Wirbel um die Austragung des ESAF 2022 in Aesch – Sieben Fragen an einen Vertreter des Natur- und Vogelschutzes

Ein Beitrag vom 5. Oktober in der Basellandschaftlichen Zeitung (bz) sorgte in Schwingerkreisen für einigen Wirbel: „«Zerstörte Natur»: Umweltschützer bekämpfen das Aescher Schwingfest“. Am vergangenen Freitag suchte ich dazu die verschiedenen Online-Artikel. Denn das Thema wurde unter anderem auch von der Berner Zeitung, Watson oder 20 Minuten aufgegriffen. Beim Vergleich dieser Texte stellte ich fest, dass sich die letzteren News-Portale alle auf den bz-Artikel beriefen. Dieser beschrieb denn auch am ausführlichsten, um was es bei diesem „Wirbel“ geht.

Um die Problematik kurz aufzuzeigen, zitiere ich zwei Abschnitte aus besagtem Artikel: „Natur- und Umweltschützer haben sich gegen den Grossanlass im Birstal ausgesprochen, seit die ersten Pläne vor bald einem Jahr publik geworden waren. Nun nimmt ihr Widerstand Form an: Die Sektionen Aesch-Pfeffingen und Reinach des Basellandschaftlichen Natur- und Vogelschutzverbandes haben eine Petition gegen das «Eidgenössische» lanciert. Sie richtet sich an die Baselbieter Regierung. Das geplante Schwingfest, schreiben die beiden Vereine, sei für das vorgesehene Gebiet und die dortige Bevölkerung «nicht zumutbar». Für die dreitägige Veranstaltung soll im Nordwesten Aeschs ein provisorisches Stadion für über 50 000 Zuschauer errichtet werden, das Festgelände würde eine Fläche von gegen 100 Fussballfeldern beanspruchen – es läge teilweise in Arealen, in denen seltene Tierarten brüten.“

Und weiter: „Somit würde der Anlass «eine zerstörte Natur und verdichtete Böden» zurücklassen, heisst es im Text zur Petition, die am Montag publiziert wurde. Es sei auch mit Ertragseinbussen für die betroffenen Bauern zu rechnen. Unterstützt werden die zwei Sektionen von ihrem kantonalen Dachverband sowie von Pro Natura Baselland.“

Im bz-Beitrag wird auch erwähnt, dass die Regierung vom Baselbiet grundsätzlich positiv einem Eidgenössischen in Aesch gegenübersteht. Die Petitionäre fordern die Regierung auf, das idyllische Naherholungsgebiet zwischen Aesch und Reinach zu erhalten und ein Fest im St. Jakob-Park zu unterstützen. Bereits am 29. August kam es an einem runden Tisch zu einer Aussprache mit Vertretern des kantonalen Schwingerverbandes und verschiedenen Umweltschutzorganisationen. Geleitet wurde die Sitzung von Regierungsrätin Monica Gschwind, Vorsteherin der kantonalen Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion. Bei diesem Treffen versuchte Urs Lanz, Präsident des Basellandschaftlichen Kantonalschwingerverbandes (BLKSV), die Bedenken auszuräumen. In dem er darlegte, wie die besonders sensiblen Gebiete bei den Planungen berücksichtigt werden könnten. Die Bedenken von Seiten der Umweltschützer blieben aber weiterhin bestehen. Ein Spannungsfeld ist also nach wie vor vorhanden.

Aus diesem Grund kontaktierte ich beide Parteien und hatte die Absicht, sie mit je sieben Fragen zu dieser Problematik zu konfrontieren. Urs Lanz, der BLKSV-Präsident, erklärte mir freundlich aber bestimmt, dass er zurzeit keine Auskunft erteile. Er möchte nämlich die in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie abwarten, deren Ergebnis anfangs November vorliegen soll. Danach sei er bereit, mir zu antworten. Dies akzeptierte ich selbstverständlich und signalisierte, dass ich mich wieder melden werde.
Fabio Di Pietro, Präsident des Vereins für Natur- und Vogelschutz Reinach, hingegen war sofort bereit, mir auf die folgenden sieben Fragen Antworten zu geben.

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Auf diesem Gelände zwischen Reinach und Aesch ist das ESAF 2022 geplant
Bildquelle: Martin Töngi, bz

Wird Ihre Petition gegen das Eidgenössische erfolgreich sein?
Ja, ich denke schon. Sonst würden wir es nicht machen. Wir bitten darin den Regierungsrat von Baselland, ein Eidgenössisches im St. Jakob-Park und Umgebung zu unterstützen.

Di Pietro fügte hier sozusagen eine Zwischenklammer ein und stellte eine Gegenfrage: „Urs Lanz erklärte uns mündlich, dass der Schwingerverband Basel-Stadt parallel zum Basellandschaftlichen Kantonalschwingerverband auch eine Machbarkeitsstudie für ein ESAF in Auftrag gab. Ist das bloss ein Lippenbekenntnis von Urs Lanz, oder ist dem wirklich so?“
Da mich diese Frage auch interessiert, schickte ich per Email eine Anfrage an den Präsidenten des Schwingerverbandes Basel-Stadt, Felix Rappo. Eine Antwort steht bis dato leider noch aus.

Wie viele Leute haben bereits Ihre Petition unterschrieben?
Stand Mitte Oktober haben mehrere hundert Personen unterschrieben. Wir sind aber noch nicht ganz dort, wo wir sein möchten.

Wie begründen Sie Ihre Bedenken gegen ein Eidgenössisches Schwingfest in Aesch?
Das Eidgenössische soll auf der Ebene zwischen Aesch und Reinach stattfinden. In den letzten Jahren wurden in diesem Gebiet viele Naturaufwertungsprojekte zusammen mit den dort ansässigen Bauern umgesetzt. Die Bauern, Jäger und Naturschützer haben dabei mitgemacht. In diesem Landwirtschaftsgebiet sind nun eine der höchsten Hasendichten im Kanton Baselland und grosse Populationen von seltenen Vogelarten zu beobachten. Es ist unser Antrieb, das erreichte zu schützen. Wenn nämlich ein mögliches Eidgenössisches vorbei ist, sind die Hasen wieder weg und die seltenen Brutvögel wie Feldlerche, Schwarzkehlchen und Wendehals auch.

Laut Zeitungsberichten kam es am 29. August mit Vertretern des BLKSV und verschiedenen Umweltschutzorganisationen zu einem Treffen. Dabei konnten die Bedenken aus Sicht der Umweltschutzorganisationen nicht ausgeräumt werden. Wo liegen in Ihren Augen die grössten Knacknüsse?
Dass der Baselbieter Schwingerverband trotzdem eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gab. Wir wissen nicht, wie gross ökologische Gesichtspunkte in die Studie miteinfliessen. So wie wir am runden Tisch mitbekamen, soll es eine rein technische Studie werden. Wir haben Bedenken, dass die Natur dabei zu wenig berücksichtigt wird. Dort wo nämlich die Arena stehen soll, ist der sogenannte Hotspot: Genau dort hatten wir den grössten Erfolg mit dem Hasen-und den Brutvögel-Projekten.
Eine Verschiebung der temporären Arena nach Süden ist auch keine Option für uns, denn das ganze befindet sich nach wie vor im Kerngebiet des Naturschutzes. Wir haben noch nie einen Plan gesehen und wissen daher nicht genau, wie das umgesetzt werden soll. Da sich die Organisatoren sehr bedeckt halten, scheint uns ein Weg des Kompromisses unmöglich.

Angeblich haben die Organisatoren des ESAF bereits den Naturschutz in die Planung miteinbezogen. So soll die temporäre Arena weg von der Ebene Aesch-Reinach, hin zum Aescher Sportzentrum Löhrenacker verlegt werden. Was meinen Sie, könnten Sie sich mit weiteren Anpassungen in der Planung trotzdem für den Standort Aesch einverstanden erklären?
Von einer Verschiebung in Richtung Sportzentrum Löhrenacker habe ich erst später aus der Presse erfahren. An der Aussprache von Ende August wurde von einer möglichen Verschiebung nach Süden gesprochen. Da dies bloss eine Verschiebung von etwa 300 Metern ist, scheint uns das keine Option. Auch dort befinden sich die erwähnten Hotspots mit den Tieren. Zurzeit sehe ich keine Möglichkeit oder eine Alternative für ein Eidgenössisches in Aesch. Die Organisatoren sind an flachem Gelände interessiert, und auf diesen befinden sich die schützenswerten Tiere.
Übrigens: Man kann doch nicht jedes Mal in einem neuen Landwirtschaftsgebiet ein Eidgenössisches Schwingfest aufziehen. Wir empfehlen daher, einen Anlass in der Grössenordnung nur noch an drei oder vier Standorten in der Schweiz durchzuführen.

Sie haben in der Schwingerwelt für ziemliches Aufsehen gesorgt. Was meinen Sie, würden sich ihre Kollegen in Schwingerhochburgen wie der Innerschweiz oder Bernbiet auch getrauen, eine Petition gegen ein Eidgenössisches zu lancieren?
Ich weiss nicht, ob das mit „sich getrauen“ oder Mut zu tun hat. Vielleicht gibt es dort einfach keine Möglichkeiten, sich für Projekte zum Schutz von Hasen oder Brutvögeln einzusetzen. Wir engagieren uns in der Freizeit für die Natur. Daher kann man sagen, dass im Fall ESAF Aesch 2022 „Freizeit-Beschäftigung“ gegen „professionelle Organisation“ antritt.
Ich möchte aber auch betonen, dass Anlässe in dieser Grössenordnung auf intensiv genutzten Wiesenflächen sicher mehr Sinn machen als auf extensiv genutzten. An solchen Orten richtet ein ESAF weniger Schaden an. Dabei erwirtschaftetes Geld kann in diesen Gebieten investiert werden, um dort die Biodiversität aufzuwerten. Darin sehen wir grosses Potenzial. In unseren Augen sind Anlässe auf landwirtschaftlichen Flächen mit hoher Biodiversität schlicht katastrophal.

Wie geht es nun weiter? Was für Schritte werden Sie und ihre Kollegen hinsichtlich der Causa ESAF 2022 in Aesch als nächstes unternehmen?
Im Moment sammeln wir mit unseren Vereinen in der Freizeit Unterschriften für die Petition. Ende Oktober übergeben wir die Petition mit den gesammelten Unterschriften dem Baselbieter Regierungsrat. Der Termin wurde natürlich nicht zufällig so gewählt. Denn zu diesem Zeitpunkt sollte auch die Machbarkeitsstudie für ein ESAF in Aesch auf dem Tisch liegen. Weitere konkrete Dinge sind zurzeit nicht geplant.

Ich bedanke mich für die ausführlichen und interessanten Aussagen von Fabio Di Pietro. Mir ist es wichtig, beide Parteien zu Wort kommen zu lassen. Deshalb hoffe ich, dass ich im November auch die Sicht von Urs Lanz, dem Baselbieter Schwingerpräsidenten, darstellen kann. Denn: Fairness und Respekt, zwei hehre Begriffe aus dem Schwingsport, sind mir bei meinem Tun und Handeln ein steter Begleiter.

feldwaldwiesenblogger

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