Schwingsport im Tessin: Vom wachsenden Selbstwertgefühl der Schwinger (Teil 6)

Text und Foto: feldwaldwiesenblogger

Heute erfolgt der Abschluss meiner sechsteiligen Reihe über den Schwingsport im Tessin. In den bisherigen fünf Teilen behandelte ich die Gründung des Kantonalen Schwingerverbandes, erörterte die Zukunftschancen des Schwingsportes in der Sonnenstube und berichtete über den ersten Tessiner Aktiven an einem Innerschweizerischen. Weiter erwähnte ich das erste Nichtkranzer-Schwingfest 2016 im Tessin und erfuhrt von Edi Ritters Motivation: „Ich muss sie nicht motivieren, sie motivieren mich!“
Die Motivation des schwingbegeisterten Tessiner Verbandspräsidenten ist denn gleich auch die fliessende Überleitung in den ersten Themenschwerpunkt dieses Teiles.

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Edi Ritter und Lorenzo Mignola vor dem Trainingsplatz im Centro Sportivo (Tenero)

Haben die Tessiner Schwierigkeiten, den Vorstand ihres kantonalen Schwingverbandes zu besetzen?
Edi erklärt: „Für was brauche ich einen Vorstand, welcher aus zehn Personen besteht und nur fünf davon arbeiten? Momentan sind wir zu fünft im Vorstand. Wir haben Pflichtenhefte, welche ganz klar besagen, was zu tun ist. Ich bin in Personalunion Präsident, Technischer Leiter Aktive und Jungschwinger. Weiter versehe ich den Job als Versicherungskassier, betreue das Meldewesen Aktive sowie Jungschwinger und bin Anlassverwalter. Du könntest für jeden Job einen verpflichten. Aber das braucht es gar nicht.
Wir haben eine Kassiererin, respektive Sekretärin. Sie macht alles, was ich schriftlich und administrativ nicht alles bewältigen kann. Dann haben wir noch einen Vize-Präsidenten, welcher auch von der Schwingerei her kommt. Der Mann ist ein Tessiner, welcher aber früher bei den Nordostschweizern (St. Gallen) schwang. Er versteht sehr viel vom Schwingsport. So verfügen wir über eine weitere Meinung. Der Vize-Präsident ist leider gleich alt wie ich. Schön wäre es, wenn er 20 Jahre jünger wäre.
Ich halte zwei bis drei Sitzungen pro Jahr ab. Mehr ist nicht nötig, denn wir können auch nach den Trainings das eine oder andere bilateral besprechen. Von Vorteil ist, dass die Kassiererin, der Vize-Präsident und ich nebst Italienisch auch die deutsche Sprache beherrschen.“

Was der schwingbegeisterte Mann bereits im Teil vier (2016 fand das erste Nichtkranzer-Schwingfest statt) ansprach, erwähnte er auch zum Schluss dieses Themas. Dass nämlich das Vereinsleben im Tessin nicht gleich stark verankert ist wie in der Deutschschweiz.

Gibt es einen Nachfolger, wenn sich Edi einmal aus dem Tessiner Schwingerverband zurückziehen sollte?
„Ganz viele“, Edi lacht. Er erzählt, dass er gewisse Etappen für sich festgelegt hat. Und weiter: „Mein oberstes Ziel als Präsident ist es, 2018 den Tessiner Schwingerverband definitiv in den ISV und somit auch in den ESV überführen zu können.“
Am vergangenen 4. Dezember fand die Generalversammlung statt. Bei dieser wurden die drei bestehenden Vorstandsmitglieder wieder für zwei Jahre gewählt. Wie bereits in einem früheren Beitrag angesprochen, konnten Lorenzo und Loris neu in den Vorstand geholt werden. Damit sie laut Edi auch sehen, wie dieses Geschäft läuft. Der grosse Schwingerfreund ergänzt: „Das heisst, für die nächsten zwei Jahre bin ich ganz sicher noch zu haben. Auch deswegen, weil wir 2018 ein Jubiläum im Innerschweizerischen Verband feiern, und ich bei den Jubiläums-Kommissionen „Festschrift“ und „Feier“ dabei bin. Es macht mir Riesenspass im ISV-Vorstand, bei welchem wir eine Crew mit jungen Kantonalpräsidenten beisammen haben. Wir haben untereinander ein super Verhältnis, und es wird für das Wohl des Verbandes gearbeitet. Vom einen oder anderen Kollegen könnte ich vom Alter her problemlos dessen Vater sein.“
Edi sagt aber auch, dass sie anschliessend im Tessin schauen müssen, wer am längsten schon weiss wie alles geht und funktioniert. „Ich möchte dabei die Jungen sicher nicht verheizen, und sie deswegen fortlaufen würden. Sie sollen langsam herangeführt werden und reinwachsen. Wenn einer oder zwei der jungen Schwinger das Technische und das Anmeldewesen übernehmen, kann ich trotzdem noch im Hintergrund wirken.“
Der Tessiner Verbandspräsident sinniert: „Ich will ganz sicher kein Sesselkleber sein, und würde morgen schon ins zweite Glied zurücktreten und sagen: Das war’s. Das wäre aber den jungen Tessiner Schwingern gegenüber nicht fair! Ich habe ihnen gesagt, dass ich das mit ihnen zusammen aufbaue. Und es braucht jetzt einfach noch eine gewisse Zeit, damit das nachher nicht einfach zusammenfällt. Übrigens: Diese Frage wird mir immer wieder gestellt: Edi, wenn du aufhörst, fällt dann nicht das Ganze zusammen? Wenn dem so wäre, dann habe ich etwas falsch gemacht.“

Was wünscht sich Edi?
„Ich glaube eigentlich nicht, dass ich das 25-jährige Jubiläum vom Tessiner Kantonalen Schwingerverband erleben werde, denn ich wäre dann knapp 90 Jahre alt. Aber wer weiss. Ich wünsche mir, dass die Jungen, welche sich jetzt langsam reinschaffen und engagieren, nicht ganz so verrückte Typen werden wie ich es bin. Aber ein Teil von der guten Sache, welche das Schwingen heute prägt, und das Schwingsport-Virus, welches sie jetzt schon in sich haben, weitertragen.“

Das wachsende Selbstwertgefühl der Tessiner Schwinger
Zum Abschluss unseres längeren aber nicht minder interessanten Gesprächs erzählte mir Edi ein Beispiel des wachsenden Selbstwertgefühls der Tessiner Schwinger: „2014 waren wir zum ersten Mal beim Hallenschwinget Sarnen eingeladen. Wir stellten fest, dass in der Reithalle alle Innerschweizer Kantonal-Fahnen aufgehängt waren. Nur jene vom Tessin nicht. Die jungen Schwinger haben damals zu mir gesagt: Edi, hast du gesehen? Alle Kantonalfahnen hängen, nur unsere nicht. Warum? Ich sagte zu ihnen, das ist deshalb, weil wir noch nicht offiziell aufgenommen wurden. Da müssen wir einfach noch Geduld haben. Das Jahr darauf waren wir wieder beim Hallenschwinget Sarnen am Start. Beim Morgenkaffee stellten die Schwinger erstaunt fest: Schau mal, unsere Fahne hängt! Das hat eine gewisse Zeit bei den Veranstaltern gebraucht, damit sie das bemerken. Aber unsere Schwinger haben das sofort festgestellt. Und damit will ich sagen: Das ist das Zeichen von Selbstwertgefühl, welches sie nun an den Tag legen. Dieses sollen sie haben, und sie sollen nicht als irgendjemand kommen. Sie sollen als Tessiner Schwinger an die Schwingfeste gehen.“

Mit dieser wunderbaren Geschichte beschliesse ich meine sechsteilige Serie über das Schwinggeschehen im Tessin. Dabei bedanke ich mich bei Edi Ritter für das herzliche und äusserst informative Gespräch, bei welchem auch der junge Aktive Lorenzo Mignola anwesend war.
Dem schwingverrückten Präsidenten und Technischen Leiter wünsche ich weiterhin viel Spass, aber auch Ausdauer für seine wichtige Tätigkeit im Tessin. Für Lorenzo und seine Kollegen hoffe ich, dass Edi’s Arbeit Früchte tragen wird und sie das eingeimpfte Schwinger-Virus in der Schweizer Sonnenstube weitertragen!

feldwaldwiesenblogger

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