Schwingen in Randregionen: Schwingklub Engadin –Teil 2

Beim Teil 1 erklärte ich meine Absicht, sich den beiden schwingerischen Randregionen Engadin und Tessin zu widmen. In drei Teilen wird als Erstes der Schwingklub Engadin mitsamt seinen Problemen etwas näher gebracht.
Im ersten Teil erwähnte ich meine Reise ins Engadin und stellte meinen Interviewpartner, den Technischen Leiter Bernie Locher, vor. Bernie ist ein Berner und schon seit 26 Jahren im Oberengadin zuhause. 2011 gründete er zusammen mit ein paar Kollegen den Schwingklub Engadin. Bei meinem Besuch erfuhr ich auch etwas über das Einzugsgebiet ihres Schwingklubs und eines der bisherigen Highlights: 2012 durfte mit Men Camichel ein Jungschwinger des Schwingklubs Engadin beim Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag (ENST) in Hasle-Entlebuch LU starten.
Beim zweiten Teil handelt es sich um einen Interview-Teil. Bernie gab mir zu verschiedenen Fragen interessante Einblicke in den Schwingsport-Alltag im Engadin.

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Bernie Locher beim Gespräch im Restaurant des Serlas-Parks
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Gibt es eine Schwingtradition im Engadin? Ehemalige bekannte Schwinger?
In den 1950iger- und 1960iger Jahren wurde im Engadin mal geschwungen. Einerseits vom Militärdienst her, andererseits von Bauern vom Plantahof in Landquart. Sie hatten damals sogar einen Schwingklub in St. Moritz. Das Schwingen wurde vor allem im Zusammenhang mit dem Nationalturnen ausgeübt. Diese Athleten gewannen gar Kränze im Nationalturnen. Turner gab es nämlich schon immer im Engadin. Irgendwann fand hier aber kein Schwingsport mehr statt. Und: Einen Engadiner Schwingerkranz gab es bis heute noch keinen zu feiern.
Ich kann dir keinen ehemaligen bekannten Schwinger aufzählen. Zwei Carpanettis vom Unterengadin haben einst geschwungen. Der eine von ihnen unterstützte uns anfänglich beim Training. Beide sind aber nicht mehr aktiv. Was die anderen Bündner Schwingklubs uns voraushaben, fehlt uns leider: Nämlich bekannte Kranzschwinger oder sogar Eidgenossen.
Übrigens: Der Schwingklub Flims (mit dem Eidgenossen Reto Attenhofer) hat zurzeit keine Jungschwinger. Was beweist, dass andere Schwingklubs auch Probleme haben.

Ist der Schwingsport im Engadin verankert?
Nein, das ist er nicht. Wir sind daran, das zu ändern. Nächstes Jahr findet bei uns am 1. Juli in S-chanf auf dem FLAB-Militärplatz das Bündner-Glarner Schwingfest statt. Unser Schwingklub darf diesen Anlass organisieren.
In Silvaplana fand 2012 das Nordostschweizerische Teilverbandsfest vor 4‘800 Zuschauern statt (1a Matthias Sempach, 1b Daniel Bösch). Viele Zuschauer kamen von aussen. Aber auch Engadiner kamen ans Schwingfest. Diese sind aber vom Schwingsport nicht so angefressen wie beispielsweise die Prättigauer.

Wird der Schwingklub Engadin in der Bevölkerung wahrgenommen?
Doch, schon. In der Lokalpresse haben wir jeweils Schwingfest-Berichte von unseren Jungschwingern. Die meisten Leute wissen, dass hier auch geschwungen wird. Hier gilt das Hauptaugenmerk aber dem Wintersport. Und: Das Interesse für das Schwingen ist etwa gleich gross wie für den Fussball.

Wie sieht die Zukunft des Schwingsportes im Engadin aus?
Was soll ich sagen? So rosig sieht es leider nicht aus. Wenn wir diesen Level halten können, ist es gut. Wir dachten, dass es nach dem Eidgenössischen einen kleinen Boom geben wird. Dieser blieb aber bisher aus. Wir fragen jeweils auch bei den Schulen nach. Danach kommen wieder zwei oder drei Schüler, und machen für ein Jahr mit. Es ist einfach ein extremer „Chrampf“ und eine schwierige Situation. Uns fehlen einfach zwei oder drei Aktive, die es durchziehen. Ich bin skeptisch, hoffe aber, dass es bald besser wird. Am Anfang hatten wir mehr Jungschwinger. Da war alles neu. Dann gingen wir an den ersten Bubenschwinget nach Davos-Sertig und schon war einer von uns im Schlussgang. Seit der Klubgründung standen fünf oder sechs unserer Jungschwinger in einem Schlussgang. Leider hat noch keiner gewonnen. Zweige hingegen haben wir schon einige geholt.
Einen Schwinger-Schnuppertag haben wir zudem an unserem Bubenschwinget ausgeschrieben. Während der Jagdsaison anfangs September, wenn der offizielle Eidgenössische Schwinger-Schnuppertag wäre, würde bei uns niemand kommen. Deshalb führten wir unseren Schnuppertag am 8. Oktober an der Viehausstellung in Zernez durch.

Wie sieht die Unterstützung vom Bündner Kantonalen und vom Nordostschweizerischen Schwingerverband (NOSV), wo ihr angegliedert seid, aus? Spürt ihr auch Unterstützung von Seiten des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV)?
Vom Bündner Kantonalen Schwingerverband und vom NOSV bekommen wir alle Informationen und jegliche Unterstützung wie die anderen Klubs auch. In erster Linie nicht finanziell. Wir bekommen einfach, was uns zusteht. Unser Schwingklub hat 150 Passivmitglieder. An Geld fehlt es uns nicht. So können wir mit unseren Jungschwingern auch auswärts übernachten, wenn der Weg für ein Schwingfest zu weit sein sollte.
Wir kennen alle Bündner Schwingklubs gut und werden von ihnen auch eingeladen. Wir könnten zum Beispiel zu anderen Schwingklubs trainieren gehen und deren Infrastrukturen nutzen. Das ist aber vom Weg her einfach schwierig. Dafür brauchst du Leute, die Zeit für die Autofahrten hätten.
Wir bekommen vom ESV alle Informationen und Unterlagen, welche wir benötigen. Für die Anmeldungen habe ich beim Extranet auch Zugriff.
Es liegt eigentlich nur an uns, wenn wir etwas nicht tun oder lassen.

An dieser Stelle brachte Bernie noch einige interessante Anregungen an: Der ESV könnte auch mal über die schwingerischen Randregionen wie die Oberwalliser, Tessiner und uns in der Schwingerzeitung oder in anderen Zeitungen berichten. Weiter könnten sie mit uns drei Randregionen zusammensitzen. Mit uns besprechen, was wir unternehmen könnten, das uns vorwärts brächte und uns mehr Nachwuchsschwinger bescheren würde. Wir haben schon Ideen. Aber man kann die Eltern schliesslich nicht zwingen, die Kinder ins Schwingtraining zu bringen.
Schön wäre es, wenn der ESV für uns drei „Randregiönler“ ein Weekend organisieren würde, wo wir gemeinsam trainieren und Erfahrungen austauschen dürften. Und vielleicht sogar noch ein gemeinsames Schwingfest durchführen könnten. Ich denke, die Oberwalliser, Tessiner und wir haben nämlich wirklich die gleichen Probleme.

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Der kleine, aber feine Schwingkeller im Serlas-Park
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Sind die relativ weiten Distanzen zu benachbarten Bündner Schwingklubs und allgemein im NOSV-Verbandsgebiet eure grössten Problempunkte? Welche anderen Schwierigkeiten kennt ihr noch?
Die Distanzen sind unser Hauptproblem. Wir müssen bei Schwingfesten ausserhalb des Kantons für eine Übernachtungsmöglichkeit sorgen. Die Tage wären sonst viel zu lang für die Jungschwinger. Wir fahren jeweils am Freitagabend ab, da die Nachwuchsschwingertage am Samstag durchgeführt werden. Innerhalb von Graubünden fahren wir gleichentags hin und zurück.
In unserem Vorstand konnten wir zwar jeden Posten besetzen und wir haben auch ein gutes Einvernehmen untereinander. Leider sind nicht alle Mitglieder gleich engagiert und motiviert, ihr Amt auszuführen. Da muss man immer dran bleiben. Es könnte einfacher sein, denn ich bin mir von diversen Schwingklubs anderes gewohnt.

Wie steht’s um euren Nachwuchs? Wie sehen die Zahlen aus?
Am Anfang waren wir um 17 Jungschwinger. Zurzeit haben wir etwa vier bis sechs Jungschwinger, im Alter von 8 bis 14 Jahren. Aktive haben wir momentan keine.

Wo bestritten eure Jungschwinger dieses Jahr Schwingfeste? Gab es Zweiggewinne zu feiern?
Ja, zwei Zweige konnten wir feiern. Dieses Jahr nicht so viele wie in anderen Jahren. Wir nahmen nicht an allen für uns möglichen Kantonalen teil. Stattdessen besuchten unsere Jungschwinger sechs Bubenschwinget. In der Nordostschweiz gibt es eben keine Zweige an diesen Anlässen, nur an den Kantonalen. Andere Jahre gewannen unsere Nachwuchsschwinger auch schon sechs oder sieben Zweige. Dazu gilt zu erwähnen, dass wir diese Ausbeute mit den gleichen Jungschwingern erreichten. Es schwingen gewöhnlich immer zwei Jahrgänge zusammen. Somit ist klar, dass die Burschen weniger Zweige gewinnen, wenn sie mit älteren zusammengreifen müssen. Das spürt man einfach. Die vier bis sechs Jungschwinger, welche wir zurzeit haben, sind seit 2011 dabei. Diese sind teilweise die Söhne von Vorstandsmitgliedern.
Im Monat März fand das erste Schwingfest statt, und zwar in Trimmis GR. Später folgten bereits die ersten Kantonalen, wie der Bündner Kantonale Nachwuchsschwingertag, welcher im April war. Wir sind an vier Kantonalfesten startberechtigt: Nebst dem Bündner sind dies das Glarner, Zürcher und Appenzellisch Kantonale. Wir besuchen gewöhnlich um acht bis zehn Schwingfeste pro Jahr.

Wurden die Ziele für 2016 erreicht?
Sie wurden teilweise erreicht. Vom schwingerischen Aspekt her haben wir unsere Ziele erreicht. Hingegen von der Anzahl Jungschwinger nicht, wir wünschen uns mehr. Drei oder vier zusätzliche Sägemehlsportler wären schön.
Wie bereits erwähnt: Zwei Zweige haben wir geholt. Und ein Schwinger, welcher noch keinen Zweig gewann, kommt diesem Ziel immer näher. Mit den erreichten Resultaten unserer Jungschwinger sind wir zufrieden.

Gab es dieses Jahr auch Schwingfeste im Engadin?
Nebst unserem Klub-Schwinget, welches wir jedes Jahr durchführen, keines. Dieses fand am 20. August statt. Zu diesem Anlass laden wir jeweils den Schwingklub March-Höfe und die Bündner Klubs ein. Es sind jeweils zwischen 40 und 50 Buben am Start. Dieses Jahr waren weniger dabei, da am selben Tag der St. Galler Kantonale Nachwuchsschwingertag stattfand. Die Schwyzer kamen übrigens mit 20 Jungschwingern. Der Schwingklub March-Höfe lädt uns auch an ihr Schwingfest ein.

In diesem Beitrag erzählte uns Bernie Locher von den Problemen, mit welchen der noch junge Schwingklub Engadin zu kämpfen hat: „Es ist einfach ein extremer „Chrampf“ und eine schwierige Situation.“
Die Schwierigkeiten sind mir mittlerweile bewusst. Das Engadin ist wohl einer der schönsten Flecken der Schweiz. Die Distanz zu der „Schwinger-Schweiz“ ist sehr gross und die geografische Lage spricht eher für eine Wintersport- und Wander-Gegend. Trotzdem: Das Schwingsport-Virus wurde vom Bernbiet ins Oberengadin importiert und beginnt nun zu keimen. Einige Bewohner wurden inzwischen davon in Beschlag genommen. Damit das junge Pflänzchen am Leben bleibt, braucht es viel Geduld, Zeit, Idealismus und Input von aussen. Bernie’s Anregung an den ESV ist in meinen Augen mehr als eine Überlegung wert: Ein gemeinsames Weekend der „Randregiönler“, um zu trainieren, Erfahrungen auszutauschen und ein Schwingfest abzuhalten.

Beim dritten und letzten Teil über den Engadiner Schwingsport geht es inhaltlich unter anderem um die Ziele für 2017, Trainingsmöglichkeiten und Motivation. Weiter um Bernies Zeit-Investition für das Schwingen und was er sich wünscht.

feldwaldwiesenblogger

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