Schwingsport im Tessin: Gründung des Kantonalen Schwingerverbandes (Teil 1)

Wie das Engadin oder das Oberwallis zählt man auch das Tessin zu den Randregionen im Schwingsport. Nach dem Besuch im Engadin fuhr ich auch ins Tessin. Im Centro Sportivo in Tenero traf ich mich mit Edi Ritter. Der schwingbegeisterte Mann ist Präsident sowie Technischer Leiter Aktive und Jungschwinger des Tessiner Kantonal Schwingerverbandes. Edi ist im Baselbiet aufgewachsen, hat aber familiäre Wurzeln im Tessin. 2001 zog er in die Sonnenstube und liess sich dort nieder.

Kein Unbekannter in der Schwingerszene
Der bald 66-Jährige war selber Schwinger, Nationalturner und Ringer. In der Sportart Ringen kam er in jungen Jahren zu Kranz- und Medaillenehren. Nach seiner Aktivkarriere war Edi Jungschwinger-Leiter, Technischer Leiter und Vorstandsmitglied beim Schwing-Klub Pratteln. Später wurde er Kampfrichter, irgendwann sass der der gebürtige Berner-Seeländer im Kantonalvorstand und schaffte es bis zum Kantonalpräsidenten. Seit 1999 ist der schnauzbärtige Mann Doping-Kommissionspräsident des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV). Dieses Amt hat er noch bis Ende Jahr inne. Edi ist sogar ESV-Ehrenmitglied und ist seit praktisch 50 Jahren dem Schwingsport verbunden.

In loser Folge berichte ich in nächster Zeit über den Schwingsport im Tessin und was ich beim Interview mit Edi Ritter erfuhr.

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Edi Ritter im Trainingslokal auf dem Campus des Centro Sportivo
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Seit wann gibt es den Kantonalen Schwingerverband Tessin? Wer hat ihn gegründet?
Edi erklärt: „Den Schwingerverband Tessin gibt es seit 2012. Gegründet wurde er von zwei Elternteilen von Jungschwingern, welche 2011 mit dem Schwingen begannen, und mir. Diese jungen Sportler sind übrig geblieben nach der Sportissima im Jahr 2011. Die Sportissima findet jedes Jahr am ersten Septembersonntag hier auf dem Gelände des Centro Sportivo statt. Dabei können bis zu 47 verschiedene Sportarten ausprobiert werden. 2009 bot ich an der Sportissima zum ersten Mal die Sportart Schwingen an. 2010 machte ich das wieder und nach der Sportissima 2011 sind vier junge Sportler geblieben, welche weiterschwingen wollten. Ich sagte zu ihnen: Wenn ihr am nächsten Mittwoch mindestens zu viert kommt, trainiere ich mit euch. Es kamen dann fünf Interessierte. Darauf haben wir während dem ganzen nächsten Winter geschwungen. Zwischen Weihnachten und Neujahr schrieben wir die Statuten. 2012 konnten wir auf Anfrage beim Innerschweizerischen Schwingerverband (ISV) bei einem Jungschwingertag teilnehmen. Ich habe in der Folge die fünf Jungschwinger versichert und wir gründeten den Tessiner Schwingerverband. Als Angehörige des ISV wurden wir probeweise bis 2018 aufgenommen, dies ohne Einschränkungen. Ganz im Gegenteil: Ich bin im ISV-Vorstand und in der Technischen Kommission der Jungschwinger. Ich habe wohl kein Stimmrecht, was aber nicht heisst, dass ich kein Rederecht habe. Wir dürfen auch an sämtlichen Anlässen teilnehmen.“

Wieso wurde gleich ein Kantonaler Schwingerverband gegründet, und nicht bloss ein Klub?
„Das ist ganz bewusst so. Als wir diesen gründeten, habe ich darauf gedrückt, dass wir ein Kantonalverband werden“, erläutert Edi. Und weiter: „Wenn du von Norden nach Süden fährst, hat es in Bellinzona drei Burgen: Uri, Schwyz und Unterwalden. Dort drin haben die Landvögte gewohnt. Diese haben über Jahrhunderte die Tessiner geknechtet. Den Tessinern hat das natürlich nicht gepasst, und sie konnten sich nicht befreien. Wir hätten uns als Klub auch den Urnern anschliessen können. Ich weiss, dass die Urner uns nicht „gevogtet“ hätten. Aber um das Selbstbewusstsein der Tessiner zu stärken, habe ich klar gesagt: Wir machen einen eigenen Verband, auch wenn er noch so klein ist. Schaffhausen, Genf und Basel-Stadt haben übrigens ebenfalls kleine Kantonalverbände. Die Basel-Städter haben sogar weniger Schwinger als wir. Zudem spielten auch zwei wichtige Überlegungen mit: Wenn wir mal dabei sind, haben wir unser Stimmrecht und bei Grossanlässen profitieren wir auch vom Ticket-Verteiler.“

Im Tessin wurde in der Vergangenheit auch schon geschwungen
Eine Schwingtradition gibt es im Tessin nicht. Es gab aber Deutschschweizer, welche einst in der Sonnenstube schwangen. Dies waren vorwiegend solche, welche bei der Bahn arbeiteten und 1922 den Schwingklub Airolo gegründet haben. Wie mir Edi erzählte, wurde um 1895 auch in Bellinzona dem Schwingsport gefrönt, und es soll dort auch mal einen Schwingklub gegeben haben. Diese Angaben finden sich übrigens in der Chronik zum 100-jährigen Bestehen des Innerschweizerischen Schwingerverbandes. Als die Bahnarbeiter in ihre angestammten Lande in der Deutschweiz zurückkehrten, war es mit der Schwingerei im Tessin vorbei. Denn: Sowohl in Airolo wie auch in Bellinzona schwangen scheinbar keine Einheimischen mit. In den alten Schriften kann man auch nachlesen, dass Edi nicht der Erste vom Tessin ist, welcher Einsitz im ISV-Vorstand nimmt. Ein Herr Motta soll nämlich dereinst dem Gremium angehört haben.
Wie wir nun wissen, war Edi Ritter massgeblich daran beteiligt, dass das Schwingen im Tessin wieder belebt wurde. 1937 und 1971 fanden zudem Propaganda-Schwingfeste im Tessin statt. Edi ergänzt: „Diese Feste waren nicht nachhaltig. Es muss aber jemand sein, der das weiterträgt. Denn ein Fest organisieren ist das eine. Die Zukunft des kleinen Schwingerverbandes sind unsere Schwinger. Wenn diese ebenfalls vom Schwing-Virus befallen werden wie ich, dann geht das weiter. Die jungen Tessiner wachsen nun langsam in den Schwingsport hinein.“

Ist Edi Ritter ein Einzelkämpfer im Tessin?
Im SCHLUSSGANG (Nummer 18 vom 17. November 2015) konnte man unter anderem lesen, dass Edi ein Einzelkämpfer ist, und vieles von ihm abhängt. Wie sieht er das? Würde ohne ihn nicht viel laufen? Edi erläutert: „Man müsste die Frage vielleicht so stellen: Sollte ich an einem Herzinfarkt sterben, würden die Jungs nächsten Mittwoch ins Schwingtraining gehen? Würde die festgelegte Generalversammlung vom kommenden Dezember durchgeführt? Ich meine ja. Wenn jemand unseren Sport kennt, dann weiss er, dass nicht nur Sägemehl, Schwinghosen, zwei Schwinger, drei Kampfrichter und ein Verpflegungsstand dazugehören. Das braucht viel mehr dazu. Wir haben zudem ganz klare Strukturen auf den verschiedenen Verbandsebenen. Von diesen Strukturen soll man, will man und kann man nicht abweichen, denn sie funktionieren. Das sind natürlich Dinge, welche die Jungen noch zu wenig sehen und kennen. Sie sind erst seit drei oder vier Jahren dabei. Aber: Man sieht am Beispiel von den beiden jungen Aktiven Lorenzo Mignola und Loris Di Pietro, dass der Schwingsport im Tessin weitergetragen wird. Ich habe sie nicht überreden müssen, einen einwöchigen J+S-Basiskurs zu besuchen, damit sie später Trainings leiten können. Das ist ein Schritt vorwärts. Das heisst, die beiden werden künftig immer mehr vom Technischen übernehmen. Lorenzo teilt mit mir bereits die Instruktor-Aufgaben hier im Centro Sportivo. Das ist die Zukunft, und sie haben bereits den Schwingsport-Virus.“

Der Tessiner Schwingerverband zählt mittlerweile 151 Mitglieder. Etwa 55 Prozent der Mitglieder sind Tessiner, 45 Prozent Deutschschweizer von ennet dem Gotthard. Unter den Deutschschweizer Mitgliedern befinden sich acht Eidgenössische Ehrenmitglieder, auch aus anderen Teilverbänden. „Das ist einfach eine tolle Sache, dass diese uns unterstützen“, schwärmt Edi. „Das Interesse an unserem Schwingerverband ist in der Deutschschweiz sehr gross.“

feldwaldwiesenblogger

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