Schwingen in Randregionen: Schwingklub Engadin –Teil 1

Zu den Randregionen im Schwingsport gehören das Oberwallis, der Kanton Tessin und das Engadin. Über das Schwingen im Oberwallis wurde in der SCHLUSSGANG-Nummer 18 vom 17. November 2015 „Gornergrat-Schwinget verfehlte Wirkung“ berichtet. Auszug aus dem SCHLUSSGANG-Artikel: „Abhängigkeit von Einzelkämpfern – Trotz diesen erfreulichen Absichten im Wallis gelten Rolf Nussbaum in Leukerbad wie auch Bernhard Locher im Engadin und Edi Ritter im Tessin weiterhin als Einzelkämpfer. «Vieles hängt von ihnen ab und wenn es dereinst darum geht, für ihren immensen Aufwand einen Nachfolger zu finden, scheitert es vielerorts», gibt Manfred Schneider zu bedenken und ergänzt: «Die Leistungen in den Randgebieten werden zu wenig gewürdigt.»“

Als ich diese Zeilen las, keimte in mir die Idee, sich diesem Thema ebenfalls zu widmen. Die Ausführung brauchte allerdings einige Zeit, denn während der aktiven Wettkampfzeit setzte ich meine Prioritäten anders. Nun haben wir Herbst und der Schwingsport macht nun eine wohlverdiente Wettkampfpause. Eine gute Gelegenheit, sich zwei schwingerischen Randregionen zu widmen: dem Engadin und dem Tessin. Das Oberwallis lasse ich deshalb aussen vor, da es bereits in der erwähnten Schwingerfachzeitung thematisiert wurde. Kürzlich, im Frühherbst, fuhr ich ins Engadin und ins Tessin.

Reise ins Engadin
Der Schwingklub Engadin hat sich im Oberengadin, genauer gesagt in S-chanf, einen kleinen Schwingkeller eingerichtet. Dieser befindet sich im Serlas-Park, in einem separaten Raum neben der Tiefgarage. Laut Angabe auf der Serlas-Homepage ist Linard Godly der Präsident und Bernhard Locher der Technischer Leiter vom Schwingklub Engadin. Am 20. September traf ich mich beim besagten Serlas-Park mit Bernie Locher. Da er sich selber so nennt und er auch auf der entsprechenden Homepage so aufgeführt ist, werde ich ihn in der Folge auch „Bernie“ nennen.
Anwesend waren an diesem Dienstagabend nebst dem Technischen Leiter auch der Trainingsleiter Dani Sutter und die drei Jungschwinger Severin, Nico und Jens. Vorstandsmitglied Rico Melcher sass beim Gespräch ebenfalls am Tisch. Dienstag ist nämlich immer Schwing-Training, laut Bernie einmal pro Woche.

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Bernie Locher beim Gespräch im Restaurant des Serlas-Parks
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Bernie Locher stammt aus dem Bernbiet
Bernie, der Technische Leiter, stammt von Heiligenschwendi bei Thun. Er ist dort aufgewachsen und hat als Jungschwinger beim Schwingklub Thun geschwungen. Der Berner Oberländer wurde schon seit Kindsbeinen an mit dem Schwing-Virus infiziert. Mit 16 Jahren hat er mit dem aktiven Schwingsport aufgehört, blieb diesem aber seither in anderen Funktionen treu.
Bernie hat als Jungschwinger einige Male mit dem berühmten Hanspeter Pellet zusammen gegriffen. Beide sind übrigens gleich alt. Zu seiner Jungschwingerzeit schwang der Thuner unter anderem auch mit Urs Matter, Res und Adrian Hadorn, Christian von Weissenfluh oder Adrian Käser. Ihre Vorbilder waren damals die etwas älteren Heinz Mühlethaler oder Johann Santschi. Bernie ist immer noch Passivmitglied vom Schwingklub Thun und hat mit einigen von ihnen noch Kontakt.

Durch Zufall verschlug es den schwingbegeisterten Berner ins Engadin. Nach der Rekrutenschule wollte er von zuhause fort, entweder ins Wallis oder ins Bündnerland. Bernie kam dann ins Bündnerland und fand im Prättigau als Metzger eine Anstellung. Später übersiedelte er ins Engadin, wo es ihm so gut gefiel, dass er blieb. Der ausgebildete Metzger ist nun seit 26 Jahren im Oberengadin zuhause. Vor 15 Jahren gründete er in Zuoz, eine Nachbargemeinde von S-chanf, eine eigene Metzgerei.
Bernie spricht immer noch einen kernigen Berner Dialekt. Wenn es die Zeit zulässt, fährt er hin und wieder ins Bernbiet, um Schwingfeste zu besuchen. Das Eidgenössische Schwingfest steht jeweils immer fett angestrichen in seiner Agenda. Zu diesen nimmt er inzwischen auch seine Engadiner Kollegen mit, welche sich vom Schwingsport-Virus ebenfalls anstecken liessen.

Die Gründung des Schwingklubs Engadin
Der Schwingklub Engadin wurde 2011 gegründet. Bernie dazu: „Schon 2008 organisierte ich mit zwei Kollegen ein Schwingfest – einen Schwinget für jedermann. Seit damals fanden etwa vier solcher Anlässe statt. Wir richteten dazu einen Sägemehlplatz her. Es nahmen jeweils um 15 bis 20 Personen (Erwachsene und Kinder) teil. Da ich einige Leute kannte und wir interessierte Buben hatten, nahmen wir die Schwingklub-Gründung in die Hand. Den Klub habe ich zusammen mit ein paar Kollegen gegründet. Wir vom jetzigen Vorstand sind mehrmals zusammen gesessen und haben Nägel mit Köpfen gemacht. Ich habe das unbedingt gewollt. Mein Sohn, zwei Knaben von einem anderen Vorstandsmitglied und noch weitere wollten unbedingt schwingen. Nach der Gründung suchten wir einen geeigneten Schwingkeller. Der Bündner Kantonale Schwingerverband nahm uns in der Folge als achten Schwingklub auf.“

Die Klub-Gründung fand in den Bündner Zeitungen Erwähnung. Später waren im SCHLUSSGANG auch zwei Berichte über den Schwingklub Engadin zu finden. An diesen Anlass kamen viele Interessierte.
Schwingerkönig Thomas Sutter war der Götti bei der Gründung des Schwingklubs und leitete an diesem Tag auch ein Probe-Training. Sutter ist ein guter Kollege von Bernie, und sie haben auch geschäftlich miteinander zu tun. Bernie: „Er hilft uns weiterhin. Wenn ich ein Problem habe, kann ich ihm telefonieren, und er weiss stets Rat. Es ist ihm klar, dass bei uns eine schwierige Situation vorherrscht.“

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Die Jungschwinger Severin, Nico und Jens sowie Trainigsleiter Dani Sutter beim Training im kleinen Schwingkeller
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Das Einzugsgebiet vom Schwingklub Engadin
Der Technische Leiter sagt dazu: „Wir würden eigentlich das ganze Engadin abdecken, von Silvaplana bis Schuol. Aber das Einzugsgebiet liegt schwerpunktmässig hier im Oberengadin. Als wir anfingen, hatten wir etwa 17 Jungschwinger im Training. Da wir zum Trainieren leider nicht so viel Platz zur Verfügung haben, bildeten wir sogar drei Trainingsgruppen (zwei Jungschwinger- und eine Aktiven-Gruppe). Am Anfang kam ein Jungschwinger sogar von Silvaplana, zwei von Zernez, und auch jemand von Brail. Wir hatten mal einen Schwinger aus dem Münstertal. Aber bis der junge Bursche bei uns im Training war, musste er eine Stunde fahren. Wir zählten sogar einige Aktive (16- und 17-Jährige). Aber die Aktiven sollten halt einmal pro Woche zu anderen Schwingklubs ins Training gehen können. Als sie in die Berufslehre kamen und erste Freundinnen hatten, begann es zu harzen. Sie hängten die Schwinghosen leider wieder an den Nagel.“
Heute liegt der Durchschnitt bei fünf bis sechs Jungschwingern. Die Jungschwinger vom Schwingklub Engadin sind polysportiv. Neben dem Schwingen spielen sie Hockey, fahren Ski oder betreiben Langlauf. Bei den Jungschwingern hat es Standschwinger, aber auch Bodenschwinger.

Nebst dem Jungschwingertag beim Schwyzer Schwingklub March-Höfe sind die Engadiner Schwinger auch zu Jungschwingertagen im Bernbiet eingeladen. 2016 waren sie in Trub. Die Jahre vorher wurden sie vom Schwingklub Münchenbuchsee zu ihrem Jungschwingertag eingeladen. An jenem Anlass nehmen die Mittelländer, Seeländer und Emmentaler Jungschwinger teil. Die Beziehung zu den Bernern läuft über die Churer. Beim vorletzten Jungschwingertag vom Schwingklub Münchenbuchsee machten die Churer keinen Zweig, die Engadiner hingegen einen. Bernie dazu: „Da ich als Berner weiss, wie sie dort schwingen, kann ich unsere Jungschwinger gezielt auf sie einstellen.“

Ein Jungschwinger am Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag (ENST) von 2012
Beim ENST 2012 in Hasle-Entlebuch LU konnte mit Men Camichel sogar ein Schwinger vom Schwingklub Engadin starten. Dieser war damals unter anderem mit Armon Orlik und einem weiteren Bündner zusammen am Start. Bernie hat ihn als Betreuer an den ENST begleitet. Men hat leider ein Jahr später im Alter von 17 Jahren seine Schwingsport-Karriere beendet. Wie Bernie erklärte, war er damals ähnlich gut und stark unterwegs wie Orlik, von der Statur her sogar noch etwas grösser. Der junge Engadiner war ein Super-Talent, hat dann leider zum Eishockey gewechselt, und spielt nun beim Eishockeyclub St. Moritz.
Übrigens: Men besiegte einst im zweiten Zug den Berner Kantonalkranzer Heinz Habegger beim Davoser Sertig-Schwinget. Bernie ergänzte: „Er gehörte zu den zwei oder drei Zugpferden, die wir damals hatten. Diese haben leider mit dem Schwingsport aufgehört.“ Die Teilnahme von Men Camichel am ENST 2012 war bisher eines der Highlights des Engadiner Schwingklubs.
Die Engadiner hatten in ihren Reihen bisher auch zwei oder drei Schwinger, welche das Maximum an Zweigen an den Jungschwingertagen gewannen.

Aus dem Besuch im Oberengadin sammelte ich so viele Informationen, dass ich mich für drei Teil-Beiträge entschied. In nächster Zeit folgen der zweite und dritte Teil, bei welchen deutlich ersichtlich wird, mit welchen Problemen der noch junge Schwingklub Engadin zu kämpfen hat.

feldwaldwiesenblogger

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