Nachgefragt bei Simon Anderegg, dem grossen Berner Routinier

Text: feldwaldwiesenblogger

Simon Anderegg stand am vergangenen Sonntag verdient im Schlussgang des Schwarzsee-Schwingets. Das zweite Bergkranzfest der laufenden Saison gewann aber sein Teamkollege Matthias Aeschbacher. Der Emmentaler bezwang den Berner Oberländer buchstäblich in der letzten Minute. Auch wenn im ersten Gang die Vorzeichen noch etwas anders standen, wurde der Bergschwinget im Freiburgischen fast zu einer reinen Berner Angelegenheit. Zumindest an der Spitze: Gewannen die «Mutzen» doch 13 der 14 abgegebenen Kränze. Eine wahre Machtdemonstration!
Im nachfolgenden Beitrag möchte ich aber nicht (gross) auf die Stärke der Berner eingehen, sondern die Leistung des «Schlussgang-Verlierers» würdigen. Denn Simon erreichte diese mit fünf gewonnenen Gängen. Heute führte ich mit dem Cousin von Schwingerkönig Matthias Glarner ein spannendes Telefongespräch. Dabei wollte ich von ihm unter anderem wissen, wie er den Schwarzsee-Schwinget erlebte, und ob die Berner auch am «Eidgenössischen» so parat sein werden.


Simon Anderegg gewann letztes Jahr auf dem Brünig den 100. Kranz und wurde danach von seinen Team-Kollegen Kilian Wenger und Florian Gnägi geschultert
Bild: Jungfrau Zeitung

Schwarzsee-Schwinget
Matthias Aeschbacher triumphierte am Schwarzsee-Schwinget zum ersten Mal überhaupt an einem Bergkranzfest. Das Mitglied vom Schwingklub Sumiswald zog einen bärenstarken Tag ein und räumte auf dem Weg in den Schlussgang Benjamin Gapany, Augustin Brodard, David Dumelin und Niklaus Zenger weg. Einzig im zweiten Gang musste Matthias dem St. Galler Daniel Bösch einen «Gestellten» zugestehen. Laut offizieller Angabe gewinnt Matthias Aeschbacher nach 11 Minuten und 26 Sekunden mit seinem berühmt berüchtigten Inneren Haken einen taktisch geprägten Schlussgang.
Der Schwarzsee-Schwinget fand bei strahlendem Sonnenschein statt, und wurde von 4’100 Zuschauern besucht. Wie eingangs erwähnt standen die Berner den ganzen Tag an vorderster Front und diktierten das Geschehen auf den drei Sägemehlringen. Trotz verpasstem Kranz von Schwingerkönig Kilian Wenger und dem Fehlen von Matthias Glarner, oder dem immer noch rekonvaleszenten Christian Stucki: Die jungen «Mutzen» wie Fabian Staudenmann, Kilian von Weissenfluh, Michael Wiget oder Patrick Gobeli drängen nun definitiv an die Spitze. Der einzige Nicht-Berner Kranzgewinner ist Daniel Bösch, der Unspunnen-Sieger von 2011. Das sagt doch einiges zur Momentaufnahme am Schwarzsee.

Simon stand verdient im Schlussgang
Der grosse Berner Routinier stand beim Schwarzsee-Schwinget mit fünf gewonnenen Gängen verdient im Schlussgang. Übrigens: Simon gewann diesen Traditionsanlass 2011, als Co-Sieger zusammen mit Bruno Gisler und Thomas Zaugg. Im Schlussgang bodigte er damals den Nordwestschweizer Gast Bruno Gisler. Auf dem Weg in die diesjährige Endausmarchung bezwang der Berner Oberländer der Reihe nach Tobias Krähenbühl, Werner Schlegel, Thomas Koch, Stefan Gäumann und Remo Käser. Die Jungfrau Zeitung schreibt dazu: «Es hat nicht viel gefehlt und der Berner Oberländische Schwingerverband hätte einen Doppelsieg am Bergkranzfest Schwarzsee feiern können. Hätte Simon Anderegg den Schlussgang gegen Matthias Aeschbacher gestellt, er wäre gemeinsam mit Jonas Lengacher Festsieger geworden. Doch in der letzten Minute muss sich der Unterbächler Anderegg dem Emmentaler Aeschbacher geschlagen geben. «Er hat mich sauber erwischt. Am Ende hat mir der Schnauf gefehlt», sagt Anderegg.»

Am Schwarzsee den 105. Kranz (!) herausgeschwungen
Simons Geburtsdatum ist der 17. April 1986. Der 33-Jährige wohnt in Unterbach, ist ledig und weist mit seiner Grösse (181 Zentimeter) und seinem Gewicht (109 Kilogramm) gute Masse für den Schwingsport auf. Der Unterbächler machte eine Ausbildung zum Landwirt und zum Zimmermann. Derzeit arbeitet er bei einem Betrieb in Meringen als Zimmermann. Nebst der Arbeit und dem Schwingsport bleibt nicht mehr viel Zeit für andere Tätigkeiten. Im Winter besucht Simon gerne Hockey-Spiele vom SC Bern.
Der Berner ist Mitglied beim Schwingklub Meiringen, welcher dem Oberländischen Schwingerverband angehört. Er hat bisher 105 Kränze herausgeschwungen, darunter dreimal Eidgenössisches Eichenlaub.

Wichtige Stütze im Berner Team
Obwohl etwas im Schatten der ganz Grossen, ist Simon eine wichtige Stütze im Berner Team. Zu seinen grössten Erfolgen zählt der Sennenschwinger den Sieg am Schwarzsee-Schwinget (2011) sowie drei Gauverbands-Festsiege. Weiter die drei Eidgenössischen Kränze und der 100. Kranz letztes Jahr auf dem Brünig, welcher für ihn ein ganz spezieller Moment war.
Die bevorzugten Schwünge sind der Übersprung und der Kurz, diese kommen am häufigsten zur Anwendung. Simon schwingt seit 1994 und nahm sich im Jungschwinger-Alter Jörg Abderhalden und Thomas Wittwer als schwingerische Vorbilder. Zum Schwingsport kam der gelernte Zimmermann durch seinen Vater, einen ehemaligen Schwinger. Als Achtjähriger ging Simon gemeinsam mit seinem Cousin Matthias Glarner zum ersten Schwingtraining. Seit damals schwingen und trainieren die beiden zusammen. Dem Berner Oberländer wurden die Schwingergene in die Wiege gelegt. Denn sein Vater und Grossvater haben bereits geschwungen.


Nach dem Sieg gegen Tobias Krähenbühl im ersten Gang machte es bei Simon «Klick»
Bild: Simon Anderegg

Herzliche Gratulation zum Erreichen des Schlussganges! Was ging dir hinterher durch den Kopf?
«Ich nahm mir für den Schlussgang etwas anderes vor und ich war nicht so aktiv, wie ich wollte. Ich war enttäuscht und es folgte eine kurze Leere. Als ich aber dann auf den erfolgreichen Tag zurückblickte, war ich insgesamt sehr zufrieden.»

Würdest du heute mit einer anderen Taktik den Schlussgang in Angriff nehmen?
«Die Taktik war schon die richtige. Ein Zweikampf ist aber immer auch gegnerabhängig. Matthias griff stark und ich fühlte mich nicht so wohl dabei. Ich hätte mehr machen müssen, nur schon deswegen, damit ich bei einem Gestellten eine Neun geschrieben bekommen hätte. Das ist aber jeweils schwierig. Ich hätte versuchen müssen, vielseitiger zu schwingen.»

Du hast die Endausmarchung souverän erreicht. Welcher Gang war für dich ein sogenannter «Schlüsselgang»?
«Der erste Gang gegen Tobias Krähenbühl war einerseits wichtig. Tobias ist schwierig zu gewinnen und liegt mir nicht so. Ich konnte ihn aber beim zweiten Zusammengreifen bezwingen, und es machte bei mir Klick und brachte alles ins Rollen. Der fünfte Gang gegen Remo Käser war ebenfalls entscheidend. Der Sieg brachte mir die Schlussgang-Teilnahme ein. Bei diesem Gang habe ich sehr offen geschwungen.»

Was für ein persönliches Fazit ziehst du vom Schwarzsee-Schwinget?
«Ein sehr positives. Ich hatte bisher eine durchzogene Saison, die bisherigen Schwingfeste liefen noch nicht optimal und ich war nicht zufrieden mit der schwingerischen Leistung. Am Schwarzsee ging es gut und ich bin sehr froh, dass ich dort eine gute Leistung abliefern konnte. Ich bin insgesamt sehr zufrieden mit dem Schwarzsee-Schwinget.»

Werden die Berner nach der Machtdemonstration am Schwarzsee auch am «Eidgenössischen» in Zug so parat sein?
Simon lacht. «Vom Nordostschweizer Team haben die beiden Aushängeschilder und der eine oder andere Eidgenosse gefehlt. Unsere jungen Schwinger haben sehr grosse Fortschritte gemacht und sind nun fähig, wichtige Gänge zu gewinnen. Für uns Arrivierten ist das gut, dass wir solch aufstrebende Schwinger im Rücken haben. Die absoluten Topfavoriten sind wir in Zug zwar nicht, aber mit unserem Team ist zu rechnen.»


Im vierten Gang reihte Simon den Berner Kollegen Stefan Gäumann unter die Verlierer
Bild: Simon Anderegg

Du hast deinen ersten Kranz 2003 gewonnen. Welches war deine bisher stärkste Saison?
«Ich denke, das war jene im Jahr 2013, als das ESAF in Burgdorf war. Ich habe damals das Emmentalische gewonnen und erreichte noch weitere Schlussgänge. Die letztjährige Saison mit neun Kränzen war sicher auch stark. Das zu messen ist schwierig, aber ich schätze die 2013er-Saison als meine stärkste ein.»

Was meinst du, bist du mit deinen 33 Jahren reif für den zweiten Bergkranzfest-, respektive den ersten Teilverbandsfest-Sieg?
Simon grinst. «Reif wäre ich für das schon länger. Es wäre natürlich schön, wenn ich so einen wichtigen Sieg erreichen könnte. Als Hasler ist es sicher ein Traum, auf dem Brünig im Schlussgang zu stehen. Aber: Es muss an so einem Tag einfach alles stimmen, und es bleibt eine zähe Angelegenheit.»

Wie sieht dein gegenwärtiges Trainingsprogramm aus?
«Pro Woche absolviere ich zwei bis drei Schwing-Trainings und zwei bis drei Kraft-/Ausdauer-Einheiten. Je nachdem, ob am Wochenende ein Schwingfest ansteht, wird das Trainingsprogramm angepasst. Unter einem Training kann man natürlich einiges verstehen. In einer Schwingfestwoche ist eine Konditionseinheit mit dem Velo oder gutes Dehnen schon ein gutes Training. Dazu gehört auch Techniktraining im Schwingkeller. Zudem: Vor einem Schwingfest möchte man natürlich frisch, und nicht ausgebrannt sein.»

Wie oft trainierst du mit deinen Berner Oberländer Kollegen, und wie oft mit dem Berner Team fürs Eidgenössische in Zug?
«Mit meinen Oberländer Kollegen bestreite ich jeweils am Dienstag ein Schwingtraining. Mit dem Berner Team trafen wir uns im Winter bis in den Frühling hinein jede zweite Woche zum gemeinsamen Training. Momentan sind es wegen den Schwingfesten eher unregelmässige Trainingszusammenzüge, etwa einmal im Monat.»

Welches sind deine nächsten Einsätze, und was nimmst du dir dabei vor?
«Der nächste Kranzfest-Einsatz ist am Oberländischen Schwingfest in Interlaken (14. Juli). Eventuell bestreite ich vorher noch ein Regionalschwingfest. In Interlaken ist es mein Ziel, in den Schlussgang zu kommen. Dieses Jahr bin ich an keinem Teilverbandsfest Gast. Das nächste Kranzfest nach dem Oberländischen ist bereits der Brünig-Schwinget. Auf dem Brünig gewann ich bisher zehn Kränze, der elfte ist mein Ziel. Wie bereits angesprochen wäre es schön, dort in den Schlussgang vorzustossen. Möglich ist es, es muss aber alles stimmen und es braucht einen Top-Tag.»

feldwaldwiesenblogger

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