Interview mit Ruedi Schläfli, dem TK-Chef der Südwestschweizer Schwinger: „Wenn kein Druck da ist, sind auch keine Ziele mehr vorhanden.“ (Teil 2)

Beim Teil 1 meines Interviews mit Ruedi Schläfli besprachen wir unter anderem, was ihn momentan am meisten beschäftigt und ob ihn die bisherigen Trainings-Zusammenzüge zuversichtlich stimmen. Weiter, woran seine Schwinger noch am meisten arbeiten müssen und ob einer oder gar mehrere Kranzgewinne am Eidgenössischen realistisch sind. Was Ruedi eindeutig bejahte: „Wir werden Kränze in Estavayer-le-Lac machen“. Der ehemalige Kranzschwinger erzählte mir zudem von seinem Job als TK-Chef der Südwestschweizer, wie sie ihre Schwinger fördern und das es unter ihrem schwingerischen Nachwuchs einige vielversprechende Talente hat.

Ruedi wurde auch etwas philosophisch und erklärte: Es kann einfach nicht sein, dass Estavayer2016 wohl ein Budget von 25 Millionen Franken hat, die Schwinger aber sich vorbereiten wie vor dreissig Jahren. Die älteren Schwingerfreunde haben das wohl noch nicht richtig verstanden. Für einige ist der Begriff Sponsoren manchmal ein Schreckgespenst. Aber Sponsoren bringen nun mal das Geld. Ohne dieses Geld können wir aber unmöglich so einen Grossanlass wie das Eidgenössische stemmen. Mit Recht dürfen wir als kleiner Verband stolz darauf sein, einen so grossen Anlass wie das Eidgenössische auf die Beine zu stellen. Den grössten Sportanlass der Schweiz. Man darf zu recht auch auf den Erfolg, den der Schwingsport in den letzten Jahren aufweisen kann, Stolz sein. Dazu beigetragen haben nebst den Sponsoren auch die Medien. Wir sind jetzt im 21. Jahrhundert. Was früher war, war super. Aber man muss nun mal mit der Zeit gehen, und die hat heute andere Anforderungen und Ansprüche als früher. Zudem wurden im Eidgenössischen Schwingerverband die entsprechenden Leitplanken gesetzt, was geht und was eben nicht. Das haben die Medien und die Sponsoren nun auch verstanden.

Zur Erinnerung: Das Gespräch mit dem TK-Chef fand vor gut zwei Wochen während dem dritten Trainingszusammenzug der Südwestschweizer Schwinger in Oron-la-Ville VD statt.

Ruedi bei der Trainingsvorbereitung
Konzentrierte Trainingsvorbereitung von Ruedi Schläfli
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Sind bei euren Trainings-Zusammenzügen auch Übungsleiter aus der Deutschschweiz dabei?
Beim Trainings-Zusammenzug im Dezember war der ehemalige Berner Spitzenschwinger Christian Oesch dabei. Oesch wird beim kommenden Trainingslager wieder dabei sein.

Welche Schwinger siehst du als Leader in deinem Teilverband?
Sicher ein Leader ist Benjamin Gapany, ebenfalls Michael Nydegger. Als Eidgenosse ist er einfach ein Leader. Natürlich auch jeder Schwinger, welcher einen Kranz an einem grossen Anlass macht. Beispielsweise Michael Matthey, welcher letztes Jahr am Innerschweizerischen den Kranz holte. Weiter auch Pascal Piemontesi oder William Häni. Diese Schwinger sind automatisch Leader und übernehmen auch eine Vorbildfunktion in ihren Klubs. Sie gehören zur Spitze im Südwestschweizerischen Schwingerverband.

Sind eure Leader fit? Habt ihr auch Verletzte in eurem Kader zu beklagen?
Unsere Leader sind mehrheitlich fit und glücklicherweise sind nur kleine Blessuren zu beklagen. Benjamin Gapany ist heute nicht anwesend, da er sich einen Fuss verstauchte. William Häni hat Probleme mit einer Schulter. Michael Nydegger ist nach anderthalb Jahren wieder im Training. Verletzte haben wir zurzeit keine zu beklagen.
Wir dürfen nicht zu viele Verletzte haben, denn unsere Spitze ist leider nicht allzu breit. Aber: Wenn bei den anderen vier Teilverbänden ein oder mehrere Leader fehlten, konnte man beobachten, dass es für sie auch schwieriger wurde.

Wie viele Trainings-Zusammenzüge waren es bisher? Wie viele werden es noch bis Estavayer2016 sein?
Bisher waren es zwei, heute findet der dritte statt. Bis zum Eidgenössischen wird jeder Monat ein Zusammenzug erfolgen, jeweils am zweiten Samstag eines Monats. Zusätzlich haben wir zwei Trainingscamps geplant. Diese werden je drei Tage dauern. Anfangs April in Estavayer-le-Lac wird das eine sein. Das andere wird zwei Wochen vor dem Eidgenössischen quasi ein Höhentraining in Leukerbad VS, mit dem Team „Estavayer“.
Geplant sind bei einigen Zusammenzügen zusätzlich zum Training am Samstag auch der Besuch von Rangschwingfesten am Sonntag. Um spezifisch die Intensität und den Rhythmus für das zweitägige Eidgenössische zu simulieren. Beim Trainingslager in Estavayer-le-Lac wird Freitag und Samstag trainiert. Am Sonntag bestreiten die Schwinger dort den Rangschwinget.

Spürst du persönlich Druck von Seiten des Verbandes, der Südwestschweizer Schwingerfreunde oder ganz allgemein aus der Romandie?
Natürlich, der Druck ist da. Das ist aber auch normal. Die Spannung ist aber schon seit ein paar Jahren da, eigentlich seit Burgdorf. Erst recht nun, als wir die Kampagne letzten Oktober gestartet haben. Aber umso mehr natürlich jetzt, zu Beginn des Eidgenössischen Jahres. Das ist ein positiver Druck, den wir an die Schwinger und an die Zuschauer rüberbringen wollen.
Ein Erwartungsdruck ist zudem auch von Seiten der Medien vorhanden. Auch die Westschweizer Medien haben nun das Eidgenössische aufgegriffen, etwas später zwar als die Deutschschweizer. Es handelt sich dabei um Zeitungs- und Radiointerviews sowie um Fernseh-Reportagen. Es wird nun wöchentlich mehr. Ein Beispiel: Marc Guisolan stellt monatlich einmal seine Trainigsvorbereitung hinsichtlich Estavayer2016 in der Freiburger Zeitung „La Liberté“ vor.
Der Druck muss einfach vorhanden sein. Denn: Wenn kein Druck da ist, sind auch keine Ziele mehr vorhanden.

intensives training
Intensives Training beim dritten Zusammenzug der Südwestschweizer Schwinger
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Hast du das Gefühl, dass sich eure Schwinger wegen dem Eidgenössischen zu stark unter Druck gesetzt fühlen?
Da sind wir am Abtasten, um zu erkennen, wie der Druck bei den Schwingern ist. Wir schauen auch, dass sie nicht mit einem Druck zum Training kommen, der sie lähmt. Wir versuchen den Schwingern beizubringen, wie sie mit Druck umgehen können. Der Druck muss auch Doping sein! Wir werden mit unseren Schwingern auch Einzelgespräche führen, wenn es während der Saison nicht läuft und es notwendig wird.
Der positive Druck kommt auch vom Trainieren. Je mehr du trainierst, umso besser bist du auch im Kopf parat. Wir müssen, wie bereits erwähnt, mental stärker werden.
Wir sagen uns nicht, dass wir der schwächste Verband sind, sondern dass wir mithalten können. Wenn du das im Kopf verinnerlichst, dann ist der Druck schon anders. Auch bei starken Gegnern dürfen sich unsere Schwinger nicht mehr sagen: Gegen den habe ich gar keine Chance. Unsere Athleten sollen in den Sägemehlring gehen und sich sagen: Den bezwinge ich, ich bin nicht weniger stark als mein Gegner.

Gehört zu eurem Staff auch ein Mentaltrainer?
Nein, vorläufig nicht. Wir werden Leute haben, die zu unseren Trainingszusammenzügen kommen werden und auf das Mentale aufmerksam machen. Darunter werden auch Sportler sein, die an Olympischen Spielen teilnahmen, um unseren Schwingern Impulse und positive Energie rüber zu bringen. Das werden Überraschungsgäste sein, und die Athleten wissen vorher nichts davon.
Ich sagte den Schwingern bereits im vergangenen Oktober, dass sie auch selber schauen sollen, was sie diesbezüglich brauchen. Denn jeder ist anders und hat andere Bedürfnisse. Bei Fragen werden wir ihnen selbstverständlich weiterhelfen und Personen vermitteln.
Wir haben wohl Physiotherapeuten, Masseure und einen Arzt im Team, aber keinen Mentaltrainer.

Was meinst du, ist die etwas gemütlichere Lebensweise der Romands im Vergleich mit den vier anderen Teilverbänden aus der Deutschschweiz ein Vor- oder ein Nachteil?
Beides. Wir haben nun mal unsere lateinische Mentalität und Kultur. Aber: Die Deutschweizer schätzen auch das Gemütliche der Romands. Wir müssen trotzdem mit unseren Schwingern trainieren und arbeiten, um Erfolg zu haben. Schon in der Vergangenheit hatten wir diverse erfolgreiche Schwinger. Wir sind nicht anders. Wir sind vielleicht ein wenig anders und haben eine südlichere Mentalität. Wieso wohl fahren die Deutschschweizer für die Ferien in den Süden? Sie suchen dort die ruhigere und südländische Lebensweise.
Wir wollen unsere Lebensweise weiterhin pflegen, und diese Romand-Stimmung auch beim Eidgenössischen in Estavayer-le-Lac schaffen.

Was denkst du über die „Neuen Richtlinien für Einladungsbegehren“?
Ich bin direkt mit dem involviert, da ich auch in der Technischen Kommission vom ESV bin. Es musste einfach etwas gehen. Wir von der Technischen Kommission forderten diese neuen Richtlinien. Es fanden dabei zum Teil harte Gespräche statt. Ich finde, das ist eine gute Sache, und es wird sich mit der Zeit alles einspielen. Natürlich, ich verstehe die Vertreter der traditionellen Schwingfeste. Es wird am Anfang sicher nicht einfach sein. Ich bin überzeugt, dass diese Feste aber als solches überleben werden. An der ESV-Abgeordneten-Versammlung im März wird es diesbezüglich sicher zu Diskussionen kommen. Man muss aber auch sehen, dass die neue Regelung nicht viel anders ist als die alte. Die Schwingklubs und die Organisatoren müssen sich an die neuen Regeln gewöhnen. Aber in zwei oder drei Jahren spricht niemand mehr von dieser Sache.

Die neuen Richtlinien betreffen zwar keines unserer traditionellen Schwingfeste in der Westschweiz. Trotzdem haben sie auch für unseren Teilverband Auswirkungen. So haben beispielsweise unsere beiden stärksten Kantonalverbände, die Freiburger und die Waadtländer, dieses Jahr an ihren Kantonalen keine Gäste aus anderen Teilverbänden.

Wir hatten in der Vergangenheit auch das Problem in der Südwestschweiz, dass einige Schwingklubs keine Rangschwingfeste mehr durchführten. In Zukunft müssen sie das aber wieder tun, wenn sie Gäste an Kantonalfesten haben möchten. Die Rangschwingfeste sind überdies wichtig für das Weiterleben eines Schwingklubs. Ich sagte unseren Schwingklubs deshalb: Jetzt müsst ihr Schwingfeste organisieren!

Es ist nun so, dass die organisierenden Schwingklubs innert fünf Jahren drei Rangschwingfeste mit Gästen durchführen müssen. Um dabei eine Beziehung zu anderen Schwingklubs aufzubauen, damit sie bei der Durchführung eines Kantonalen diese Gäste einladen können.

Dies kommt auch den Schwingern zu Gute, die pro Jahr mindestens vier Rangschwingfeste besuchen müssen, wollen sie das Jahr darauf ein Kranzfest ausserhalb der Westschweiz besuchen.
Man konnte in den letzten Jahren einen regelrechten Schwinger-Tourismus beobachten. Vor allem die Spitzenschwinger besuchten oftmals fast nur noch Kranzfeste. Das wird sich in Zukunft nun ändern. Auch diese Schwinger kommen von einem Klub, und nicht von einem Verband.

Was wünscht du dir für 2016?
Einfach Freude am Schwingsport! Mehr verlange ich nicht. Die Kameradschaften pflegen, welche ich schon seit mehr als 40 Jahren in diesem Sport habe. Das ist mir das allerwichtigste.
Natürlich, in sportlicher Hinsicht ist es Estavayer. Aber wir müssen Freude am Schwingsport haben. Ich sage stets: Wir verdienen unser Leben nicht mit dem Schwingsport. Wir machen es aus Leidenschaft. Ich hoffe, dass trotz dem vielen Training auch die Schwinger Freude am Schwingsport haben. Und dass wir nächstes Jahr sagen können: 2016 war ein tipptoppes Jahr.

Ruedi Schläfli
Ruedi Schläfli, TK-Chef der Südwestschweizer
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Ruedi ergänzte zum Abschluss: „Ich hatte letztes Jahr meinen Schwingern gesagt: Ihr müsst euch nicht mehr verstecken. Jetzt dürft und müsst ihr zeigen, was ihr könnt, und auch auf Risiko schwingen.“
Ich finde, diese Aussage ist nicht nur mutig. Sie strotzt auch vor Selbstvertrauen. Denn dieses Selbstvertrauen ist für die Südwestschweizer Schwinger immens wichtig. Auf sie wartet das eigene Eidgenössische, bei dem ihnen wohl alle Schwingerfreunde von Herzen einen oder mehrere Kränze gönnen.
Ich bedanke mich bei Ruedi Schläfli für das aufschlussreiche und sympathische Gespräch. Ihm, seinem Staff und den Südwestschweizer Schwingern wünsche ich alles Gute, viel Erfolg und vor allem beste Gesundheit für die schwingerischen Herausforderungen des Jahres 2016.

feldwaldwiesenblogger

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