Was darf man von den Innerschweizer Schwingern 2017 erwarten? – Experten-Meinung zu Beginn der neuen Saison

Text: Daniel von Euw und feldwaldwiesenblogger / Foto: feldwaldwiesenblogger

Nach den Experteneinschätzungen für die Nordostschweizer und die Südwestschweizer Schwinger folgt heute diejenige der Innerschweizer (ISV). Dafür konnte ich niemand geringeren als Daniel von Euw, ein profunder Kenner, gewinnen. Der vierfache Eidgenosse war von 1981 bis 2002 selber ein erfolgreicher Spitzenschwinger und kennt als Kommentator auf Radio Central die Schwing-Szene natürlich bestens.

Bei den Innerschweizern wurde mit dem gestrigen Hallenschwinget in Sarnen die Saison nun ebenfalls lanciert. Der Sieger Mike Müllestein scheint parat zu sein, auch sein Schlussgang-Gegner Reto Nötzli. Zudem gaben die beiden grossen Abwesenden beim Eidgenössischen, Benji von Ah und Joel Wicki, ihr Comeback. Dasjenige von Wicki war sehr erfolgreich, Benji von Ah’s hingegen eher durchzogen. Natürlich darf man solche Rangschwingfeste nicht zu sehr überbewerten. Trotzdem sind sie ein Gradmesser für die Ende April losgehende Kranzfestsaison. Und die Schwinger sehen, wo sie stehen und können dementsprechend an ihrer Form schleifen.

Ich stellte Daniel von Euw den gleichen Fragenkatalog wie dem NOS- und dem SWSV-Experten zu. Der Geschäftsführer der Oberallmeindkorporation (OAK) Schwyz beantwortete anfangs März die Fragen schriftlich.


Daniel von Euw, ISV-Experte

Hast du mitbekommen, welche Schwinger bereits schon in einer ausgezeichneten Form sind?
Nein, aber jetzt müssen die Schwinger ja auch noch nicht in Wettkampfform sein. In dieser Zeit ist es wichtig, dass sie gesund und gut trainieren können. An der ISV-Delegiertenversammlung Anfang Februar in Alpnach OW wurden die erfolgreichsten Aktivschwinger der Saison 2016 geehrt. Das Bild der Geehrten zeigte mir, dass mit diesen Schwingern auch im Jahr 2017 wieder zu rechnen ist.
Eine Hiobsbotschaft müssen wir leider zur Kenntnis nehmen: Pirmin Reichmuth hat sich bereits zum dritten Mal das Kreuzband am rechten Knie gerissen. Pirmin hat aus meiner Sicht Königspotenzial.

Welche Schwinger werden 2017 für Furore sorgen? Könnte es gar Überraschungen geben?
In der Innerschweiz wird es an der Spitze kaum Veränderungen geben. Ich bin überzeugt, dass Christian Schuler auf die sehr gute Saison 2016 gleich nachdoppeln wird. Selbstverständlich hoffe ich auf Überraschungen. Mit Freude erwarte ich natürlich das Comeback von Joel Wicki.

Welche Schwinger könnten den Sprung nach vorne schaffen?
Bei Sven Schurtenberger und Mike Müllestein fehlt nicht mehr viel zur absoluten Spitze. Von einigen Schwingern wie René Suppiger, Philipp Gloggner, Andi Imhof, Marcel Mathis sowie den Gebrüdern Reto und Bruno Nötzli erwarte ich mehr Konstanz. Sie zeigen manchmal sehr gute Schwingerkost; dann aber gibt es wieder unerklärliche Ausrutscher.

Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
In der Innerschweiz wird an der Basis sehr gute Arbeit geleistet. Schlussendlich liegt es jedoch beim einzelnen Schwinger, ob er mit letztem Willen erfolgreich sein will. Joel Wicki ist ein Paradebeispiel, dass man es mit Wille und Fleiss weit bringen kann. Gespannt darf man auch auf Marco Fankhauser sein, der nach seiner Verletzung wieder ins Geschehen eingreifen sollte. Einen weiteren Schritt nach vorn erwarte ich auch von den beiden Muotathalern Ralf Schelbert und Dario Gwerder.

Welche Arrivierten werden nach wie vor den Ton angeben?
Christian Schuler, Andreas Ulrich, Philipp Laimbacher, Mike Müllestein, Reto und Bruno Nötzli, Sven Schurtenberger, René Suppiger, Erich Fankhauser, Philipp Gloggner, Marcel Mathis, Benji von Ah sowie Andi Imhof sind die Arrivierten, welche es immer noch zu schlagen gilt. Gespannt darf man auch wieder auf die Auftritte vom siebenfachen Eidgenossen Martin Grab sein.

Werden die Neueidgenossen überzeugen?
Von Sven Schurtenberger, Pirmin Reichmuth, Mike Müllestein und René Suppiger hat man bereits im Vorfeld des ESAF 2016 fast erwartet, dass sie bei „normaler“ Leistung das eidgenössische Eichenlaub gewinnen. Für sie war es eine Bestätigung der bereits erreichten Resultate. Alex Schuler wird weiterhin ein zäher Schwinger bleiben. Stefan Stöckli muss den überraschenden Gewinn des Eidgenössischen Kranzes erst noch bestätigen.

Anmerkung: Der Luzerner Stefan Stöckli fällt wegen einer Knie-Operation, welcher er sich am 10. März unterziehen musste, für unbestimmte Zeit aus.

Könnte die Unspunnen-Selektionierung für einige Schwinger zur „Nervenfalle“ werden?
Nein, das glaube ich nicht. Aber klar ist, dass es bei weniger Selektionierten mehr Härtefälle als zum Beispiel bei der Selektion für ein Eidgenössisches geben wird.

Wo siehst du Negativpunkte oder gar Handlungsbedarf beim Verband?
Ganz klar bei der Einteilung auf den höchsten Stufen des Verbandes. Beispiel Brünig 2016: Dem nach vier Gängen führenden Berner Thomas Sempach wird Adrian Steinauer mit 1.5 Punkten weniger auf dem Konto zugeteilt. Oder der Gang Matthias Glarner – Philipp Laimbacher (1.25 Punkte weniger): Wenn Laimbacher verliert, kann er nicht mehr um den Kranz schwingen, während Glarner um den Brünig-Sieg schwingt. Bernhard Kämpf – Marcel Mathis (1.0 Punkte weniger): Kämpf gewinnt und schwingt im Schlussgang um den Brünig-Sieg. Mathis gewinnt den sechsten Gang platt und ist dennoch ohne Kranz. In dieser Situation nach vier Gängen hätte an der Spitze zwingend eine Berner Paarung eingeteilt werden müssen, damit alle Athleten mit einigermassen gleich langen Spiessen kämpfen. Nachzutragen ist hierzu, dass es im sechsten Gang gleich zu fünf reinen Innerschweizer Duellen zwischen Laimbacher – Scheuber, Ulrich – Britschgi, Brun – Gwerder, Steinauer – Gasser und Schuler – Fankhauser gekommen ist.
Leider hat sich die komische Einteilung am ESAF 2016 fortgesetzt. Die ersten drei Gänge waren noch in Ordnung. Danach haben es die Berner mit der Angst bekommen und sich unter Mithilfe des Nordwest- und Südwestschweizer Einteilers gegen die Meinung des Innerschweizer und Nordostschweizer Einteilers durchgesetzt. Einige Beispiele: Nöldi Forrer – Thomas Sempach im vierten Gang ist mit dieser Punktedifferenz völlig unnötig. Fünfter Gang: Alle haben die Paarung Bösch – Stucki erwartet. Nachdem Bösch den fünften Gang gewann und Stucki seinen gegen Clopath stellte, haben die Berner Christian Stucki definitiv geopfert und ihn gegen Bösch antreten lassen. Obwohl ich Matthias Glarner den Königstitel aufgrund seiner über Jahre konstanten Leistungen extrem gönne, muss auch bei ihm die Einteilung hart kritisiert werden! Wenn bei einem König, der von Beginn weg an der Spitze mit dabei war, von seinen acht Gegnern deren vier ohne Kranz den Heimweg antreten und teilweise mit grossen Punkterückständen zugeteilt werden, stimmt etwas nicht. Aber hier kann Matthias am allerwenigsten etwas dafür.

Gibt es bei den Kantonalverbänden und Schwingklubs sogenannte „Problemkinder“?
„Problemkinder“ ist wohl das falsche Wort. Aber klar sind die guten Schwinger bei den Urnern und Zugern eher dünn gesät. Auch zwischen den Schwingklubs gibt es natürlich extreme Gefälle.

Wie siehst du für 2017 das Stärkeverhältnis der Innerschweizer im Vergleich mit den anderen Teilverbänden?
Wenn nur die besten drei Schwinger eines jeden Teilverbandes gezählt werden, wären wohl die Berner und Nordostschweizer knapp vor den Innerschweizern. Wenn aber die ganze Spitze dazu gezählt wird, sehe ich die Berner vor den Innerschweizern, gefolgt von den Ostschweizern. Schön ist aber, dass schlussendlich alles auf dem Schwingplatz entschieden wird.

Daniel, herzlichen Dank für deine Einschätzung betreffs der Innerschweizer Schwinger!

feldwaldwiesenblogger

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