Die Bratwurst-Initiative und die Einheitskrankenkasse

Liebe Leser! Heute mache ich mir, wie in meinem letzten Beitrag angekündigt, schreibend Gedanken zu den beiden eidgenössischen Abstimmungsvorlagen vom kommenden 28. September. Wie das so ist bei solchen Abstimmungen, wage ich als Erstes einen Blick ins Abstimmungsbüchlein.

abstimmmungsbüchlein
(Bildquelle: feldwaldwiesenblogger)

Das nette Teil verrät mir viele Fakten, Daten, Zahlen und die Empfehlung des Bundes. Und diese ist bei beiden Vorlagen ein Nein.
Vielfach folge ich den Empfehlungen von Bundesrat und Parlament. Denn diese sind von uns gewählte Volksvertreter, und sie versuchen in der Regel unsere Anliegen zu vertreten.

Aber ich wäre nicht ein guter Bürger, wenn ich mir nicht die Argumente der Pro- und Contra-Komitees zu Gemüte führen würde. Das habe ich nun getan.

Zur Bratwurst-Initiative, oder wie sie korrekt heisst „Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!“ bin ich zum Schluss gekommen, dass ich der Empfehlung folgen werde. Ich lege ein Nein in die Urne. Denn diese Argumente sind für mich einfach plausibler.

bratwurst als argument
(Bildquelle: www.handelszeitung.ch)

Unsere Finanzministerin, Eveline Widmer-Schlumpf, erklärte am 11. August das Problem mit den beiden unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen anhand eines praktischen Beispiels: „Wer im Restaurant eine Bratwurst bestellt, zahlt darauf 8 Prozent Mehrwertsteuer, wer die Bratwurst am Grillstand auf der Strasse kauft, nur 2,5 Prozent.“
Die Initianten griffen darauf die berühmte Bratwurst für ihre Kampagne auf. Die „Bratwurst-Initiative“ war geboren…

Wie die Bundesrätin weiter erklärte, mag diese Ungleichbehandlung auf den ersten Blick unverständlich sein. Widmer-Schlumpfs Erklärung dazu: „Esswaren vom Take-away lassen sich nicht vernünftig abgrenzen von Nahrungsmitteln, die im Laden gekauft werden. Darum werden sie steuerlich gleich behandelt und zum reduzierten Satz besteuert.“

Für die Finanzministerin ist das keine Diskriminierung: „Nahrungsmittel seien lebensnotwendige Güter und müssten für alle erschwinglich sein. Der Restaurantbesuch jedoch gehe über den Konsum von Nahrungsmitteln hinaus. Essen und Getränke würden serviert, Tische, Stühle, Toiletten und anderes mehr zur Verfügung gestellt. Deshalb koste eine Mahlzeit im Restaurant auch mehr als am Imbissstand.“

Zudem macht der Bundesrätin noch etwas anderes Kopfzerbrechen: Die bei einer Annahme zu erwartenden hohen Steuerausfälle. Das fehlende Geld müsste nämlich durch Erhöhung des tieferen Mehrwertsteuersatzes (von 2.5 auf 3.8%) reingeholt werden. Dies hätte zur Folge, dass Lebensmittel, Medikamente, Bücher, Zeitungen sowie Radio- und TV-Gebühren (noch) teurer würden.

Gastrosuisse, also die Initianten, haben im Vorfeld nicht mit den Konsequenzen einer MwSt-Erhöhung auf 3.8% gerechnet. Als ihnen das bewusst wurde, kündigten sie an, nach einem Ja eine weitere Volksabstimmung zu lancieren. Diese neuerliche Abstimmung würde ein Referendum beinhalten, damit der reduzierte Satz (die bisherigen 2,5 %) weiter tief bleiben würde.
Man darf ohne zu übertreiben behaupten: Hier wird ein Verwirrspiel mit dem Stimmbürger getrieben.

Ich finde die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze auch nicht „sexy“. Dabei ist die Abgrenzung zwischen Restaurant sowie „Take-away Stand mit Tisch“ (vor Ort essen) und reinem Take-away (mitnehmen) teilweise reine Haarspalterei.
Trotzdem müssen wir Konsumenten vernünftig bleiben: Der von Gastrosuisse geforderte tiefere Steuersatz in Restaurants bringt nur ihnen etwas. Uns, den Konsumenten, bringt dies erstens keine billigeren Preise und zweitens unter anderem teureres Essen für zu Hause.
Deshalb ist für mich ein Nein zu dieser Vorlage einfach unumgänglich.

keine Einheitspatienten
(Bildquelle: einheitskasse-nein.ch)

Einheitspatienten sind wir mit Garantie nicht, ob wir zu dieser Vorlage nun Ja oder Nein abstimmen. Das Bild stammt von den Initiativgegnern, und ich habe mir erlaubt, das „Nein zur Einheitskasse“ wegzuschneiden.

Auch zu dieser Vorlage habe ich mir meine Gedanken gemacht. Ich schrieb wörtlich in meinem Blogbeitrag vom 16. September: „Die Krankenkassen-Sache ist da schon diffiziler. Eigentlich wäre ich bei der Grundversicherung für ein Modell, wie es die Suva ist. Aber nach dem Lesen von verschiedenen Texten bin ich mir da nicht mehr so sicher, ob das der richtige Weg ist.“

Ich habe mir die Pro- und Contra-Argumente nun näher angesehen und auch bei einer interessanten Diskussion aufmerksam zugehört. Die Erkenntnisse bringen nun mit sich, dass von meinem sozial-konservativen Wesen das „sozial“ wieder mal hervordringt. Ich lege deshalb ein Ja zu „Für eine öffentliche Krankenkasse“ in mein Wahlcouvert.

Die Begründungen der Initianten hat mich mehr überzeugt, als die Abschreckungs-Szenarien der Gegner. Diese schreiben beispielsweise: „Der harte Wettbewerb mit den 61 Kassen sowie zahlreiche Arbeitsstellen werden geopfert.“ Und: „Von 100 Prämienfranken der Grundversicherung (OKP) gehen 95 an Therapie, NUR 5 in die Administration.“

Auf den harten Wettbewerb angesprochen kontern die Befürworter und sagen: „Prämien steigen stärker als Gesundheitskosten!“

In meinen Augen greift da der Wettbewerb also nicht, oder nicht mehr.
Denn die privaten Krankenkassen betreiben laut den Initianten einen Pseudo-Wettbewerb, und dies zulasten der Versicherten. Die Folgen sind lästige Werbeanrufe und zeitraubender Papierkram bei einem Kassenwechsel. Zudem versuchen sich die Kassen schadlos zu halten und versuchen „teure Fälle“ abzuwimmeln. Gerade kranke und ältere Menschen bekommen dies zu spüren und bezahlen teurere Prämien.

Die angesprochenen tiefen Administrationskosten bei den Krankenkassen sind sicher ein Pluspunkt für die Initiativ-Gegner. Dennoch sind sie so fair, und meinen, dass ein Verwaltungskosten-Vergleich mit IV, AHV oder Suva schwierig ist.
Die „5 Franken Administration“ begründen diese (leider) mit dem (Pseudo-)Wettbewerb…

Das Pro-Komitee führt an, dass die privaten Krankenkassen jährlich rund 225 Millionen an Werbe-Franken, 100 Millionen an Wechselkosten und weitere Prämiengelder in politisches Lobbying verschleudern. Zudem sollen sich die Manager und Verwaltungsräte bei diesen Kassen eine goldene Nase verdienen.

Weiter: Das Nein-Komitee befürchtet bei einem Ja zur Vorlage Einbussen von Qualität und Verfügbarkeit. Scheinbar könnten darunter die freie Wahl von Hausärzten und Spezialisten leiden.

Die Befürworter halten mit dem Argument dagegen, dass bei öffentlichen Versicherungen wie der AHV und der Suva heute ein hohes Mass an Qualität vorhanden sei. Dort soll das Wohl der Versicherten im Mittelpunkt stehen und bei koordinierten Versorgungsprogrammen kann bei der Prävention bis zu zwei Milliarden Franken pro Jahr gespart werden.

Wohl verstanden, es geht bei einer öffentlichen Einheitskasse nur um die Grundversicherung. Zusatzversicherungen könnten weiterhin bei privaten Anbietern abgeschlossen werden.

Das Soziale dabei ist, dass alle gleichermassen von einer guten und zahlbaren Grundversicherung profitieren könnten. Ob jung, alt, gesund oder krank. Und ob jemand reich ist oder weniger begütert.
Denn diejenigen, welche es sich leisten können, dürfen so viele Zusatzversicherungen abschliessen, wie sie wollen.

Noch ein Wort zu einem möglichen Stellenabbau bei einem Ja zur Initiative: Für das Betreiben einer Einheitskasse braucht es selbstverständlich auch Mitarbeiter, welche aus den jetzt bestehenden Kassen rekrutiert werden könnten. Zudem braucht es weiterhin Personal und Ressourcen für die privaten Zusatzversicherer. Alles in allem müssten wahrscheinlich nicht wirklich viele Arbeitsstellen abgebaut werden.
Wenn man eine böse Zunge hätte, könnte man behaupten: Die vorigen Stellen würde es wahrscheinlich jetzt schon nicht mehr brauchen, denn die verursachen nur unnötige Kosten…

Die öffentliche Krankenkasse wäre eine Chance für unser überteuertes Gesundheitssystem mit explodierenden Kosten und stetig steigenden Prämien. Wie das funktionieren könnte, und wie die Kosten sich dann entwickeln würden, weiss heute natürlich niemand genau. Dass aber gehandelt werden muss, ist wohl jedem klar.
Deshalb sollten wir am 28. September ein zukunftsgerichtetes und soziales Ja zur Einheitskasse in die Urnen legen.

So, nun habe ich parallel zum Schreiben auch meinen Stimmzettel ausgefüllt und in das entsprechende Couvert gesteckt. Ich denke, ich habe nun meine Bürgerpflicht getan und hoffe zudem, dass ich dem einen oder anderen Leser eine „Abstimmungshilfe“ sein konnte.

So oder so: Es ist garantiert der bessere Weg, seine Meinung an der Urne kundzutun, statt am Stammtisch (oder wo auch immer) frustriert zu proleten, es nütze ja sowieso nichts. Es nützt schon, liebe Bürger! Und je mehr Leute abstimmen gehen, desto exakter wird der Volkswille widergegeben.

feldwaldwiesenblogger

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