Betschart („Märtuls“, Klavier) dabei. Man kann sagen: Pensionierte spielen für Pensionierte, natürlich auch für andere.
Die Sunnämusig wurde im Jahr 2010 gegründet und spielte zuerst im Restaurant Sonne (daher der Name). Nach dem Schliessen der Sonne spielt die Formation nun im Restaurant Alpenrösli.

Natürlich muss ich das Kapitel über die Muotathaler Mulörgeler für den Schwyzer Heft-Text kräftig kürzen. Da ich aber bis Ende Februar am Sammeln bin, notiere ich mir alles, was ich über unsere Volksmusik in Erfahrung bringen kann. Dies wiederum führt dazu, dass ihr, meine lieben Leser, so quasi in den Genuss einer „Voll-Version“ von gewissen Kapiteln kommt, welche im Heft leider nur mit ein paar Zeilen abgehandelt werden dürfen. Dies aus Platzgründen, sonst würde aus dem kleinen Büchlein ein „Riesen-Schunken“.

feldwaldwiesenblogger

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