Sieben Fragen an Aldo Betschart (ds Gigers)

Mit Freude darf ich heute die sieben Fragen und sieben Antworten eines sehr guten Muotathaler Musikerkollegen in meinen Blog stellen: Aldo Betschart (ds Gigers) stand mir Rede und Antwort, und gibt mir und meinen Lesern einen Einblick in sein Leben, Wirken und Schaffen.

Über Aldo könnte ich jetzt vorgängig eine Menge schreiben und berichten. Ich lasse ihn aber lieber selber zu Wort kommen. Denn seine Antworten, welche er mir schriftlich in einer Email zukommen liess, sind nicht nur sehr interessant ausgefallen. Sie sind auch umfangreich und informativ. Man merkt, dass man es mit einem Menschen zu tun hat, der auch viel schreibt.

Zu meinen TERROR GEISS-Zeiten spielte Aldo bei der Muotathaler Metal Core- / Thrash Metal-Band VERWAINT. Zu dieser Band fand ich im Internet folgende Angaben:
Die Schweizer «Nature Core» Gruppe Verwaint wurde 1988 in Muotathal von Aldo Betschart (Gitarre, Gesang), Iwan Heinzer (Bass), Erich Gwerder (Gitarre) und Roger Schelbert (Schlagzeug) gegründet. Der Gruppenname entstand beim Anblick eines einem in Seewen / SZ herumstehenden Verwo-Abfallcontainers… Die Gruppe genoss bis zur Auflösung einen äusserst guten Ruf und gilt heute als Vorreiter des Heavy Metal in Muotathal. Nicht etwa, dass Verwaint breitenwirksame Musik gemacht hätten, im Gegenteil! Aber dass im sagenumwobenen Muotathal knochenharter Metal Core und Thrash Metal komponiert und gespielt wurde liess aufhorchen und lenkte von Anfang an grosses Interesse auf die eigenwillige Band.
(Auszug aus http://mikiwiki.org/wiki/Verwaint)

Daneben spielten Aldo und ich in einem gemeinsamen Musikprojekt namens GONZ. Wir hatten einige intensive sowie lustige Proben, und schafften es immerhin zu zwei unvergesslichen Auftritten.

Danach verflüchtigte sich unser Kontakt leider etwas. Dieser wurde glücklicherweise dieses und letztes Jahr bei zwei gemeinsamen Reisen (Berlin und München) wieder ein wenig reaktiviert. Wir führten dabei auch interessante Diskussionen und ich erfuhr von seiner Familie, seinem Beruf, von seinem Buchprojekt und seiner Band DESPU PALLITON.

Aldo Betschart ist eine vielseitige Persönlichkeit, kennt viele Leute und ist auch ein offener und sehr kommunikativer Typ. Er wohnt zwar schon seit vielen Jahren nicht mehr im Muotathal, ist aber im Herzen einer geblieben. Das merkt man auch an seinem Dialekt, der immer noch so klingt, als würde er im Thal der Berge und Wildbäche wohnen.

Nun will ich nicht mehr länger werden, und lasse Aldo zu Wort kommen.

aldo_persönlich
(Bildquelle: aldo-betschart.ch, fotografiert von Roger Schelbert auf unserer gemeinsamen Reise in Berlin)

Frage 1:
Hast du manchmal Heimweh nach dem Muotathal? Kann man dich auch als Heimweh-Muotathaler bezeichnen?

„Nein, denn hätte ich Heimweh, würde ich am falschen Ort leben, was nicht der Fall ist. Gelegentliche Ausflüge ins Muotathal sind mir aber wichtig, um meine Eltern zu sehen, meine Schwester, den Göttibub und nicht zuletzt alte Freunde. Auch möchte ich, dass meine Kinder, die in Zürich aufwachsen, wissen, wo ihr Vater herkommt.“

Frage 2:
Wie lange lebst du schon in der Stadt Zürich? Wieso gerade Zürich?

„In Zürich lebe ich seit 2001. Folglich werde ich Ende Januar 2015 bereits 14 Jahre in Zürich wohnhaft sein.

Ich habe Zürich als Stadt schon immer gemocht und pflegte bereits während meiner Zeit im Thal verschiedene Kontakte mit Zürcherinnen und Zürchern, die ich z.B. bei Konzerten von VERWAINT ein erstes Mal getroffen hatte.
Nachdem ich 2001 in Zürich landete, ging vieles wie geschmiert: Ich fand interessante Jobs und lernte neue spannende Menschen kennen. Damals wie heute fühle ich mich die meiste Zeit wohl hier. Zürich ist überschaubar – nicht zu gross und nicht zu klein – und es herrscht alles in allem eine weltoffene Atmosphäre. Das kulturelle Angebot sucht seinesgleichen, diesbezüglich ist nicht einmal New York viel besser.

Nicht zuletzt hält mich meine Familie hier. In Zürich habe ich 2005 meine Frau kennen und lieben gelernt. Unsere Kinder, die ganz hierher zu gehören scheinen, sprechen heute ein sehr erheiterndes Züridüütsch…. Also: Was soll man dagegen tun? Ich werde wohl mindestens so lange in Zürich gestrandet bleiben, bis die Kinder nichts mehr von mir und ihrer Mutter wissen wollen 🙂 .“

Frage 3:
Was sind deine Hauptbeschäftigungen, sowohl beruflich wie auch in der Freizeit?

„Da gibt es einerseits meine Brotarbeit. Diese macht im Jahresdurchschnitt gut 40 Prozent aus. Im Augenblick arbeite ich abwechselnd für drei verschiedene Firmen. Zwei davon sind sogenannte ‹Eventagenturen›, für die ich verschiedenste technische Auf- und Abbauten bestreite, wie etwa jüngst für das Zürich Film Festival. Dazu gehören festliche Grossanlässe genauso wie Konferenzen. Dritter Arbeitgeber ist ein grösseres Zürcher Theater, mit dem ich jeweils vor allem in den Monaten Juni/Juli für eine Sommer-Freilicht-Tournee unterwegs bin. Das alles tue ich als Aushilfe; einer Festanstellung wollte ich ab 2010 vorerst nicht länger nachgehen. Man könnte also sagen, ich betätige mich als Söldner.

Meine Freizeit wird zunächst einmal ganz klar von meiner Familie ausgefüllt. Meine Frau arbeitet 60 Prozent, das heisst, ich verbringe viel Zeit mit unseren Kindern Philon (geb. April 2009) und Jemina (geb. Mai 2012). Für die Kinder Zeit zu haben, das ist das Wichtigste, und ich betrachte es als ein besonderes Privileg, z.B. am Morgen mit meiner Familie den Tag beginnen zu können. Erst danach, in ausgesuchten Stunden, kommen meine anderen Leidenschaften vermehrt zum Zug: die Musik und das Schreiben.“

Frage 4:
Ich habe kürzlich deinen neuen Roman EWIG DIE DUMMEN gekauft. Gelesen habe ich ihn noch nicht, aber den Inhalt mit seinen stolzen 1114 Seiten bestaunt. Wie lange hast du an diesem Buch geschrieben? Und: Wie entstand dieser Roman? Kannst du kurz über den Werdegang von EWIG DIE DUMMEN berichten?

„Vom Beginn des Schreibens von EWIG DIE DUMMEN bis zur Fertigstellung des Buches hat es auf den Monat genau acht Jahre gedauert (2006 bis 2014). Das Schreiben selbst hat nur siebeneinhalb Jahre ausgemacht 🙂 .

Zum Werdegang des Buches kann ich ansatzweise äussern, was im Roman unter ‹Persönliche Bemerkungen› bereits geschrieben steht: Rückblickend war es eine gewaltige und nicht immer leichte Aufgabe. Ich hatte von Anfang an einen facettenreichen Kriminalroman im Sinn, der auch ohne permanente Schiessereien und dergleichen fesselnd sein würde. Ich bin kein eifriger Leser von Kriminalromanen; allzu oft steht die Effekthascherei im Vordergrund und die Gedankenwelt der Protagonisten wird mehr oder weniger ausgeklammert. Das wollte ich anders machen, ein bisschen wie bei einem guten Theaterstück, wo auch die Psyche des Menschen sichtbar, mit Liebe zum Detail, beleuchtet wird.

Was den Handlungsstrang meines neuen Romans betrifft, so hatte ich anfangs einfach nur eine gute, zündende Idee, ein originelles Thema, das sich meiner Meinung nach für einen Kriminalroman ideal verarbeiten liess.
Am Anfang standen Recherchen, die ich auch vor Ort in New York betrieb. Später, tief im Schreibprozess, kamen andere Faktoren hinzu. Meine Protagonisten entwickelten manchmal so etwas wie ein Eigenleben, was geradezu magisch war und der Geschichte eine neue, wegweisende Richtung gab. Schlussendlich habe ich alle Zeit (und allen Nerv) darauf verwendet, die zur Fertigstellung nötig gewesen ist; und ich weiss jetzt mehr denn je, es hat sich gelohnt.“

Frage 5:
Was für Projekte beschäftigen dich zurzeit? Ist gar ein weiteres Buch geplant?

„Was die Romanliteratur anbelangt, gönne ich mir momentan eine verdiente Pause. EWIG DIE DUMMEN ist gerade erst fertig geworden, und nun überlege ich, wie ich das Buch an die Leserinnen und Leser bringen könnte. Das war acht Jahre lang kein Thema, ist jetzt aber eines geworden. Ganz vom Schreiben befreit bin ich denn doch nicht; die Ausnahme bilden momentan die Liedtexte, die ich für DESPU PALLITON, meine Band, schreibe.“

despu palliton
DESPU PALLITON live
(Bildquelle: Aldo Betschart)

Frage 6:
Du bist neben deinem schriftstellerischen Wirken auch ein begnadeter Rockmusiker. Mit deiner Band DESPU PALLITON lebst du deine Freude zur Musik aus. Kannst du in wenigen Sätzen berichten, was bei euch gerade abgeht und ansteht?

„Was DESPU PALLITON angeht, so steht die Produktion des neuen Albums auf dem Plan. Das Album ist fertig aufgenommen, gemischt und gemastert…. Es ist schon lange überfällig. In Kürze geht es endlich in Produktion, und die Band freut sich schon sehr darauf.“

verwaint muotathal
VERWAINT im Probelokal ‹im Bödäli hindä›
(Bildquelle: Aldo Betschart)

Frage 7:
Wann und wie kam es damals zur Gründung der legendären Muotathaler „Natur Core“-Band VERWAINT? Inwiefern war diese Band für dein weiteres musikalisches Schaffen wegweisend?

„VERWAINT wurde im Sommer 1988 gegründet, nachdem wir (Tönis Röschul, Bäschuls Erich, Hänis Iwan und ich, Gigers Aldo) die gesamten Sommerferien darauf verwendet hatten, uns ‹im Bödäli hindä› ein eigenes Probelokal auszubauen und einzurichten. Die Gründung war für uns … man könnte fast sagen: etwas Heiliges.
VERWAINT war anfangs eine Gruppe von vier langhaarigen Heranwachsenden, die auf einer völlig anderen Bühne tanzten als der Rest der Thalbevölkerung. Wir waren blutjunge, eingefleischte Musikfans, und hatten nur die harte Musik im Kopf. Jene nämlich, die damals noch absolut ‹Underground› war. Zum Beispiel kaufte ich mir Slayers ‹Reign In Blood› 1986 während unserer Schulreise, im Zürcher Hauptbahnhof, und ich sehe noch heute das Gesicht unseres Lehrers, als er auf mein Bitten ‹Angel Of Death› ins Deutsche zu übersetzen versuchte.
Für Roger, Iwan, Erich und mich waren es unglaublich aufregende Zeiten; denn zweifellos war damals eine musikalische Revolution im Gang, ‹Speed Metal› und ‹Thrash Metal› genannt, die wir mit Herzblut vom Thal aus mitverfolgten. Wir liebten Bands wie Slayer, Venom, Carnivore, Nuclear Assault, Metallica, Kreator, Voivod etc. etc. Diese neue, hammerharte, originelle Musik war uns eine regelrechte Zuflucht und schweisste uns sehr zusammen.

Eines Tages, das war 1987, genügte es uns nicht länger zuzuhören, und so beschafften sich diejenigen von uns, die noch nicht mit einem Musikinstrument ausgestattet waren, alles nötige, damit wir zu viert ordentlich Lärm machen konnten. Wir waren extrem ambitioniert und wollten ebenfalls Thrash Metal spielen. Also bespielten wir bald täglich stundenlang unsere Instrumente. Der Zusammenhalt in der Band war unglaublich stark. Wir spielten allabendlich zusammen, gingen zusammen aus und teilten uns gegenseitig unsere Wünsche und Sorgen mit. Als wir für die ersten eigenen Konzerte das Thal verliessen, das war 1990, waren wir einfach nur stolz und glücklich. Vor fremdem Publikum zu spielen, war ein wunderbarer neuer Aspekt. Das hatten wir selbst geschafft, den Vorurteilen zum Trotz, die uns hin und wieder im Thal zuteil wurden.

Die Zeit mit VERWAINT hat zu einem gewissen Grad mein Selbstbewusstsein als Musiker gestärkt. Dank VERWAINT habe ich Freundschaften schliessen können, welche mein Leben oder zumindest manche meiner Lebensansichten verändert haben. Vor allem haben diese elf Jahre mit VERWAINT eine Wertschätzung gelehrt, die ich auch heute meinen Bandkollegen entgegenbringe. Schliesslich geht es darum, zusammen Spass zu haben! Miteinander ist man pure Energie, allein geht in der Rockmusik gar nichts – ganz anders als beim Schreiben.“

Aldo schrieb zum Schluss seiner Antworten „Vielen Dank für deine Fragen, Koni. Mit herzlichem Wink ins Thal – Aldo“. Dem kann ich mir nur anschliessen. Mit dem Unterschied, dass mein Dank und Wink nach Zürich geht. Vielen herzlichen Dank, Aldo, für dein Mitmachen, deine wunderbaren Antworten und die schönen Fotos!

feldwaldwiesenblogger

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