Vor dem Urner Kantonalschwingfest: Interview mit dem Technischen Leiter Valentin Gisler

Am kommenden Sonntag, 22. Mai, findet in Schattdorf das 95. Urner Kantonale Schwingfest statt. Den Anlass 2015 gewann mit Benji von Ah ein Obwaldner Schwinger. Wie die Urner Schwinger, allen voran ihr momentan einziger aktiver Eidgenosse Andi Imhof, zurzeit aufgestellt sind, wollte ich vor Ort erfahren. Zu diesem Zweck fuhr ich nach Attinghausen UR, zur neu erbauten Schwinghalle.
Am Dienstag, 17. Mai war Kantonal-Training des Urner Schwingverbandes. Anwesend waren nebst den Schwingern auch der Technische Leiter Valentin Gisler, und der Medienchef David Zurfluh. David fädelte für mich vorgängig ein Interview mit Valentin ein.

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Schwinghalle Attinghausen mit einer Sägemehlfläche von 150 Quadratmeter
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Seit März 2015 sind die Urner Schwinger in diesem schönen zweistöckigen Bau am Trainieren, welcher zwischen dem 11. Oktober 2014 und dem 15. März 2015 dank viel Fronarbeit realisiert werden konnte. Auf dem Erdgeschoss befinden sich ein grosser Schwingraum mit einer Sägemehlfläche von 150 Quadratmeter und einer fest installierten Tribüne. Im Obergeschoss ist ein Gesellschaftsraum für maximal 170 Personen für interne oder externe Anlässe integriert, welcher auch vermietet wird.

Valentin Gisler ist genau genommen der Technische Leiter 1 der Aktiven vom Urner Kantonalen Schwingerverband. Nebst der Trainingsleitung ist der in Spiringen wohnhafte Urner verantwortlich für die dazugehörigen Schreibarbeiten. Valentin ist 44-jährig, Projektleiter bei der Firma Merck & Cie, verheiratet und hat drei Kinder. Zwei Buben von ihm betätigen sich bereits schon als Jungschwinger. Der Familienvater ist seit fünf Jahren Technischer Leiter, war in jungen Jahren ebenfalls Schwinger und gewann in seiner Aktivzeit sieben Kränze.

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Valentin Gisler, Technischer Leiter Aktive der Urner Schwinger
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Wie steht es momentan um den Urner Kantonalen Schwingerverband? Wie viele Aktive und wie viele Jungschwinger zählt ihr momentan?
Wir zählen momentan 45 Aktive und etwa 100 Jungschwinger. Die Anzahl Jungschwinger blieb dabei die letzten Jahre ziemlich konstant, im Vergleich zu vor fünf oder sechs Jahren sind sie heute um einiges höher. Es wurde einiges in die Nachwuchsarbeit investiert. Die Zahl der Aktiven ist auch konstant, war jedoch letztes Jahr mit 49 Schwingern leicht höher.
Wir sind eine gut durchmischte Truppe mit ein paar älteren Routiniers zwischen 25 und 30 Jahren. Von unten her drücken Junge nach, von denen in den letzten Jahren einige Kränze gewinnen konnten. Es ist Potential vorhanden.

Im Urnerland gibt es sechs Schwingklubs. Welche sind das?
Das sind die Schwingklubs Bürglen, Schattdorf, Erstfeld, Attinghausen, Flüelen und Altdorf. Dazu gibt es zu sagen, dass Altdorf momentan keine Aktive stellt.
Seit wir hier die neue Halle haben, trainieren wir kantonal mehr zusammen. Von November bis März trainieren wir einmal pro Woche das Schulschwingen mit den 15- bis 18-Jährigen Urnern und den 19-Jährigen und Älteren in je einer Gruppe. Bei den Jüngeren habe ich technische Leiter, die sich um diese kümmern. Ab dem März nehmen wir die beiden Gruppen zusammen und die jüngeren können auch mit den älteren Schwingern zusammen wettkampfmässig trainieren. Von mir aus gesehen ist das der Schlüssel zum Erfolg. Denn dies war bisher für jene Klubs, welche nicht so eine grosse Gruppe stellen, eher ein Nachteil.

Welche Urner Region stellt derzeit die meisten Schwinger? Und: War das schon immer so?
Bei den Aktiven stellt der Schwingklub Bürglen am meisten Schwinger. Die Hälfte der Aktiven kommt von dort. Die Region Schächental ist dabei stark vertreten. Der Schwingklub Schattdorf stellt zehn Aktive, Attinghausen sieben, Flüelen fünf und Erstfeld vier Aktive. Früher war Attinghausen sehr stark, auch Schattdorf hatte sehr gute Jahre. Sogar Altdorf hatte früher während einer gewissen Zeit relativ viele Aktive. Die letzten 20 Jahre war eigentlich immer Bürglen der Klub mit der grössten Anzahl an Aktiven.
Bei den Jungschwingern sieht das etwas anders aus. Da weisen eigentlich alles Klubs gute Nachwuchszahlen auf. Der Schwingklub Bürglen zählt dabei etwa 30 und sogar Altdorf etwa 15 Jungschwinger.

Das Innerschweizerische Teilverbandsfest in Seedorf gewann letztes Jahr Andi Imhof, praktisch vor seiner eigenen Haustür. Wann gab es den letzten Sieg eines Urners an eurem Kantonalen? Wer war das?
Das war Andi Imhof. Er gewann 2011 in Flüelen das Urner Kantonale. Andi ist immer noch mit Abstand der beste Urner Schwinger. Er weist momentan auch eine sehr gute Form auf und ist um einiges besser drauf als letztes Jahr. Der Eidgenosse konnte 2015 fast den ganzen Winter zuvor nicht trainieren, da er sich einer Herzmuskel-Operation unterziehen musste und zudem auch noch eine Adduktoren-Verletzung erlitt. Andi legte zwar ein spitzenmässiges Innerschweizerisches hin, erlebte aber während der ganzen letzten Saison ein richtiges auf und ab.
Der Turnerschwinger bestritt vor dieser Saison eine Top-Vorbereitung und hat sehr viel trainiert. Im Monat März musste er einen kurzen Unterbruch wegen einer Netzhautablösung bei einem Auge in Kauf nehmen. Dieser Rückstand hat er aber aufgeholt und ist nun formmässig wieder voll im Soll.

Wann erlebten die Urner Schwinger ihre besten Zeiten? Mit wem?
Das war aus meiner Sicht in den 1980iger Jahren, zu den Zeiten der Gebrüder Wyrsch, Adalbert Gisler und Markus Imhof. Zuvor hatten sie auch in den Sechziger- und Siebzigern ein paar sehr gute Jahre, wo sie die Ob- und Nidwaldner dominiert hatten. Sie stellten dabei jeweils eine sehr gute Gruppe, welche sich gegenseitig anstachelte. Es ist immer gut, wenn man mit einer Gruppe Schwinger zusammen wachsen kann. Von den Jungschwingern bis zu den Aktiven. Dabei kann man riesige Fortschritte erzielen.

Welche Schwinger sind nebst Andi Imhof momentan eure Zugpferde?
Das sind Elias Kempf, Andi Murer, Matthias Herger, Markus Zurfluh und Stefan Arnold. Stefan wies dieses Jahr eine sehr gute Frühform auf. Er hatte aber wegen einer Fingerverletzung an der linken Hand vor dem Ob- und Nidwaldner Kantonalen Pech und konnte in Lungern deswegen fast nicht greifen. Diese Verletzung behindert ihn mittlerweile aber nicht mehr.
Matthias Herger hatte eine stark aufsteigende Form, man konnte das beim Training beobachten. Matthias absolvierte kürzlich die Rekrutenschule in Thun und konnte während dieser Zeit zweimal pro Woche mit den Berner Oberländer Schwingern trainieren. Er wurde dabei sehr gefordert und war nun bereit. Es schmerzt mich schon, dass er sich beim Glarner-Bündner am Ellenbogen zwei Sehnen abgerissen hat, und nun ausfällt.

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Aufwärmtraining im Freien
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Von welchen Schwingern wird man in Zukunft vermehrt hören?
Der vorhin angesprochene Matthias Herger hat sicher ein Riesenpotential. Aber auch Marco Wyrsch, welcher grosse Fortschritte machte und von seinen Fähigkeiten her sich noch weiterentwickeln wird. Beim Zuger Kantonalen zeigte Marco eine gute Leistung, stellte aber im sechsten Gang gegen Adrian Steinauer und erreichte so den Kranz leider nicht. Weiter Fabian Herger, welcher letztes Jahr seinen ersten Kranz gewann. Er ist gross gewachsen und bringt gute Voraussetzungen mit. Erwähnen möchte ich auch Daniel Arnold, welcher dieses Jahr den ersten Kranz erkämpfte. Er ist eher ein Leichtgewicht aber technisch sehr stark. Die jüngeren Schwinger müssen sicher noch einen grossen Schritt tätigen, um nach vorne zu gelangen.

Wie steht’s um die Nachwuchsarbeit?
Um die Nachwuchsarbeit steht es gut. Im Vergleich mit früher, also vor etwa 10 bis 20 Jahren, sind wir jetzt sicher viel weiter. Wir haben einige Jungschwinger, welche bei den Schwingfesten innerschweizweit gesehen regelmässig vorne dabei sind und sich Festsiege holen. Bis diese auch bei den Aktiven mitmischen können, braucht es nun einfach seine Zeit.

Wie steht es um den Gesundheits- und den Trainingsstand eurer Aktiven?
Bis zum Pfingstmontag hätte ich „sehr gut“ gesagt. Wir hatten bis dahin abgesehen von kleineren Blessuren keine Verletzten zu beklagen. Wie bereits erwähnt, hatte sich Matthias Herger beim Bündner-Glarner Kantonalfest im Gang gegen Arnold Forrer verletzt. Leider zog sich zudem Michael Zurfluh, einer unserer besten Nichtkranzer, beim Baldegg-Schwinget einen Wadenbeinbruch zu.
Vom Trainingsstand her gesehen sind wir bereit und unsere Schwinger in Form. Beim Glarner-Bündner traten vier Urner Schwinger an, und zeigten eine gute Leistung. Andi Imhof gewann dabei mit einem guten Notenblatt souverän den Kranz. Raphael Arnold und Andreas Arnold schwangen beide um den Kranz. Beim Baldegg-Schwinget zeigten unsere Schwinger auch sehr gute Leistungen.

Welchem eurer Schwinger traut ihr am kommenden Sonntag am ehesten den Sieg zu?
Andi Imhof ist auf jeden Fall der Sieg zuzutrauen. Er hat mit Abstand die grössten Chancen. Vom Potential her würde ich dies auch Stefan Arnold zutrauen. Im Eidgenössischen Jahr hat aber der Kranzgewinn für ihn und die anderen Urner Schwinger die höchste Priorität.

Trügt mich das Gefühl, oder hat das Schwingen im Urnerland, im Vergleich zu den anderen Kantonalverbänden in der Innerschweiz, schon immer eine Art Mauerblümchendasein gefristet? Warum ist das so?
Es war, wie ich vorher erklärte, nicht immer so. Was genau falsch gemacht wurde, nachdem man in früheren Jahren eine extrem starke Gruppe beisammen hatte und nachher abrutschte, ist schwierig zu sagen. Es hängt sicher immer sehr viel mit der Nachwuchsarbeit zusammen und wie viel Zeit dafür investiert wird. Ich meine, wir sind ein kleiner Kanton mit etwa 30‘000 Einwohnern. Im Oberland, also ab Erstfeld aufwärts, wird nicht geschwungen. Aber im Vergleich mit der Anzahl Einwohnern haben wir nicht weniger Schwinger als andere Kantone in der Innerschweiz. Ich darf behaupten, dass wir momentan mit unserer Anzahl an Jungschwingern recht stark aufgestellt sind. In den vergangenen Jahren wurde auch mehr in die Nachwuchsarbeit investiert. Die Schwierigkeit dabei ist, dass die Jungschwinger den Übertritt zu den Aktiven schaffen und bleiben. Und bereit sind, die Leistungsbereitschaft zu erbringen, trotz Lehre und Ausbildung.

Ihr trainiert hier in Attinghausen in einer neuen Schwinghalle. Hat dies zu einem kleinen Boom beim Urner Schwingen geführt?
Ja, das kann man schon sagen. Sicher, so etwas ist schwierig zu messen. Die sechs Schwingklubs waren die ersten, die den Bau dieser Halle unterstützt haben. Erbaut wurde die Schwinghalle vom Schwingklub Attinghausen, nutzen können sie aber nun alle Urner Schwinger. In der Urner Bevölkerung wurde dieser Bau sehr positiv aufgenommen.

Mit welchen Problemen hat der Urner Kantonale Schwingerverband derzeit zu kämpfen?
Es sind die Probleme, die ich bereits schon ansprach. Sie beschäftigen aber nicht nur uns, wie ich beim Gespräch mit den Technischen Leitern von den anderen Kantonalverbänden in der Innerschweiz mitbekam. Es sind halt nicht alle Junge bereit, eine gewisse Leistungsbereitschaft zu zeigen und deshalb im Alter von 16 bis 18 Jahren mit Schwingen aufhören. In diesen Jahren kommt eine Berufsausbildung hinzu, aber auch der Ausgang und eine erste Freundin. Man muss vom Schwingsport angefressen sein, um dran zu bleiben. Es war sicher auch früher schon so, vielleicht nicht in dem Ausmass. Beim Schwingen muss man auch beissen können. Es ist kein leichter Sport, und zudem eine Einzelsportart, wo gleich eins zu eins gemessen wird, was du trainiert hast. Wenn einer den Schritt gemacht hat, und früh den ersten Kranz gewinnt, ist er auch bereit, mehr zu investieren. Die Kranzschwinger machen eigentlich ihren Weg. Ideal ist, wenn man eine Gruppe von Jugendlichen hat, welche einander motiviert und mitnehmen.

Was beschäftigt euch momentan am meisten?
Wir haben ein super Team, und ich gehe auch sehr gerne ins Training. Beschäftigen tut mich in dem Sinne nichts Spezielles. Natürlich, das Urner Kantonale steht vor der Tür. Und in einem Eidgenössischen Jahr befindet sich das ESAF im Fokus, das spürt man auch bei den Schwingern. Die Phase der Kantonalen Feste bedeutet für sie auch die Selektion fürs Eidgenössische.
Beim Ob- und Nidwaldner Kantonalen, welches dieses Jahr sehr gut besetzt war, gewannen wir sechs Kränze. Weiter holten wir uns bei den Zuger, Schwyzer und Glarner-Bündner Kantonalfesten je einen Kranz.

Mit wie vielen Schwingern fahrt ihr ans Eidgenössische?
Wir fuhren 2013 mit acht Schwingern ans Eidgenössische in Burgdorf. Das war für uns, bezogen auf die Anzahl Kranzschwinger, eine grosse Zahl. Es ist realistisch, diese Zahl auch dieses Jahr wieder zu erreichen.

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Intensives Training der Bodenarbeit
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Mein Dank geht an Valentin Gisler und seine ausführlichen und interessanten Ausführungen sowie an David Zurfluh, welcher den Termin organisierte. Das Urner Schwinggeschehen steht dieser Tage in der Innerschweiz im Zentrum des Geschehens. Beim Urner Kantonalen haben sich rund 190 Schwinger angemeldet. Laut Bericht im Bote der Urschweiz werden fünf Eidgenossen an den Start gehen. Nebst den Urnern und den Ob- und Nidwaldner Schwingern werden Sägemehl-Athleten aus Schwyz, Zug, Luzern sowie Tessin in Schattdorf erwartet. Als Gäste von ausserhalb des Innerschweizerischen Teilverbandes sind sechs Schwinger vom Kanton Graubünden eingeladen. Die bekanntesten Bündner Akteure sind dabei der Eidgenosse Beat Clopath und der Teilverbandskranzer Ursin Battaglia.
Ich wünsche allen teilnehmenden Schwingern viel Erfolg, sowie ein unfallfreier Wettkampf und den Zuschauern packende sowie spannende Zweikämpfe.

feldwaldwiesenblogger

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