Ja, wie viel Kritik darfs denn sein? Diese Frage stellte sich der Schreibende in diesem Jahr öfters. Denn: Darf man in einem Medien-Beitrag die Frage stellen, ob Schwingerkönig Kilian Wenger in nächster Zeit zurücktritt? Traditionalisten meinen, es gehöre sich nicht. Oder dürfen Perren und Forrer jeden Montag unverblümt Kritik anbringen? Viele Schwingerfreunde ätzen: Geht gar nicht! Aber heimlich schauen tun es trotzdem die meisten. Der Einfluss der medialen Verbreitung scheint dabei ein zentraler Punkt zu sein. Eine kleine Auslegeordnung.
Text: Schwinger-Blog
Bild: unspunnen-schwinget.ch
Traditionalisten vertragen keine kritischen Fragen
Nach dem stimmungsvollen Unspunnen-Schwinget mit dem grossartigen Sieger Samuel Giger ist der Hauptharst der Saison vorbei. Anstehen tun während rund einem Monat noch das «Eidgenössische» der Frauen und Meitli sowie etliche Herbstschwingfeste. Zeit also, zu reflektieren und Fragen zu stellen. Zum Beispiel, ob eine Zeitung die Frage stellen darf, ob Kilian Wenger bald zurücktritt. Die eingangs erwähnten Traditionalisten verneinen das kategorisch. Wenger soll selbst entscheiden, wann er dies zu tun gedenkt. Natürlich tut er das auch. Aber: Die Schwingerfreunde, und vor allem die Medien, dürfen die Rücktritts-Frage nicht mal in den Mund nehmen. Warum eigentlich? Verträgt es nach dieser zum Teil nicht einfachen Saison fast keine Kritik mehr? Noch mehr TV-Bilder und unzählige Wiederholungen offenbarten im Jahr 2023 so manches. Gewisse Medien getrauten sich so erst recht, ihre Finger in die Wunden zu legen. Um Kritik zu üben an gewissen Entscheiden und Vorfällen. Der Sturm der Entrüstung folgte im Nu.
Unverblümte Kritik von Perren und Forrer
Und dann erst diese beiden Protagonisten: Fast jeden Montag gaben Marcel W. Perren und Nöldi Forrer in einem eigens dafür geschaffenen «Blick»-Sende-Gefäss ihren Senf zu allen möglichen Vorfällen. Der Sturm der Entrüstung steigerte sich hinterher zu einem wahren Orkan. Hand aufs Herz: Fast jeder Schwing-Interessierte zog sich diese Komödie in voyeuristischer Manier rein. Aber: Warum tut sich dies ein wohlgesinnter Schwingerfreund an, statt es zu boykottieren? Ganz einfach: es lebe «Brot und Spiele». Und: um sich hinterher aufzuregen und darüber zu wettern. Die beiden prangerten dabei Punkte an, die teils nicht von der Hand zu weisen sind. Auch sie legten ihre Finger in Wunden, und stellten dabei interessante Fragen. Aber: der Ton macht die Musik. Im Schwingsport ist man sich das Vokabular wie es im Fussball gang und gäbe ist einfach nicht gewohnt. Perren und Forrer zofften sich dabei öfters um strittige Entscheide. Derweil der «Blick»-Mann bei einigen Punkten ein energisches Eingreifen forderte, bremste ihn der Schwingerkönig von 2001. Immerhin. Beiden scheint dabei die Kritik der anständigen Schwingerfreunde egal zu sein…
Moderne vs. Traditonalismus
Die Standpunkte der Traditionalisten und die vom Mediengefäss «Perren vs. Forrer» sind meilenweit voneinander entfernt. Gewissermassen entgegengesetzte Extreme. Die einen kritisieren unverblümt, die anderen vertragen nicht den Hauch einer kritischen Äusserung. Die Moderne donnert dabei ungebremst in den Traditionalismus. Auch der Schreibende ist immer wieder am Abwägen, welche Äusserungen angebracht sind und welche nicht. Damit sich hier nicht noch ein grösserer Graben auftut, wäre ein gegenseitiges Entgegenkommen angebracht. Jeder kommt aus seiner Komfort-Zone heraus und versucht die Argumente des Gegenübers wenigstens anzuhören. Dabei soll eine anständige Kommunikation angewendet werden. Im Fall «Perren vs. Forrer» versteht der Verfasser dieser Zeilen die Traditionalisten sehr wohl. Wie teilweise gegen Kampfrichter-Entscheide gehetzt wurde grenzt an Unverfrorenheit. Kein Wunder verlieren gewisse Leute deswegen den Respekt und wettern. Das hingegen gehört sich auch nicht…
Wie viel Kritik darfs denn nun sein?
Der Schwingsport ist kein Profisport. Ergo sind es die Sportler und die Funktionäre auch nicht. Das hier gewisse Medien einen Massstab heranziehen, welcher bei den Profisportarten Fussball oder Skifahren angewendet wird, geht gar nicht. Im Schwingen hat es schon immer strittige Entscheide gegeben. Kluge Köpfe haben die Regeln und deren Auslegung in den letzten Jahren entscheidend angepasst und den Schwingsport so in die Moderne gebracht. Das Sendegefäss «Perren vs. Forrer» sollte man daher nicht zu ernst nehmen und in die Schublade Unterhaltung stecken. Wie viel Kritik darf man aber den Traditionalisten zumuten? Diese Frage bereitet ein gewisses Kopfzerbrechen. Es macht fast den Anschein, dass die «Vorkommnisse» in dieser Saison die Empfindlichkeit noch mehr gesteigert hat. Es verträgt teilweise kaum mehr eine kritische Äusserung. Dabei werden (meist) in anständigem Ton bloss Fragen gestellt. Oder gewisse Punkte angesprochen. Warum sollte das zu viel sein? Ohne konstruktive Kritik kommt man im Leben nicht weiter. Auch der Schwingsport nicht. Aber: Die Medien, allen voran die sozialen Medien, fahren teilweise auf der Überholspur. Zurück bleiben überforderte Traditionalisten. Wie wäre es mit ein wenig mehr Respekt und Rücksichtnahme? Und mit einer auf den Schwingsport angepassten Kommunikation?
Danke! Sehr gut analysiert und geschrieben.
Ich persönlich wehre mich vehement gegen die Boulevardisierung des Schwingsports!
Aber der mediale Hype hat schon ein gigantisches Ausmass angenommen..
Ich hoffe einfach das der Schwingsport nicht seine Seele verliert..mit all seinen Unzulänglichkeiten und Fehlentscheidungen etc….
Sehr gut geschrieben! Die Welt bleibt nicht stehen! Um so wichtiger ist es, aufeinander zu zu gehen, d.h. man bedenke stets, der andere könnte auch «ein wenig» Recht haben…
Grundsätzlich entspricht der Artikel den Tatsachen. Medien sind Medien und m.A. sollte der Konsument oder die Konsumentin nicht immer alles für bare Münze auffassen. Der Schwingsport hat in letzter Zeit gewaltig an Bedeutung gewonnen und auch negative Auesserungen können dazubeitragen,dass man dieser Sportart noch mehr Beachtung schenkt. Traditionalismus hin oder her.