Nachgefragt bei Fabian Durrer, dem Überraschungssieger vom Ob- und Nidwaldner Kantonalschwingfest. Er sagt: «Ich denke, dass es dieses Jahr noch weitere Überraschungen geben wird.»

Text: Schwinger-Blog

Keiner der sogenannten Spitzenschwinger stand am letzten Sonntag in Kerns im Schlussgang des Ob- und Nidwaldner Kantonalschwingfests (ONKS). Mit dem Zuger Fabian Durrer und dem einheimischen Christian Zemp erreichten zwei Schwinger die Endausmarchung, welche vor dem letzten Sonntag nur wenige Schwingerfreunde im Fokus hatten. Der SCHLUSSGANG schrieb hinterher von «der grössten Überraschung der letzten Jahre». Und Radio Central-Kommentator Daniel von Euw sprach gar von einer Schlussgang-Paarung eines Kranzfestes, welche es in der Geschichte des Eidgenössischen Schwingerverbandes wohl noch nie gab. Denn: Sensations-Sieger Durrer hatte vor dem ONKS 2022 erst einen Kranz auf seinem Konto, sein Gegner Zemp noch gar keinen. Eine unglaubliche Geschichte, wie sie nur der Schwingsport schreibt.

Mit Sieger Fabian Durrer war die Überraschung in Kerns perfekt

Bild: René Burch

Überraschungen und überstürzende Ereignisse

Ob es jetzt an den Spitzenleuten lag, die teils völlig überraschend verlorene Gänge in Kauf nehmen mussten, an der Einteilung, welche die Übersicht verloren haben könnte, oder an der einen oder anderen gestellten Begegnung zu viel: Entscheidend war, dass die beiden Überraschungs-Athleten bereit waren, die Gunst der Stunde nutzten und in die Bresche sprangen. Denn geschwungen wird immer noch im Sägemehl und nicht am grünen Tisch.

Nach Startniederlage folgten fünf Siege

Der Auftakt ins Fest verlief für Fabian Durrer mit der Niederlage gegen Christoph Waser wenig verheissungsvoll. Dann drehte der Zuger aber mächtig auf und reihte Sieg an Sieg. Der Reihe nach bodigte er Christian Ming, Markus Durrer und Mario Ettlin. Den Schlussgang-Einzug verdiente sich Fabian mit dem Sieg über den Teilverbandskranzer Christian Odermatt. Im Schlussgang suchte er die Entscheidung von Beginn an vehement. Diese fiel in der vierten Minute mit Kurz und nachdrücken.

Gespräch mit spannenden Stichworten

Wer aber ist der 22-Jährige? Der 186 Zentimeter grosse und 107 Kilogramm schwere Athlet wohnt in Edlibach, ist gelernter Zimmermann und absolviert derzeit eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Der Turnerschwinger gehört dem Schwingklub Oberwil-Zug an und ist auch aktiver Nationalturner. Den ersten Kranz erschwang sich Fabian in der Saison 2018 am Zuger Kantonalen in Menzingen. Nach letztem Sonntag wurde bekannt, dass Fabian wegen einer Rückenverletzung während zweieinhalb Jahren nicht schwingen konnte. Der Schwinger-Blog führte mit ihm ein Gespräch, und sprach den glücklichen Neo-Kranzfestsieger auf verschiedene Stichworte an.

Fabian Durrer (links) griff im Schlussgang vehement an, und liess Christian Zemp, dem anderen Überraschungsmann in Kerns, keine Chance

Bild: René Burch

Herzliche Gratulation zum ersten Kranzfestsieg! Wie war die Gefühlslage nach dem Sieg?

«Für mich war es einfach wunderschön! Es kam für mich völlig überraschend, ich habe nie damit gerechnet. Ich realisierte meinen Sieg erst einen Tag später so richtig.»

Welcher Gang war der Schlüssel zum Erfolg? War es der Sieg über Christian Odermatt?

«Ja, das würde ich sagen. Ich bezwang Christian mit einem Schlungg, und bin mit diesem Sieg überraschend in diese Situation gelangt.» 

Du und dein Schlussgang-Partner Christian Zemp haben die Gunst der Stunde in Kerns genutzt. Was ist im Rückblick dein Fazit über das ONKS 2022?

«In Kerns gab es einige faustdicke Überraschungen. Da sich die Favoriten selbst aus dem Rennen genommen haben, kam es zu dieser völlig überraschenden Schlussgang-Paarung. Ich ging am Morgen mit dem Ziel Kranzgewinn an den Start. Nach dem fünften Gang dachte ich, dass ich nicht mal kranzsicher bin. In der Garderobe schauten wir den Livestream von Central TV. Meine Kollegen witzelten noch darüber, dass ich es eventuell in den Schlussgang schaffen könnte. Dann war es plötzlich Tatsache! Meinen Schlussgang-Gegner sah ich während dem ganzen Tag nie schwingen. Ich bekam von meinen Klubkollegen Unterstützung für die Vorbereitung auf den Schlussgang. Von der Tagesform her wusste ich, dass ich den Gang dominieren kann.»

Darf man rückblickend behaupten, dass der Abstand zwischen den Spitzenschwingern und den Mittelschwingern dank gutem Training eindeutig verringert wurde? Weitere Überraschungen sind also vorprogrammiert?

«Ja, ich denke, dass es dieses Jahr noch weitere Überraschungen geben wird. Diese Tatsache ist sicher der Corona-Pandemie geschuldet. Denn: Die Jungen haben gut trainiert, und es drücken nun solche nach, welche man bis anhin noch nicht so gut kannte. Man darf aber auch sagen, dass die lange Pause für einige Eidgenossen sicher schwierig war.»

Stichwort Rückenverletzung: Wie lange konntest du nicht schwingen und trainieren? Seit wann bist du wieder im Training?

«Das letzte Schwingfest, welches ich bestritt, war das ISAF 2019 in Flüelen. Ich habe wegen Rückenbeschwerden seit damals bis zum Dezember 2021 nicht mehr geschwungen. Meinen ersten Wettkampf nach dieser längeren Pause war dann der Frühjahrsschwinget Cham. Die Spezialisten waren sich nicht einig, ob die diagnostizierte Wirbelverletzung angeboren war oder nicht. Das Schwingen war jedenfalls der Auslöser, und ich verspürte grosse Schmerzen, so dass ich nicht mehr schwingen konnte. Ich musste mich keiner Operation unterziehen, mit gezielter Therapie konnte die Verletzung sauber ausheilen.»

Der 22-jährige Zuger meint zum weiteren Saisonverlauf: «Ich werde nun sicher härter eingeteilt, was mich freut.»

Bild: Fabian Durrer

Stichwort Trainingsumfang: Wie sieht dein aktuelles Training aus?

«Ich besuche pro Woche zwei Schwingtrainings. Weiter versuche ich dreimal wöchentlich ein Krafttraining zu absolvieren. Wenn ein Schwingfest auf dem Programm steht, sind es nur zwei Einheiten. Um die Nationalturner von Menzingen haben wir eine Gruppe gebildet, mit welchen ich teilweise das Krafttraining bestreite. Ich praktiziere einige Einheiten aber auch allein.»

Stichwort weiterer Saisonverlauf: Du stehst als Kranzfestsieger nun mehr im Fokus. Was für Gedanken erzeugt das bei dir?

«Das ist schwierig einzuordnen. Ich werde nun sicher härter eingeteilt, was mich freut. Denn ich schwinge lieber mit bekannteren Schwingern. Wenn die Tagesform stimmt, kann ich sicher weiterhin meine Leistung erbringen.»

Stichwort Ziele: Nach dem Kranzfestsieg musst du deine Ziele wohl nach oben korrigieren?

«Ich habe mir für dieses Jahr bereits hohe Ziele gesetzt. Zu diesen gehört unter anderem auch der Gewinn eines Teilverbands- und Bergkranzes. Es ist deshalb schwierig, meine Ziele nach oben zu korrigieren.» 

Stichwort Ausbildung zum Physiotherapeuten: Wo absolvierst du diese und wo stehst du gerade?

«Ich absolviere an der THIM, der internationalen Hochschule für Physiotherapie, ein Vollzeitstudium. Momentan bin ich im ersten Jahr der Ausbildung zum Physiotherapeuten. Ich bin unter anderem durch Pirmin Reichmuth, welcher diese Ausbildung letztes Jahr abschloss, an diese Schule gekommen. Ich pendle dabei zwischen meinem Wohnort Edlibach und Landquart.»

Stichwort Hobbys: Bleiben neben der Ausbildung und dem Schwingsport noch Zeit für Hobbys?

«Das Schwingen ist bereits ein grosses Hobby von mir, und auch das dazugehörige Krafttraining mache ich sehr gerne. Es bleibt aber auch Zeit fürs Töff fahren. Ich bin zudem im Turnverein, diesen vernachlässige ich jedoch momentan ein wenig. Wenn alles gut läuft, möchte ich dieses Jahr zumindest einen Nationalturn-Wettkampf bestreiten. Wegen meinen Rückenbeschwerden konnte ich mich leider auch längere Zeit nicht dem Nationalturnen widmen.»

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