Stefan Burkhalter könnte auf der Rigi zum Hunderterklub aufsteigen – Ein Gespräch

Text und Fotos: feldwaldwiesenblogger

Der Turnerschwinger Stefan Burkhalter könnte bereits schon an diesem Sonntag beim Rigi-Schwinget zum erlauchten Hunderterklub aufsteigen. Diesem gehören bisher 22 Schwinger an. Ein Kranzgewinn fehlt dem Thurgauer dazu noch. Den 99. Kranz erkämpfte sich der 43-Jährige kürzlich beim Nordostschweizerischen Teilverbandsfest in Davos. Diese Ausgangslage war für mich Grund genug, am Dienstag dieser Woche nach Homburg TG zu fahren und den ältesten noch aktiven Eidgenossen zu besuchen. Im Gespräch konfrontierte ich „Burki“, wie er von seinen Fans genannt wird, mit zehn Stichworten.


Stefan Burkhalter beim Gespräch

Der schwingerische Werdegang
„Ich habe spät mit dem Schwingsport begonnen. Das war an einem Mittwoch, 1. Juni 1988, notabene an meinem 14. Geburtstag. Ich bekam ein Moped und fuhr an mein erstes Schwingtraining. Den ersten Kranz erkämpfte ich mir am 1. Mai 1994. Ende Dezember 1998 gewann ich den Niklaus-Schwinget und am 2. Januar 1999 den Berchtold-Schwinget. Den eigentlichen Durchbruch gelang mir 1999, wo ich fünf oder sechs Festsiege feiern konnte.
Ab dem 1. Januar 1999 sind wir Schwinger der Dopingkontrolle unterstellt und am 3. Januar standen sie bereits bei mir auf der Matte.
Ich gewann 2001 in Nyon und 2010 in Frauenfeld den Eidgenössischen Kranz. Meine beste Saison war sicher 2014, in welcher ich acht Kränze gewinnen konnte.
Soweit ich mich erinnere, fiel ich in meiner bisherigen Karriere während vier Saisons verletzungsbedingt aus.
Mein erstes Ziel ist der 100. Kranz und mein zweites und eigentliches Ziel sind 103 Kränze. Damit wäre ich im Thurgau der alleinige Rekordhalter. Denn dieser Rekord hält derzeit mit 102 Kränzen der legendäre Otto Brändli.“

Die grössten Erfolge
„Das sind sicher die beiden Siege auf der Schwägalp (2006 und 2010) und die beiden Eidgenössischen Kränze. Zudem gewann ich je einmal den Stoos-Schwinget (2004) und das Appenzeller Kantonale (2001).“

Die Motivation, mit 43 Jahren immer noch zu schwingen
„Die Hauptmotivation ist die Freude. Ich sage immer, wenn du an etwas Freude hast, geht alles andere einfacher. Ich vergleiche das ein wenig mit der Arbeit am Computer: Einer der gern daran arbeitet, beherrscht das ohne Probleme. Derjenige, welcher das nicht gerne macht, weiss nicht mal recht, wie dieser funktioniert. Klar, es ist ebenfalls wichtig, dass der Erfolg da ist. Gerade mit dem Aufwand, den ich und mein Umfeld betreiben, sollte Aufwand und Ertrag schon stimmen. Denn lächerlich machen möchte ich mich sicher nicht.“

Die Familie
„Das ist natürlich etwas Wichtiges. Denn ohne sie geht es schlicht und einfach nicht, auch mit dem Bauernbetrieb den ich führe. Ich kann aus dem Haus, und weiss, dass es zuhause funktioniert. Ich stehe zwar im Vordergrund. Man darf aber nie die Leute im Hintergrund vergessen.“


„Burki“ auf seinem Hof

Die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten
„Meine Haupttätigkeit ist Landwirt. Ich führe einen Landwirtschaftsbetrieb mit 38 Kühen. Daneben habe ich ein zweites Standbein mit einem Personenschutz- und Limousinen-Service aufgezogen. Das heisst, dass ich dabei unter anderem Leute chauffiere oder heikle Dokumente von A nach B transportiere.
Die Landwirtschaft nimmt dabei etwa 80 Prozent meiner Tätigkeit ein, und der angesprochene Service rund 20 Prozent.“

Das intensive Training
„Gerade heute Morgen habe ich mit meinem Personaltrainer ein intensives Training absolviert. Im Winter betreibe ich einen relativ grossen Aufwand. Als Landwirt habe ich den Vorteil, dass im Winter weniger Arbeit anfällt. Denn die Hauptvorbereitungszeit für den Schwingsport ist im Winter. Während dieser Zeit trainiere ich zwischen 20 und 22 Stunden pro Woche. Im Sommer finden mehr sogenannte Erhalts-Trainings statt, und ich fahre den Trainingsaufwand herunter. Denn ich mache relativ viele Schwingfeste.
In dieser Woche, vor dem Rigi-Schwinget, trainiere ich etwa acht Stunden. Das sind Kraft, Koordination, Kondition und Schwingen. Ich absolviere dabei zwei Schwingtrainings.“

Das Team Burki
„Dahinter steckt die Betreuung durch eine Masseurin, einen Personaltrainier, einen Ernährungs-Coach, einen Anwalt und einige weitere Personen. Der Personaltrainer stellt mir dabei ein komplettes Trainings-Programm zusammen, welches das Schwingtraining aber nicht beinhaltet. Das Schwingtraining bestreite ich bei meinem Schwingklub Ottenberg, wo auch Samuel Giger und die Gebrüder Schneider (Domenic und Mario) angehören.“

Burki, das unverwüstliche Stehaufmännchen
„Als Beispiel kann man sicher den Kilchberg-Schwinget 2014 erwähnen. Ich verletzte ich mich dort schon im ersten Gang gegen Christian Schuler, und riss mir dabei das Syndesmoseband an. Bei jenem Schwingfest wurde mir nach jedem Gang eine Spritze verabreicht, damit ich keine Schmerzen verspürte. Ob dies schlau war oder nicht, sei jetzt mal dahingestellt. Auf jeden Fall ging es trotz Verletzung einigermassen gut und ich konnte zu Ende schwingen. Dabei stellte ich unter anderem mit Matthias Glarner und gewann gegen Reto Nötzli. Trotzdem war es nicht das, was ich mir erhofft habe. Der Ausdruck „Stehaufmännchen“ passt also schon.
Letztes Jahr hatte ich eine Verletzung an den Adduktoren. Die linke war dabei zu zweidritteln gerissen und die rechte zu einem Drittel. Das passierte am 3. April 2016. Ich habe mich dann mit Schmerz- und Eigenblut-Spritzen durch die ganze Saison hindurch geseucht, auch durch das Eidgenössische. Am 3. September nahm ich noch beim Hochwacht-Schwinget teil. Anschliessend liess ich ein MRI machen und nach dem genauen Befund habe ich sieben Monate nicht mehr geschwungen. Ich trainierte in dieser Zeit nur was möglich war, wie beispielsweise Kondition. Jetzt spüre ich an den Adduktoren nichts mehr. Deshalb muss ich sagen, dass diese Saison bisher recht gut verlief. Das Ganze ist jeweils schon ein Kampf.“


Gelingt Stefan Burkhalter auf der Rigi der 100. Kranz?

Allgemeine Gedanken zum Schwingsport
„Schön ist, dass man die Regelung mit der Teilnahme an mindestens vier Regionalschwingfesten durchgebracht hat. Denn auf diese Regelung habe ich schon länger gepocht. Ich bestreite relativ viele Rangschwinget, denn diese Feste haben auch ihre Daseinsberechtigung. Mit dieser Massnahme zwingt man die Spitzenschwinger zur Teilnahme. Ich verstehe nicht, dass gewisse Schwinger solche Schwingfeste sonst nicht bestreiten würden. Denn sie sind in meinen Augen das beste wettkampfmässige Training. Und die Ausrede wegen der Verletzungsgefahr lasse ich nicht gelten. Verletzen kann man sich auch beim Training.
Wo man in Zukunft noch mehr den Hebel ansetzen sollte, ist die Notengebung bei gestellten Gängen. Meine Idee ist, dass die Grundnote bei gestellten Gängen auch eine 8.50 wäre. Eine 9.00 muss man sich mit einer aktiven Schwingweise regelrecht verdienen. Denn eine 8.75 tut einem Schwinger, der sich absolut passiv verhält, nicht unbedingt weh. Aber: Zwei gestellte Gänge mit je einer Note 8.50 tun dann sicher weh.
Zudem könnten die Kampfrichter an den Tischen die aktiven Züge der beiden Schwinger zählen und so in die Bewertung einfliessen lassen.
Weiter sollte in meinen Augen ab Stufe Kantonal- oder Gauschwingfest die Gangdauer von Anfang an sechs Minuten betragen. Eine Gangdauer von vier Minuten bei den Aktiven sollte sowieso abgeschafft werden. Die Basisdauer bei Regionalschwingfesten sollte auf fünf und bei Kantonal- oder Gauschwingfesten auf sechs Minuten angesetzt sein.“

Die Zukunft
„Die Zukunft ist unter anderem die Arbeit mit meinem Sohn Thomas. Mein Junior ist jetzt 14-jährig, 179 Zentimeter gross, 85 Kilogramm schwer und trägt Schuhgrösse 47. Beim diesjährigen NOS der Jungschwinger belegte er den zweiten Rang mit 58.50 Punkten. In der Nordostschweiz zählt er zur absoluten Spitze. Wenn das so weitergeht, wird das eine gute Sache. Denn er wird von den denselben Trainern betreut, welche sich dereinst auch um Samuel Giger oder die Gebrüder Schneider gekümmert haben. Zurzeit kümmere ich mich, was den Schwingsport anbelangt, noch nicht um ihn.
Was ich mir in Zukunft auch vorstellen könnte, wäre der Job des Technischen Leiters.
Diese Saison schwinge ich sicher zu Ende und mein Hauptziel bleibt das Erreichen der angesprochenen 103 Kränze. Ich starte diese Saison noch bei vier Kranzfesten. Nämlich auf der Rigi, dem Brünig, der Schwägalp und beim Schaffhauser Kantonalen. Bisher erreichte ich beim Thurgauer Kantonalen und beim NOS insgesamt zwei Kränze. Beim Glarner-Bündner und beim Zürcher Kantonalen fehlte mir jeweils das berühmte Vierteli.
Seit 2010 plane ich nicht mehr auf drei Jahre hinaus, sondern nehme Saison um Saison. Ende September geht die Schwingfestsaison zu Ende und ich mache zwei Monate Pause, während der ich trainingsmässig überhaupt nichts mache. Dann überlege ich mir, ob ich auch 2018 schwingen werde. Und meine Familie muss natürlich bei der Entscheidungsfindung auch miteinbezogen werden.“

feldwaldwiesenblogger

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