Nachgefragt bei Marcel Bieri, dem Sieger vom Zuger Kantonalen

Text: feldwaldwiesenblogger

Marcel Bieri gewann am letzten Sonntag das Zuger Kantonale in Baar. Es war dies der zweite Kranzfestsieg in seiner Karriere. Auch den ersten Sieg erschwang sich der Edlibacher an einem Zuger Kantonalen (2017, ebenfalls in Baar), auch damals hiess sein Schlussganggegner Christian Schuler. 

Die verspätet gestartete 2021er-Saison begann für den Primarlehrer mit Rang 2b am Stoos-Schwinget verheissungsvoll, ein weiterer Kranzgewinn folgte am «Innerschweizerischen» in Ibach. Auf dem Weissenstein lief es Marcel überhaupt nicht und für den Brünigschwinget musste er wegen einer Finger- und Schulterblessur Forfait geben. Beim Bernisch-Kantonalen Schwingfest startete der 26-Jährige mit einem «Gestellten» gegen Schwingerkönig Kilian Wenger und einem Sieg über Fritz Ramseier gut in den Wettkampf. Doch dann riss der Faden und der Kranzgewinn blieb aus. Die Berg- und Talfahrt von Marcel nahm so richtig Schwung auf und so fuhr der mittlerweile 33-fache Kranzschwinger beim Zuger Kantonalen wieder den Berg hoch.

Der Schwinger-Blog wollte darum von Marcel wissen, wie es zu dieser Berg- und Talfahrt in dieser Saison kam, wie die Vorfreude auf den Kilchberger Schwinget aussieht und ob der Modellathlet seinen Trainingsumfang nach dem ESAF 2019 in Zug verändert hat. Und: Führt Marcel eigentlich eine Datenbank über seine Gegner im Sägemehl? 

Marcel Bieri, der glückliche Sieger vom Zuger Kantonalen in Baar

Bild: Facebook / Tobias Meyer

Herzliche Gratulation zum Sieg beim Zuger Kantonalschwingfest! Wie war die Gefühlslage nach deinem zweiten Kranzfestsieg?

«Ich fühlte mich nach dem Schlussgang-Sieg sehr erleichtert und zugleich gefasst. Ich war zudem überglücklich, denn es liegen zwei Kranzfeste hinter mir, welche nicht optimal verliefen. Es ist für mich eine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg bin.» 

Wie hast du es geschafft, den formstarken und mittlerweile 102-fachen Kranzschwinger Christian Schuler zu bezwingen?

«Ich trainiere häufig in Einsiedeln und bin mit den Schwyzer Schwingern kameradschaftlich verbunden. So habe ich schon etliche Male mit Christian beim Training wie auch an Wettkämpfen geschwungen. Die Begegnungen zwischen uns sind meist attraktiv, denn beide suchen die Entscheidung. Die Bilanz der ausgetragenen Zweikämpfe ist ausgeglichen. In Baar habe ich taktisch geschwungen und liess ihn erst angreifen. Je länger der Gang ging, je mehr sah ich meine Chance kommen. Ich bezwang Christian schliesslich mit Kreuzgriff/Hüfter und links ableeren.»

Deine bisherige Saison gleicht einer kleineren Berg- und Talfahrt. Wie kommt das?

«Ich stand nach dem Gewinn des Eidgenössischen Kranzes mehr unter Druck. Ich muss nun angreifen, denn gewisse Gegner sind inzwischen mit einem Gestellten gegen mich zufrieden. Daher stellte ich meinen Schwingstil um. Auf dem Weisstenstein und am Bernisch-Kantonalen lief es mir darum nicht so gut. Es ist eine reine Kopfsache, ich machte mir zu viel Druck und dachte über unnötige Dinge nach. Vor dem Zuger Kantonalen führte ich mit meinem Athletiktrainer Tommy Herzog ein längeres Gespräch. Dies hat mir enorm Druck weggenommen. Die Quintessenz ist, dass ich nun versuche, Gang um Gang zu nehmen. Eine Floskel zwar, aber dennoch wichtig. Ich konzentriere mich nun jeweils voll auf den nächsten Gang, welcher ansteht, und lege mir eine Strategie zurecht. Ich war bis anhin ein sehr lockerer Schwinger. Nun muss ich lernen, den Kopf beim Schwingen abzustellen. Dies hat mir fürs Zuger Kantonale sehr geholfen.»

Rechtzeitig zum Saisonhöhepunkt bist du wieder in Topform. Wie sieht die Vorfreude auf den Kilchberger Schwinget aus?

«Ich habe noch nie am Kilchberger Schwinget teilgenommen und schaute kürzlich die Statistik vom Anlass von 2014 an. Spannend, denn man bekommt es da fast nur mit Eidgenossen zu tun und Schonung gibt es in keinem Gang. Solche Schwingfeste habe ich gern, denn es zählt nur der Sieg. Der Druck betreffs Kranzgewinn fällt weg und man kann unbeschwert schwingen. Es wird darum an solchen Anlässen offensiver Schwingsport geboten. Ich hoffe, dass ich für den Kilchberger Schwinget selektioniert werde. Es ist ein Privileg und eine Ehre, an diesem Traditionsanlass teilnehmen zu dürfen. Apropos Topform: Ich bin noch nicht ganz topfit. Am Stoos-Schwinget in Ibach erlitt ich eine Verletzung am Mittelfinger. Ich hoffe, dass sie bis zum Saisonhöhepunkt vollständig verheilt ist.»

Welche Schwingfeste wirst du vor dem Kilchberger Schwinget noch bestreiten?

«Das nächste Schwingfest ist das Ob- und Nidwaldner Kantonalschwingfest an diesem Wochenende. Zudem starte ich am 12. September beim Luzerner Kantonalschwingfest. Um meinen Finger zu schonen, werde ich vermutlich an keinem Rangschwingfest teilnehmen.»

Marcel Bieri sagt: «Vor dem Zuger Kantonalen führte ich mit meinem Athletiktrainer Tommy Herzog ein längeres Gespräch. Dies hat mir enorm Druck weggenommen.»

Bild: Facebook / Tobias Meyer

Der Schwinger-Blog hat kürzlich in einem Beitrag versucht, die momentane Situation des Innerschweizer Schwingerverbandes mit den vielen Verletzten und angeschlagenen Schwingern zu ergründen. Ein Punkt dabei war die unglückliche Schwingfestplanung. Was ist deine Meinung zu diesem Thema?

«Ich finde nicht, dass es eine unglückliche Planung war. Unglücklich wäre gewesen, wenn keine Kranzfeste stattgefunden hätten und nicht geschwungen worden wäre. Bei zwei Saisons ohne Schwingfeste wäre die Motivation wohl bei vielen abhandengekommen. Ich finde es schön, wie sich die Organisatoren grosse Mühe machen, um die Schwingfeste zu organisieren. Der Umsatz ist wegen dem Fehlen der Zuschauer zudem viel geringer. Sie alle machen das Beste aus der jetzigen Situation.»

Fallen die verletzungsbedingten Lücken beim Kadertraining hinsichtlich des Kilchberger Schwingets gross ins Gewicht?

«Es ist schwierig, eine klare Antwort darauf zu geben. Kadertrainings fanden bis jetzt noch nicht viele statt. Ja, in dieser Saison gab es mehr Verletzte als auch schon. Das könnte durchaus einen Einfluss auf den Kilchberger Schwinget haben. Ich beobachte zwar, dass trotzdem etliche Topschwinger an den Schwingfesten teilnehmen, diese werden dann auch in Kilchberg dabei sein. Andererseits ist es eine Chance für die Jungen, für den Kilchberger Schwinget nominiert zu werden.»

Hast du deinen Trainingsumfang nach dem ESAF 2019 in Zug gleich behalten, verändert oder gar vergrössert?

«Vergrössert nicht, aber verändert. Neu trainiere ich einmal pro Woche beim bereits angesprochenen Athletiktrainier Tommy Herzog. Zudem höre ich mehr auf meinen Körper und gebe ihm Zeit, die Blessuren auszukurieren. Weiter ist mein Schwingtraining ein kleinerer Balanceakt. Ich trainiere nun öfters auswärts, so unter anderem mit den Schwyzern oder mit den Gebrüdern Reichmuth. Ich möchte aber meinen eigenen Schwingklub Aegerital nicht vernachlässigen und absolviere alle zwei Wochen ein Training mit ihnen. Und: Ich darf nun auch den Spitzensport-WK in Magglingen besuchen und habe so die Möglichkeit bis fünf Wochen pro Jahr dort zu trainieren.»

Führst du eigentlich eine Art Datenbank betreffs der Stärken und Schwächen deiner Gegner im Sägemehl? Oder hast du das alles im Gedächtnis abgespeichert?

«Eine Datenbank führe ich nicht. Viele Schwinger kennt man aus eigener Erfahrung und durch die Beobachtung an Schwingfesten. Ich habe deren Schwingweise in meinem Gedächtnis abgespeichert. Wenn ich einen Schwinger nicht kenne, frage ich beispielsweise den Technischen Leiter und hole mir so vor einem Gang wichtige Tipps ab. Zudem schaue ich gerne bei Zwilch.ch nach, um in Erfahrung zu bringen, wie oft und wie ich gegen einen bestimmten Gegner geschwungen habe. Ich kenne Schwinger, welche hinsichtlich Resultate und Noten wandelnde Lexika sind.»

Wie gross sieht dein Pensum als Primarlehrer aus? Und: Bleibt da noch Zeit für Hobbys neben dem Schwingsport?

«Ich arbeitete bis 2020 in einem 80 Prozent-Pensum als Primarlehrer. Nun habe ich mein Pensum auf knapp 100 Prozent erhöht. Ich habe aufs neue Schuljahr hin zudem in einer neuen Schule angefangen. Nebst dem Schwingsport habe ich tatsächlich nicht viel Zeit für andere Hobbys. Mein Wochenplan ist jeweils voll mit Arbeit und Trainings. Immerhin: Ich versuche einmal pro Monat mit einem Kollegen ein Tennis-Match zu spielen, und ich nehme mir auch etwas Zeit für den Ausgang mit meinen Kollegen. Ich finde das aber überhaupt nicht schlimm, denn der Schwingsport ist meine Leidenschaft.»

feldwaldwiesenblogger

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