Auf der Suche nach schwingerischen Objekten: Besuch im Schweizer Sportmuseum

Am 28. Oktober stattete ich dem Schweizer Sportmuseum in Münchenstein BL einen Besuch ab. Schweizer Sportmuseum? Auf deren Homepage findet man folgende Erklärung: „Das Sportmuseum Schweiz ist als sogenanntes «Begehlager» mit öffentlicher Objektsammlung, den Archiven, einer Dauer- und Sonderausstellung und dem Museumskaffee auf dem Basler Dreispitz zuhause.“ Zum Begehlager erfährt man: „Das Sportmuseum zeigt seine hervorragende Sammlung zur Kulturgeschichte des Schweizer Sports. Auf über 800m2 sind mehrere zehntausend Objekte und zahlreiche Archive in einem begehbaren Lager zugänglich.“ Was mir in Münchenstein sofort auffiel: Dieses Museum ist persönlich, klein und fein.

Vorgeschichte
Vom Schweizer Sportmuseum hatte ich bis zur Realisierung der „Schwingerbildli“ („DER SCHWINGERKÖNIG – SAMMELBOX & Sammelbuch“) noch nie gehört. Projektleiter Patrick Gut erklärte mir diesen Februar, dass das besagte Museum auch mit von der Partie sei und sie im Jahr 2010 gar die Idee dazu hatten. Diese Information, respektive das Existieren eines solchen Museums, welches sich in den Schwingsport einbringt, merkte ich mir für später. So meldete ich mich kürzlich bei den Verantwortlichen, fragte nach schwingerischen Objekten und vereinbarte einen Besuchstermin. Hans-Dieter Gerber (Museumsleiter ad interim) händigte mir vor dem Besuch fünf Listen mit Objekten aus, welche sie über den Schwingsport vor Ort haben. Dazu gehören „Abzeichen“, „Festkarten/Postkarten/Plakate“, „Fotografien“, „Grafische Darstellungen“ und „Objekte“.
Laut den Listen sind das etliche Objekte. Gerber erklärte mir, dass diese Objekte nicht „ausgestellt“ seien, sondern eingelagert in ihrem „Begehlager“. Er versprach mir aber, eine kleine Auswahl zu treffen, welche ich besichtigen und fotografieren konnte.

tisch-mit-objektenEin Tisch voller Objekte über den Schwingsport
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Lukas Märki und seine Masterarbeit
Bei der Besichtigung der Objekte betreute mich Lukas Märki, zurzeit Mitarbeiter im Schweizer Sportmuseum. Ich stellte bald fest, dass der junge Mann äusserst viel aus der Vergangenheit des Schwingsportes wusste. Seine Erklärung dazu: Er studierte Sportwissenschaften an der Uni Basel und verfasste eine Masterarbeit mit dem Titel „Schwingen und Turnen – Das wechselseitige Verhältnis von Schwingen und Turnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“. Die für mich ideale Auskunftsperson in Münchenstein. Nebst seinen Ausführungen zu einzelnen Ausstellobjekten lieferte er auch tiefgründige Erklärungen. Wissen, welches er sich bei den Arbeiten rund um seine Masterarbeit angeeignet hatte. Märki händigte mir hinterher dankenswerter Weise seine Masterarbeit aus.

lukas-maerki
Lukas Märki, Verfasser einer Masterarbeit übers Schwingen und Turnen
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Verschiedene Ausstellobjekte
Lukas Märki suchte zwei Abzeichen aus dem Museumssortiment heraus und erklärte: „Wir haben viele Abzeichen im Sortiment. Das ist eines der ältesten, welches ich in der Liste gefunden habe. Anscheinend von einem Schwingfest in der Romandie, 1873 in Freiburg. Das andere Abzeichen stammt vom Berner Kantonalen Schwingfest 1937.“
Des Weiteren legte der Sportwissenschaftler drei Postkarten-Beispiele bereit. Märki dazu: „Von den Beispielen her Basel- und Norwestschweiz-lastig, da diese hier im Museum auch zentral gesammelt worden sind. Hier haben wir eine Postkarte vom Eidgenössischen Schwingfest in Basel 1898, mit offiziellem Festabzeichen. Auf der Rückseite der Karte ist sogar das Programm aufgedruckt. Weiter fand ich eine Fotopostkarte von 1940, mit einem Porträt des Kranzschwingers Friedrich Stalder, einem Turnerschwinger vom Schwingerverband Basel-Stadt. Von diesen Postkarten befinden sich ebenfalls etliche im Besitz des Schweizer Sportmuseums.“

postkarte_esaf-1898
Postkarte vom Eidgenössischen Schwingfest in Basel 1898, mit offiziellem Festabzeichen
Bildquelle: Schweizer Sportmuseum / feldwaldwiesenblogger

Zu einem Kleinplakat weiss Märki folgendes zu berichten: „Dieses ist deshalb interessant, weil 1912 an einem Eidgenössischen Turnfest ein Schwinger auf dem Plakat abgebildet ist. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Schwingsport innerhalb des Turnverbandes schon damals an Bedeutung gewonnen hat. Ich schrieb in meiner Masterarbeit unter anderem darüber, dass im 19. Jahrhundert die Turner das Schwingen in den Turnsport importierten. Die Turner haben sich demzufolge bei den Schwingern bedient.“
Ein grösseres Plakat weist für den Mai 1943 auf einen Mittelländischen Jubiläums-Schwinget im Stadion Wankdorf hin.

plakat-jubi-schwinget-1943
Plakat Mittelländisches Jubiläums-Schwinget (Mai 1943)
Bildquelle: Schweizer Sportmuseum / feldwaldwiesenblogger

Fotografien wurden im Sportmuseum viele digitalisiert. Spannend ist eines der Bilder, welche mir Märki bereitlegte. Auf einem erkennt man Willy Lardon beim Eidgenössischen Turntag in Luzern (vermutlich 1945), welcher seinen gefährlichen Nackengriff anbringt. Lardon gewann 1943 das ESAF in Zug. Sehr oft gibt es keine Informationen zu den alten Fotografien, wer sie fotografiert hat, wo das Schwingfest stattfand oder wer sich auf den Fotos befindet. Manchmal stand nur dazu geschrieben: „Schwinger im Sägemehl.“
Zu den sogenannten Objekten erläuterte Märki: „Bei den Objekten habe ich nur diesen Pokal gefunden. Ein Pokal ist an Schwingfesten sonst unüblich. Der kelchförmige Silberpokal ist von einem Schwingfest, welches am 10. Mai 1903 in Baden stattfand.“

pokal1
Silberpokal von einem Schwingfest in Baden (Mai 1903)
Bildquelle: Schweizer Sportmuseum / feldwaldwiesenblogger

Grafische Darstellungen
Grafische Darstellungen hat es ebenfalls einige im Museum. Dazu Lukas Märki: „Das ist ein spannendes Beispiel, welches mir bei der Durchsicht in die Hände kam. Eine Farblithografie aus dem 19. Jahrhundert, mit dem Titel „Zwei Schwingerpaare mit Zuschauern in Alpenlandschaft“. Darauf erkennt man oben links das Banner mit dem Turnerspruch „Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“. Dieses Bild stellt für mich bereits die Symbiose zwischen Schwingen und Turnen dar. Es gab damals beiderlei, und dass in einem städtischen Kontext plötzlich auch geschwungen wurde. Obwohl das Schwingen damals auf die Alpen- und Voralpen-Regionen beschränkt war.“

farblitografieFarblithografie: „Zwei Schwingerpaare mit Zuschauern in Alpenlandschaft“
Bildquelle: Schweizer Sportmuseum / feldwaldwiesenblogger

Zu einer sehr interessanten Darstellung erklärte der Museums-Mitarbeiter: „Bei meiner Masterarbeit wurde ich öfters mit diesem Bild konfrontiert, welches das Ostermontagsschwinget 1785 in Bern auf der Grossen Schanze darstellt. Im 19. Jahrhundert wird dieser Anlass so quasi zum ersten zentralen Schwingfest der Berner. Das Schwingfest auf der Grossen Schanze fand schon im 18. Jahrhundert statt. Gemäss meinen Recherchen wurde im 19. Jahrhundert dies der erste Anlass, wo die Sennenschwinger gemeinsam mit den Turnern schwangen. Die Sennen wie Turner haben bis dahin mehrheitlich untereinander geschwungen. Der Ostermontags-Schwinget weist eine lange Tradition mit Umzug und Fest auf, und wird anfangs 19. Jahrhundert durch die Teilnahme der Turner neu ausgerichtet. Speziell ist die Tatsache, dass es am Ostermontags-Schwinget Preisgelder gab. Das wurde damals kritisiert, weil dies nichts mit einem ursprünglichen Schwingfest zu tun habe, an welchen sonst keine Preisgelder üblich waren. Beim Lesen der dazugehörigen Quellen erinnerte mich das an die Diskussion: „Wie urchig kann der Schwingsport bleiben, wenn er sich doch bereits zum Spitzensport entwickelte und dabei Geld immer wie wichtiger wird?“ Wie man sieht, fanden ähnliche Diskussionen schon im 19. Jahrhundert statt.“

ostermontags-schwingfest-grosse-schanze-bern
Darstellung des Ostermontagsschwingets 1785 in Bern auf der Grossen Schanze
Bildquelle: Schweizer Sportmuseum / feldwaldwiesenblogger

Lukas Märki bemerkte zum Schluss meines Besuches: „Das Sportmuseum hat vor kurzem hierher gezügelt und die Sammlung ist noch nicht komplett digital inventarisiert.“ Dieser Hinweis verknüpfte der sportinteressierte Mann mit einem Rundgang durch das ganze Museum samt Begehlager. Dabei wies er mich darauf hin, dass das Sportmuseum Schweiz auch die Möglichkeit hat, auf Beiträge der Schweizer Filmwochenschau zuzugreifen. Diese enthalten auch Beiträge über den Schwingsport.
Ach ja: Vor dem Fotografieren wurde ich dazu angehalten, die Objekte als Schutz nur mit Handschuhen zu bewegen. Natürlich habe ich dem Folge geleistet. Denn man darf nicht vergessen, wie kostbar und einmalig solche historischen Stücke sind. Ein Stück Schweizer Geschichte. Tragen wir Sorge zu dem!

Ich bedanke mich bei Hans-Dieter Gerber für die Möglichkeit, die schwingerischen Objekte besichtigen zu können. Ein grosser Dank geht an Lukas Märki, welcher mir während zwei Stunden viel Wissenswertes rund um die gezeigten Objekte mit auf den Weg gab. Aber auch für die Erklärungen zu seiner Masterarbeit und die Symbiose „Schwingen – Turnen“ im Allgemeinen.

feldwaldwiesenblogger

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.