Jeremy Vollenweider – Die ungewöhnliche Geschichte eines jungen Schwingers (Teil 1)

Text: feldwaldwiesenblogger

Der SCHLUSSGANG schrieb am 9. September 2017 auf seiner Homepage:
«Jeremy Vollenweider präsentierte sich nach zwei überstandenen Krebserkrankungen in einer erstaunlich guten Verfassung und dominierte die Leistungsklasse 3.» Gemeint ist in diesem Zusammenhang Jeremys Titel an den Eidgenössischen Nationalturntagen in Eschenbach LU. Weiter war auf der Homepage des Eidgenössischen Nationalturnverbandes zu lesen: «In der Leistungsklasse 3 gelang dem Zürcher Weinländer Jeremy Vollenweider eine erfolgreiche Rückkehr auf die Wettkampfplätze. Nach schweren gesundheitlichen Rückschlägen, siegte der Wiedergenesene schliesslich mit einer eindrücklichen Leistung – und dies insbesondere in den Zweikämpfen.» Oder: «Nach Herzstillstand und Krebs ist Jeremy Vollenweider zurück» – «Schwinger Jeremy Vollenweider kehrt nach einem Jahr Abwesenheit wieder ins Sägemehl zurück.» Die beiden Schlagzeilen fand ich auf der Homepage von Radio Munot, einem Lokalradio mit Sitz in Schaffhausen.

Obige Aussagen liessen mich aufhorchen. Jeremy Vollenweider war mir einerseits als grosses schwingerisches Talent ein Begriff. Andererseits blieb mir in Erinnerung, dass der junge Sportler bei einem Ring-Wettkampf einen Herzstillstand erlitt. Und nun also eine überstandene Krebserkrankung, dabei wird Jeremy am 12. Februar erst 20 Jahre jung. Mir war sofort klar: Diesen Athleten möchte ich unbedingt mal treffen und ein Gespräch mit ihm führen.


Jeremy Vollenweider zuhause in Beringen SH
Bild: feldwaldwiesenblogger

Wer ist Jeremy Vollenweider?
Das Treffen fand vor einer Woche bei Jeremy zuhause in Beringen SH statt. Der vierfache Kranzschwinger, welcher als 17-jähriger seinen ersten Kranz beim Zürcher Kantonalen in Wädenswil gewann, ist ein vielseitiger Sportler. Nebst dem Schwingsport widmet sich Jeremy auch dem Ringen und dem Nationalturnen. Der Turnerschwinger wiegt 90 Kilogramm und ist 189 Zentimeter gross. Zu weiteren Hobbys zählt Jeremy den Sport allgemein wie Skifahren oder Eishockey.
Der bald 20-Jährige kommt von Marthalen ZH, welches zwischen Winterthur und Schaffhausen liegt. Er wuchs in Marthalen auf, ging dort zur Schule und wohnte bis vor kurzem in der Zürcher Weinland-Gemeinde. Nach der obligatorischen Schulzeit erlernte Jeremy bei der Bauunternehmung Landolt + Co. AG den Maurerberuf und arbeitet immer noch für diesen Betrieb.
Der Zürcher Weinländer entschied sich als Achtjähriger für den Schwingklub Schaffhausen, weil es damals beim Schwingklub Winterthur nur sehr wenige Schwinger gab. Ein weiterer Grund war Markus Thomi. Dieser betreute damals bei den Schaffhausern als Technischer Leiter die Jungschwinger. Als Jeremy noch klein war, besiegte Thomi an einem Zürcher Kantonalen in Flaach Jörg Abderhalden, was für ihn etwas vom Grössten war. Zudem hat seine Mutter Schaffhauser und Thurgauer Wurzeln, der Vater stammt von Marthalen.
Als seine schwingerischen Vorbilder benennt der Schaffhauser Schwinger besagten Markus Thomi und Pascal Gurtner. Hüfter, Brienzer, Päckli, Knietätsch, Bodenhüfter und Beinschraube sind Jeremys bevorzugte Schwünge.

Wie bringt Jeremy den Schwingsport, das Nationalturnen und das Ringen unter einen Hut?
Jeremy erklärt: «Die drei Sportarten werden saisonal betrieben und dementsprechend trainiert. Die Ringersaison beginnt jeweils im September und dauert bis anfangs Dezember. In dieser Zeit ringe ich zwei- bis dreimal pro Woche und schwinge einmal. Von Januar bis zum Frühherbst schwinge ich gewöhnlich zwei- bis dreimal pro Woche und ringe pro Woche einmal. Da es bei uns keine Nationalturnriege gibt, trainiere ich diese Sportart für mich zuhause.» Der gelernte Maurer war zuerst Mitglied bei der Ringerriege Winterthur. Seit etwa fünf Jahren gehört er der Ringerriege Weinfelden an. Das Highlight als Ringer ist die Mannschaftsmeisterschaft im Herbst, welche Jeremy in der Regel auch bestreitet. Im kommenden April steht die Einzel-Schweizermeisterschaft im Ringen auf dem Programm, wo der athletische Sportler ebenfalls antreten möchte.
Von Frühling bis Herbst gilt der Fokus dem Schwingen und Nationalturnen. 15 bis 20 Schwingfeste könnte Jeremy bestreiten. Es braucht aber eine gute Planung und Koordination, damit er an so vielen Wettkämpfen teilnehmen kann. Da die Nationalturntage meist an Samstagen stattfinden und die Schwingfeste an Sonntagen, gibt’s aber selten Überschneidungen. Die Planung für 2018 ist praktisch abgeschlossen. Da es jährlich nur um drei bis fünf Nationalturntage gibt, möchte der Marthaler bei allen an den Start gehen. Jeremy schaut aber darauf, ob am nächsten Tag ein wichtiges Schwingfest ansteht und lässt so ausnahmsweise auch einen Nationalturn-Wettbewerb aus. Der Hobby-Skifahrer liess beim Gespräch verlauten, dass er 2018 zwischen 10 und 15 Schwingfeste bestreiten möchte.

Die grössten sportlichen Erfolge
Jeremy erwähnt als einen der bisher grössten Erfolge die Teilnahme beim Eidgenössischen 2016 in Estavayer. Weiter den ersten Kranzgewinn, welcher sehr früh erfolgte und unerwartet kam. Zudem war dies beim Zürcher Kantonalen, wo er als Gast antreten durfte. «Erwähnen möchte ich aber auch den Basellandschaftlichen Kranz von Lausen. Wir wurden dort als Gäste eingeladen. Für mich ist aber jeder bisher gewonnene Kranz etwas Spezielles», ergänzt der sympathische junge Mann.
Beim Nationalturntag 2015 in Baar ZG wurde Jeremy Schweizermeister in der Leistungsklasse L2. Ein Jahr später belegte er bei der Schweizermeisterschaft in der gleichen Klasse den zweiten Platz. Letztes Jahr wurde der Nationalturner in Eschenbach LU Schweizermeister in der Leistungsklasse L3.


Eschenbach 2017: Der frischgebackene Schweizermeister in der Leistungsklasse L3
Bild: Facebook

Herzstillstand an der Ringer-Schweizermeisterschaft
Der vielfach beschriebene Herzstillstand erlitt Jeremy 2015 an der Ringer-Schweizermeisterschaft in Oberriet SG. Der Ringer erzählt: «Beim letzten Kampf ging ich bei der 30 Sekunden-Pause zum Coach und sagte ihm, dass etwas nicht stimmt. Ab diesem Moment kann ich mich an praktisch nichts mehr erinnern. Ich weiss nur noch, dass ich mit 5:3 nach Punkten hinten lag. Irgendwann kam ich dann wieder zu mir. Ich kann dir nicht genau sagen, wie das alles abgelaufen ist. Aussenstehende könnten dir da mehr Auskunft erteilen.»
Jeremy wurde hinterher gesagt, dass man von einem Herzstillstand sprach und er vor Ort wieder reanimiert wurde. Ihm wurde dabei ein Defibrillator angeschlossen, welcher aber für die Reanimation nicht benötigt wurde. Die Ärzte teilten ihm mit, dass er einen unprovozierten Krampfanfall erlitt, bei welchem weder Drogen, Alkohol oder sonstige Mittel im Spiel waren. Der vierfache Kranzschwinger musste nach einem kurzen Spitalaufenthalt keine Medikamente nehmen und fühlte sich schnell wieder gut. Jeremy legte aber nach diesem Vorfall eine Trainings- und Wettkampfpause ein, bevor er sein Training wiederaufnahm und im darauffolgenden Herbst in die Ringersaison stieg. «Die ganze Geschichte habe ich gut verdaut und geistert bei mir auch nicht im Hinterkopf rum», ergänzt der Zürcher voller Optimismus.

Die Krebserkrankung
Der Herzstillstand sollte aber im noch jungen Leben von Jeremy nicht der einzige gesundheitliche Rückschlag sein. Er berichtet: «Ich erhielt am 18. November 2016 die Diagnose Hodenkrebs. Ein Hoden war sogar schwarz und musste operativ entfernt werden. Bei der Computertomographie wurde festgestellt, dass ich in vielen Körperbereichen, auch in der Lunge, Ableger hatte. Es folgte eine Chemotherapie-Behandlung, welche bis zum 2. Februar 2017 dauerte. Ich war dann wieder gesund und konnte wieder trainieren. Am 9. April absolvierte ich einen Nationalturntag und gewann in der Leistungsklasse L3. Ich startete etwas später noch beim Thurgauer Kantonalen, musste das Schwingfest aber vorzeitig aufgeben. Ich erlitt nämlich einen Kapselabriss beim Schlüsselbein.
Bei einem Routineuntersuch mittels Computertomographie wurde festgestellt, dass im Bauchbereich bei den Lymphknoten an der Aorta noch restliche Krebszellen vorhanden waren. Diese Krebszellen wurden bei der Chemotherapie nicht alle erwischt und aus dem Körper gespült. Ein Onkologe, ein Spezialist aus Deutschland, schaute sich dies genauer an. Er riet mir, diese Krebszellen operativ entfernen zu lassen. Ich war zuerst gegen eine Operation. Mein Umfeld riet mir aber ebenfalls dazu, und so entschied ich mich für einen Eingriff. Der Bauch wurde bei einer Operation am 9. Mai geöffnet und die Krebszellen operativ entfernt. Nach dieser Operation musste ich wieder pausieren. Am 12. August gab ich mein Comeback, trat beim Schaffhauser Kantonalen an und gewann den Kranz.
Was in einigen Medien fälschlicherweise als zwei Krebserkrankungen dargestellt wurde, ist eine. Die ganze Geschichte mit dem Hodenkrebs und den Krebszellen im Bauchbereich gehören nämlich zusammen.»

Teil 2 folgt in einer Woche. Darin erzählt uns Jeremy, dass er wieder beschwerdefrei Sport treiben kann und wie ihn diese gesundheitlichen Rückschläge beeinflusst und geprägt haben. Weiter berichtet er vom erfolgreich bestrittenen Berchtold-Schwinget, seinem Trainingsaufwand und welche Wettkämpfe der zum Glück wieder Genesene 2018 ins Auge fasst.

feldwaldwiesenblogger

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