Weissenstein-Schwinget: Warum wurden die 40 Startplätze der Nordwestschweizer auf deren 30 reduziert?

Text: feldwaldwiesenblogger

Letzte Woche informierte der Eidgenössische Schwingerverband (ESV), dass es Startplatz-Änderungen für den Weissenstein-Schwinget von kommendem Samstag, 17. Juli geben wird. Diese Meldung machte nicht gross Furore, ging angesichts der im Wochentakt stattfindenden Kranzfeste regelrecht unter. Der Schwinger-Blog wollte es trotzdem genauer wissen, und fragte bei einem Kenner der Nordwestschweizer Szene nach. Der freie Aargauer Sportjournalist Wolfgang Rytz nahm dabei schriftlich Stellung zu sechs Fragen/Thesen. Rytz legt Wert darauf, dass er die nachfolgenden Aussagen als freier Sportjournalist und nicht als Mitarbeiter vom SCHLUSSGANG macht.

Am kommenden Samstag, 17. Juli steht der Weissenstein-Schwinget auf dem Programm, allerdings ohne Zuschauer

Bild: esv.ch

Für den Weissenstein-Schwinget wurden die 40 Startplätze der Nordwestschweizer auf deren 30 reduziert. Als primäre Gründe führst du Corona und die Führungsschwäche des Verbandes, seiner Kantonalverbände sowie der Schwingklubs an. Kannst du das präzisieren?

Wolfgang Rytz: Die aktuelle Misere, die das ganze Schwingerwesen erfasst hat, führe ich auf fehlende Weitsicht an der Verbandsspitze zurück. In den ersten Monaten im 2021 zeichnete sich mit der anlaufenden Impfkampagne ab, dass wir in diesem Sommer Corona bewältigen werden und Breitensport wieder möglich sein wird. Dazu zählt sich auch der Schwingsport. Da wäre es am ESV gewesen, die verspätet beginnende Saison zusammen mit den Teilverbänden neu aufzugleisen, umzuplanen. Der normale Ablauf und der logische Aufbau ist folgender: Hallen-, Regional- und erst dann Kantonal-, Bergkranz- und Teilverbandsfeste. Nach einer 20-monatigen Pause kann man für die Aktiven nicht gleich mit Kranzfesten beginnen und tun, als wäre alles normal. Dafür bezahlt jetzt insbesondere die Nordwestschweiz die Zeche.

Im Vorgang zu diesem Gespräch hast du folgendes erwähnt: «Nachwuchs ist genügend da, aber mit der Bevorzugung der Spitze und dem Wiedereinstieg mit zwei Kranzfesten vergass man, auf die Mittelschwinger Rücksicht zu nehmen». Was läuft falsch beim Nordwestschweizer Schwingerverband?

Rytz: Nicht nur im Nordwestschweizer Schwingverband (NWSV) ist einiges falsch gelaufen. Richtig war sicher, dem Nachwuchs bis 20 Jahre möglichst schnell wieder den Trainingsbetrieb zu erlauben. Deshalb müssen wir uns wohl landesweit um den Nachwuchs noch am wenigsten Sorgen machen. Schlimmer bestellt ist es mit den sogenannten Mittelschwingern. Dazu zähle ich auch Ü23-Schwinger ohne Kranz, die zum hinteren Mittelfeld gehören. Da sind die Absenzen gross. Während die Spitze im März wieder in Kleingruppen intensiv zu trainieren begann, wurde es für die «normalen» Aktiven Juni, bis ein normales Training im Sägemehl wieder möglich war. Ohne richtige Vorbereitung folgten gleich zwei Kantonalfeste. Verletzungen und Frust waren die Folge bei vielen Aktiven, die ihr Leben nicht völlig aufs Schwingen ausrichten.

Der Einstieg in die 2021er-Saison erfolgte wegen der Corona-Pandemie verspätet. Das Schwingtraining wurde später als üblich und gestaffelt aufgenommen. Statt den Reigen mit Rangschwingfesten zu starten, wurde teilweise gleich mit Kranzfesten begonnen. Es mussten in der Folge etliche Verletzte beklagt werden, am ISAF in Ibach gleich deren 17. Was ist deine Meinung zu diesem unglücklichen Umstand?

Rytz: Wenn nach einigen wenigen Regionalfesten gleich Bergfeste und ein Teilverbandsfest folgen statt Kantonalfeste, braucht sich auch im Innerschweizer Schwingerverband niemand zu wundern, wenn dies negative Folgen hat. Die Verbandsführungen aller Stufen stehen in der Schuld.

Wie sieht die Verletzungs-Situation in der Nordwestschweiz aus?

Rytz: Auch in der Nordwestschweiz haben wir einige Verletzte. Nick Alpiger sollte aber auf dem Weissenstein wieder zurückkehren. Schlimmer sind jedoch die grossen Lücken im Aktivbestand. Nach dem langen Corona-Unterbruch und dem fehlenden geduldigen Neuaufbau fehlt dem NWSV mindestens ein Drittel der bisherigen Aktiven, Tendenz steigend, wie die jüngsten Regionalfeste zeigten.

Erwartest du für die nächstjährige Saison eine Entspannung der angesprochenen Situation in der Nordwestschweiz?

Rytz: Eine schnelle Verbesserung ist ungewiss bis unwahrscheinlich. Nur dank guter Arbeit vieler Vereine im Nachwuchsbereich ist für die mittlere Zukunft vorsichtiger Optimismus erlaubt. Aber wir werden in den nächsten Jahren Mühe haben, an unseren Kantonalfesten 100 Schwinger an den Start zu bringen. Ausserdem serbeln zahlreiche Klubs nach Corona noch mehr.

Die Nordwestschweizer haben am letzten ESAF 2019 in Zug drei Kränze gewonnen, gleich viele wie die Südwestschweizer. Liegen am eigenen «Eidgenössischen» 2022 in Pratteln mehr Eichenlaub-Exemplare drin?

Rytz: Diese Prognose ist schwierig und auch abhängig von der Entwicklung an der Verletztenfront. Aber nach den vielen Abgängen an der Spitze können wir nicht davon ausgehen, dass beim «Heimfest» in Pratteln sechs Kränze wie nach dem ESAF 2007 in Aarau herausschauen werden. Das wäre sicherlich das Optimum.

feldwaldwiesenblogger

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