Jeremy Vollenweider – Die ungewöhnliche Geschichte eines jungen Schwingers (Teil 2)

Text: feldwaldwiesenblogger

Am 19. Januar fuhr ich nach Beringen SH und besuchte Jeremy Vollenweider, einen aufgestellten jungen Mann. Der aus Marthalen ZH stammende Schwinger, Nationalturner und Ringer liess mich mit seiner ungewöhnlichen Geschichte aufhorchen. Beim Gespräch erzählte mir der Sportler, welcher am 12. Februar 20 Jahre jung wird, seine ungewöhnliche Geschichte.
Beim Teil 1 stellte ich Jeremy näher vor. Er berichtete mir, wie er seine drei Sportarten unter einen Hut bringt und von seinen bisherigen sportlichen Erfolgen. Ich sprach ihn auch auf seine gesundheitlichen Rückschläge an. Der seit kurzem im schaffhausischen Beringen wohnende sprach offen über seinen erlittenen Herzstillstand und die Krebserkrankung.

Beim Teil 2 erzählt uns Jeremy, wie es ihm heute geht und inwieweit ihn die gesundheitlichen Rückschläge beeinflussten und prägten. Weiter erfahren wir, dass er das Schwingerjahr 2018 hervorragend gestartet hat.


Jeremy Vollenweider beim Gespräch, zuhause in Beringen SH
Bild: feldwaldwiesenblogger

Wieder beschwerdefrei Sport treiben
Die Chemotherapie bestand aus drei Zyklen zu 21 Tagen. Die ersten fünf Tage eines Zyklus musste Jeremy im Spital verbringen und erhielt dort die Infusionen. Ab Tag sechs bis 21 war der Zürcher zuhause. Tag acht und 15 erfolgten eine ambulante Behandlung im Spital. In den zwei Wochen zuhause schlief Jeremy an den ersten beiden Tagen viel. Dann ging er viel laufen oder mit seiner Mutter einkaufen. Jeremy betont: «Mir geht es wieder sehr gut und ich muss keine Medikamente nehmen. Ich kann trainieren wie vorher. Ich muss momentan alle drei Monate zu einer präventiven Kontrolle. Dabei erfolgen verschiedene Untersuchungen, entweder mittels MRI oder bei einer Blutprobe. Falls wieder etwas wäre, würde man es frühzeitig erkennen. Beim Schwingen und Ringen spüre ich meine fehlende Kondition und Kraft. Im vergangenen Herbst absolvierte ich die Mannschaftsmeisterschaft im Ringen. Dabei konnte ich konditionell wieder zulegen. Ich denke, dass alles relativ schnell wiederkommt.»

Inwieweit haben diese gesundheitlichen Rückschläge Jeremy beeinflusst und geprägt?
Wie der Schaffhauser Schwinger erzählt, hat ihn die Krebs-Diagnose schon beschäftigt. Nach der Operation im Bauchbereich (9. Mai 2017) habe er sich aber schon wieder Ziele gesetzt: Wann er mit dem Training wiederbeginnen will und dass er am 12. August beim Schaffhauser Kantonalen starten möchte. Der Arzt riet ihm nach der Operation zwar davon ab. Jeremy kämpfte sich mit seinem starken Willen zurück und gewann beim besagten Kantonalschwingfest den Kranz.
«Ich kann offen über meine Krankheitsgeschichte sprechen und habe keine Probleme damit. Menschlich hat mich diese Geschichte reifer und stärker gemacht. Ich bin froh, wenn mich die Leute deswegen direkt ansprechen. Bei der GV des Zürcher-Schaffhauser Nationalturnverbandes fiel mir nämlich auf, dass einige wegen meiner Kappe tuschelten. Denn zu dieser Zeit hatte ich wegen der Chemotherapie-Behandlung keine Haare. Ich ergriff das Mikrofon und erklärte den Anwesenden, was Sache ist, und zog als Beweis meine Kappe aus. Etliche kamen dann zu mir und entschuldigten sich wegen den Bemerkungen», schildert der zum Glück Wiedergenesene.
Im weiteren Gesprächsverlauf meinte Jeremy, dass ihn die ganze Krebsgeschichte nicht wirklich gross zu schaffen machte. Er konnte während der Chemotherapie-Behandlung sogar trainieren und ging ein- oder zweimal pro Woche ins Schwingtraining. Einfach, weil der Turnerschwinger Lust dazu hatte, und es relativ gut ging. Denn der gelernte Maurer wollte nicht nur immer zuhause oder im Spital hocken und teilte den Ärzten mit, dass er das ganz einfach brauche. Damit er sich austoben und mit seinen Kollegen Sprüche klopfen kann. «Sonst wäre ich explodiert», sagt Jeremy dazu, welcher darauf achtete, immer irgendetwas zu tun. In dieser Zeit besuchte der bald 20-Jährige einmal seine Mitarbeiter auf der Baustelle und brachte ihnen das Znüni vorbei.
Der Zürcher Weinländer weiter: «Ich hatte erst Bedenken, dass mich meine Trainingskameraden wegen meiner Erkrankung mit Samthandschuhen anfassen. Ich erklärte ihnen, dass sie mich beim Training nicht schonen müssen. Denn sonst komme ich nicht weiter. Sie begriffen es rasch, und wir trainierten wieder wie vorher.»

Das Schwingerjahr 2018 hervorragend gestartet
Jeremy hat am 2. Januar beim Berchtold-Schwinget mit vier gewonnen, einem gestellten und einem verlorenen Gang (gegen Eidgenosse Nick Alpiger) die neue Schwingsaison hervorragend eingeläutet. Diese starke Leistung brachte ihm den ausgezeichneten Platz 7b und die Auszeichnung ein. Der vierfache Kranzschwinger erläutert: «Im Winter habe ich bisher nicht viel trainiert. Nach der Ringersaison schaltete ich eine Pause ein. Mein Plan sah vor, dass ich anfangs Jahr mein Trainingspensum wieder steigere. Zu meinen Eltern sagte ich, dass ich in Zürich antreten möchte, um wieder mal sechs Gänge schwingen zu können. Mein Ziel war die Auszeichnung, es wäre aber auch keine Welt untergangen, hätte ich sie nicht geschafft. Es war ein schönes Gefühl, dass es beim ersten Schwingfest vom Jahr so gut lief und ist für mich ein Motivationsschub. Die Auszeichnung war gewissermassen die Zugabe. Ich verspüre auch wieder Lust, sechs Gänge schwingen zu können und erklärte meinem Technischen Leiter, dass ich an vielen kleinen Schwingfesten antreten möchte. Am 3. Februar werde ich beim Lichtmess-Schwinget in Gais AR am Start sein.»
Viele Zuschauer und Schwinger-Kollegen liessen Jeremy in der Saalsporthalle Zürich wissen, wie schön es ist, dass er wieder zurück auf dem Schwingplatz ist. Der Hobby-Skifahrer freute sich, wieder unter seinen Schwinger Kollegen weilen zu können.


Der Berchtold-Schwinget lief für den Turnerschwinger ausgezeichnet
Bild: Facebook

Der Trainingsaufwand
Von anfangs Jahr bis zum Frühherbst absolviert Jeremy drei bis vier Trainings pro Woche. Das sind in der Regel zwei- bis drei Schwingtrainings, und wenn es zeitlich drin liegt ein Ringertraining. Nach Möglichkeit möchte er auch ab und zu mit dem Turnverein Marthalen turnen. Als Nationalturner tritt der L3-Schweizermeister von 2017 unter ihrem Namen an, und unterstützt sie zudem bei verschiedenen Anlässen. Da Jeremys Schwing- und Ringer-Training sehr abwechslungsreich ist und er auf der Baustelle körperliche Arbeit verrichtet, macht der 189 Zentimeter grosse Athlet kein zusätzliches Krafttraining. Er würde zwar gerne welches machen, es liege aber aus zeitlichen Gründen momentan nicht drin.
Der sportliche Mann ergänzt: «Am Montag leitet das Schwingtraining Christian Heiss, der Technische Leiter vom Schaffhauser Kantonalen Schwingerverband. Im kleinen Schaffhausen existieren neben dem Kantonalverband keine weiteren Schwingklubs. Am Donnerstag findet ein Schwingtraining mit dem zweifachen Schwingerkönig Ernst Schläpfer statt, welcher uns trainiert, beim Verband aber keine Funktion innehat. Ernst betreut uns auch an den Schwingfesten. Technisch ist er super beschlagen, und dank seiner Herkunft kommen Appenzeller Schwinger wie seine Neffen Markus und Matthias Schläpfer sowie Naim Fejzaj regelmässig zu uns ins Training. Weiter besuchen auch Zürcher Unterländer unser Training. Von diesen Schwingern kann ich nur profitieren. Wir sind relativ viele junge Schwinger in Schaffhausen, der älteste ist erst 23-jährig. Wir haben eine gute Gruppe beisammen und wenn wir zusammen besser werden, ist das wunderbar. Seit Pascal Gurtner seine Schwingerkarriere beendet hat, haben wir keinen richtigen Teamleader mehr. Viele sehen mich zwar als Teamleader, ich fühle mich aber nicht so.»
Am Mittwoch wird für die Schaffhauser Schwinger zudem ein Konditions- und Krafttraining angeboten. Um auf zusätzliche Sparringpartner zu treffen, trainiert Jeremy manchmal in Frauenfeld mit den Thurgauer Schwingern. Wenn es die Zeit erlaubt oder sein Technischer Leiter das Training leitet, besucht der Marthaler ab und zu das jeden Freitag stattfindende NOS-Training. Der zielstrebige Sportler dazu: «Wenn ich mich konditionell und von den Automatismen her wieder stärker fühle, werde ich dieses Training wieder vermehrt besuchen. Denn da kann ich mit anderen Athleten schwingen und komme so auch weiter.»

Welche Wettkämpfe (Schwingen, Ringen und Nationalturnen) bestreitet der bald 20-Jährige 2018?
Jeremy zählt auf: «Ich werde nebst den erwähnten Rangschwingfesten das Thurgauer, das Appenzeller, das Bündner-Glarner und das Schaffhauser Kantonale Schwingfest bestreiten. Weiter steht das Nordostschweizerische in Herisau auf dem Programm. Zudem sind wir beim Guggibad-Schwinget in Buttwil AG eingeladen. An folgenden Nationalturntagen möchte ich nach Möglichkeit starten: Beim Zentralschweizerischen in Reichenburg SZ, beim St. Galler-Appenzeller-Glarner, anfangs April beim Zürcher-Schaffhauser, beim Thurgauer und an der Schweizermeisterschaft im September in Alterswilen TG. Von anfangs September bis Dezember dauert die Ringer-Saison, bei welcher ich mit Weinfelden (Nationalliga B) an der Mannschaftsmeisterschaft teilnehmen werde. Die Meisterschaft besteht aus zehn Wettkämpfen, diese stehen jeweils am Samstag auf dem Programm. Weinfelden hat eine junge Mannschaft und war in den vergangenen Jahren stets in den Rängen drei bis fünf zu finden. Wir sind alle ähnlich alt und haben eine gute Stimmung untereinander. Der Thurgauer Samuel Giger ist übrigens auch bei dieser Mannschaft dabei. Die Saison 2017 beendeten wir auf Rang 5 und ich nahm an sieben Wettkämpfen teil.»

Am Schluss dieser zweiteiligen Mini-Serie bedanke ich mich bei Jeremy für seine Gastfreundschaft und seine Offenheit beim Gespräch. Ich wünsche dem jungen und sportlichen Mann für seinen weiteren Weg alles Gute, beste Gesundheit und viele Erfolge. Sei es im Sport, Beruf oder im Privatleben.

feldwaldwiesenblogger

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