Christian Schuler’s Weg nach Estavayer: Rückblick auf die Kranzfestsaison und Vorschau auf das Eidgenössische (Teil 4)

Im vierten und letzten Teil der Serie „Christian Schuler’s Weg nach Estavayer“ hielt ich mit dem dreifachen Eidgenossen kürzlich Rückblick auf die Kranzfestsaison. Aber auch Vorschau auf das wichtigste Fest der Saison: Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in Estavayer-le-Lac.

Christian gewann diese Saison drei Kranzfeste: Das Zuger Kantonale, den Stoos-Schwinget und das Innerschweizerische Schwing- und Älplerfest in Einsiedeln. Er brachte das Kunststück fertig, bei einem Kantonalen, einem Bergfest und einem Teilverbandsfest oben aus zu schwingen. Bei den anderen Kranzfesten belegte er fast ausnahmslos Spitzenplätze.
Der mittlerweile 13-fache Kranzfestsieger trat bei acht Kranzfesten an, und verliess den Platz sieben Mal kranzgeschmückt. Beim Bergschwinget auf dem Weissenstein gab der 79-fache Kranzschwinger nach zwei Gängen wegen einer Rippenverletzung, welche er sich im Schlussgang des Innerschweizerischen zuzog, auf. Christian setzte kurzfristig ein Fragezeichen hinter die Teilnahme beim traditionsreichen Brünig-Schwinget. Zwei Wochen später trat er aber auf dem Brünig an, erreichte Rang 4c und das begehrte Eichenlaub.
Nun steht für den dreifachen Eidgenossen noch ein Kranzfest an: Das Eidgenössische, das wichtigste Schwingfest der Saison.

Wir blicken nochmals kurz zurück. Am 26. Februar startete ich eine vierteilige Serie: Christian Schuler’s Weg nach Estavayer: Einblick ins Wintertraining (Teil 1). Dabei gewährte mir der kräftige Sennenschwinger Einblick in sein hartes Wintertraining.
Kurz vor Beginn der Kranzfeste kontaktierte ich den Rothenthurmer wieder. Im Teil 2 hielt ich mit Christian Rückblick auf die Frühjahrsfeste, aber auch Vorschau auf die Kranzfestsaison.
Am 4. Juni zog ich mit dem Marketing-Fachmann zusammen Zwischenbilanz: Christian Schuler’s Weg nach Estavayer: Zwischenbilanz der laufenden Kranzfestsaison (Teil 3). Bei diesem Telefoninterview ging es um das Zuger Kantonale, den Baselstädtischen Schwingertag, das Schwyzer Kantonale und das Luzerner Kantonale.

Einige Tage vor dem Brünig-Schwinget stand ein weiterer Besuch bei Christian in Rothenthurm SZ an. In entspannter Atmosphäre führte ich ein Interview mit dem Familienvater. Anwesend war auch sein quicklebendiger Sohn Dario, welcher zwischendurch für einige Aufheiterung sorgte.

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Christian Schuler und Sohn Dario
Bildquelle: feldwaldwiesenblogger

Wie geht es dir? Spürst du deine Rippenverletzung noch?
Danke, es geht mir gut. Die Rippenverletzung war eigentlich eine Rippenprellung, welche eine Entzündung nach sich zog. Ich konnte aber relativ bald wieder trainieren. Die Verletzung ist mittlerweile verheilt.

Wo findest du so kurz vor dem Eidgenössischen Ruhe und kannst Kraft tanken?
Vor allem bei meiner Familie, und auf dem Sihlsee beim Fischen. Ich habe ein gutes familiäres und berufliches Umfeld, wo ich auch den Abstand zum Schwingen finde.

Die Saison lief bis dahin, abgesehen von der verletzungsbedingten Aufgabe auf dem Weissenstein, äusserst erfolgreich. Ist dies das Ergebnis einer noch gezielteren Vorbereitung oder ein Stück weit auch Zufall?
Nein, nicht Zufall. Ich habe über die letzten Jahre hinweg gut trainiert. Ich sage immer: Wer gut trainiert und auf etwas hinarbeitet, dem kommt es irgendwann auch zu Gute. Im vergangenen Winter habe ich sehr viel gearbeitet, denn ich war mit der letztjährigen Saison nicht voll und ganz zufrieden. Ich habe dabei gezielt gewisse Trainingsabläufe intensiviert, und geschaut, wo ich Fehler machte. Wenn irgendetwas nicht so gut läuft, probiert man das zu verbessern. Ich war eigentlich 2015 schon fit und parat. Diese Saison stimmt nun endlich vom physischen und psychischen her sehr viel zusammen, und ich konnte meine Leistungen relativ gut abrufen.

Welches waren deine bisherigen Saisonhighlights?
Das absolute Highlight war natürlich der Sieg beim Innerschweizerischen. Die Vorbereitung und das ganze Umfeld mit meinem Klub, dem Schwingklub Einsiedeln, waren schon speziell. Ich half auch beim Aufbau mit. Ich war beim Innerschweizer Teilverbandsfest schon einige Mal nahe an einem Sieg. Dass es nun in Einsiedeln das ersten Mal klappte, war fast wie ein Märchen: Für mich und mein Umfeld. Schön, dass ich zehn Jahre nach der ersten Schlussgangteilnahme an einem Innerschweizerischen es nun einmal gewinnen konnte.
Ich kann zudem bei jedem Schwinget auf gute Gänge zurückblicken und durfte immer um den Sieg mitschwingen. Dabei habe ich drei Kranzfeste gewonnen. Bei den anderen Festen, die ich nicht gewann, hat derjenige gewonnen, welcher mich besiegt hat. Zweimal verliess ich den Schlussgang als Verlierer und beim Luzerner verlor ich im fünften Gang gegen Sven Schurtenberger, den späteren Sieger. Ich habe so gesehen sicher ein oder zwei Feste selber aus der Hand gegeben. Aber sonst bin ich natürlich sehr zufrieden.

Mit dem bisherigen Saisonverlauf gehörst du zu den Topfavoriten am ESAF und wirst die Innerschweizer als klare Nummer eins anführen. Würde oder Bürde?
Wenn man so eine Saison haben darf, ist es natürlich eine Würde. Anhand der gewonnenen Resultate bin ich wohl die Nummer eins der Innerschweizer. Wir haben aber noch viele andere Top-Schwinger, welche auch zu sehr viel fähig sind. Das macht es für mich sicher auch einfacher.

Beim Innerschweizerischen in Einsiedeln, so quasi einem „Mini-Eidgenössischen“, hast du deine Extraklasse bewiesen. Der Schwingerkönig-Titel liegt für dich durchaus drin?
Ich denke, jeder Schwinger, welcher während der Saison ein Kranzfest gewinnen konnte, hat auch das Potenzial ein Eidgenössisches zu gewinnen. In Estavayer sind die besten Schwinger anwesend und es muss alles zusammenpassen. Das ESAF zu gewinnen ist ein nicht einfaches Unterfangen, aber möglich ist es.

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Christian Schuler, der glückliche Sieger des diesjährigen Innerschweizerischen in Einsiedeln
Bildquelle: luzernerzeitung.ch

Die Berner haben bisher beim Aufeinandertreffen mit den anderen Teilverbänden einen äusserst starken Eindruck hinterlassen. Wird es für einen Schwinger aus einem anderen Teilverband deshalb schwieriger, Schwingerkönig zu werden?
Die Berner hatten in den letzten Jahren unbestritten die breiteste Spitze. Einige der besten Schwinger kommen aus dem Bernbiet, das ist eine Tatsache. Man muss aber auch sehen, dass sie 2016 sowohl beim Schwarzsee-Schwinget wie auch auf der Rigi praktisch mit der kompletten Spitze angetreten sind. Von den anderen Teilverbänden haben dabei jeweils einige Topcracks gefehlt. Es ist deshalb relativ schwierig, ein Urteil über die Stärkeverhältnisse abzugeben.
Wer Schwingerkönig werden will, muss irgendwie an den Bernern vorbeikommen. Das ist sicher nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Man konnte bei den anderen Teilverbänden junge Schwinger beobachten, welche an die Spitze vordrangen. Weiter sind auch andere etablierte Athleten dabei. Es muss immer alles erst geschwungen werden!

Schwingen ist zwar eine Einzelsportart. Man spricht aber bei Grossanlässen immer wieder davon, wie wichtig ein starkes Team ist. Wieso eigentlich?
Je mehr gute Schwinger man in seinen eigenen Reihen hat, desto mehr können sie dir Gegner wegnehmen. Das hilft natürlich. Aber: Wenn einer total überlegen ist und jeden gewinnen kann, dann kann er auch ohne Mithilfe seines Teams Schwingerkönig werden. Wenn du zum Beispiel alleine gegen die Berner antrittst, musst du schon eine aussergewöhnliche Leistung bringen, um sie besiegen zu können.
Ich denke, die Innerschweiz hat ein starkes Team mit einigen guten Schwingern. Dies wird auch helfen, gegen die Masse der anderen bestehen zu können. Wenn man beim Anschwingen gut startet, kann dies ein Feuer ins Team reinbringen. Man unterstützt sich gegenseitig und feuert einander an. Zusammen ist man immer stärker.

Hast du deinen Körper während der ganzen Saison in Topform halten können? Liegt im Hinblick auf Estavayer gar noch eine Steigerung drin?
Ich schaute während der ganzen Saison, dass ich hinsichtlich der Feste fit und parat bin. Das härteste Fest, bei welchem ich mich am wenigsten gut fühlte, war das Schwyzer Kantonale. Denn das Basel Städtische drei Tage zuvor hat mir mehr abverlangt, als ich dachte. Beim Schwyzer Kantonalen in Schindellegi musste ich mich ziemlich pushen, damit ich meine Leistung abrufen konnte. Vielleicht fehlte mir dadurch im Schlussgang das letzte Quäntchen. Das soll aber keine Ausrede sein. Bei den anderen Festen habe ich mich sonst immer sehr gut gefühlt. Ich habe das gezielt geplant mit Erholungsphasen und intensiveren Phasen, und werde sicher alles daran setzen, dass ich beim Eidgenössischen in Topform antreten kann.
Übrigens: Man kann nicht die ganze Saison praktisch ausser Form sein, und beim Saisonhöhepunkt in Topform. Eine gute Form braucht man während der ganzen Saison und der Wettkampf-Modus ist für den Körper wichtig.
Schlussendlich ist es eine Kunst, dass man beim Tag X so gut wie möglich „zwäg“ ist. Ich versuche das ESAF so zu nehmen wie jedes andere Fest auch, und dabei bei jedem Gang mein Bestes zu geben. Ich kann nicht erwarten, dass ich in Estavayer viel besser bin als sonst. Das kann keiner erwarten. Wenn ich so gut bin wie bei meinem besten Tag in diesem Jahr, und das nötige Glück mir hold ist, dann ist vieles möglich.

Wie sieht dein „restlicher Fahrplan“ bis Estavayer aus? Was steht die nächsten paar Wochen noch auf dem Programm?
Gut trainieren, schwingen, gut vorbereiten und erholen. Am kommenden Sonntag, 14. August, bestreite ich noch den Chilbi-Schwinget in Einsiedeln.

Wie geht man eigentlich mit der Tatsache um, dass in Estavayer über 50‘000 Zuschauer direkt in der Arena sind und vermutlich die halbe Schweiz den Anlass auf eine Art und Weise verfolgen wird?
Ich habe dies mental in kleinerem Rahmen beim Innerschweizerischen trainiert. Dies war für mich ein ganz wichtiges Schwingfest und ich wollte dort auch gut schwingen. Ich wollte das Fest gewinnen, und wusste, dass es nicht einfach wird. Es waren viele Leute anwesend, und der Anlass wurde live im TV übertragen. Die Leute verfolgen ein Schwingfest wegen den Athleten, also machen wir ja etwas Gutes. Was ist das Schlimmste, das dabei passieren kann? Dass man nicht gewinnt. Wegen dem geht das Alltagsleben trotzdem weiter.
In Estavayer-le-Lac werden über 50‘000 Zuschauer in der Arena sein, und wir Athleten dürfen das geniessen. So einen Wettkampf mit so einer Kulisse erlebt man nicht oft in seiner Karriere. Wenn man das ausblenden und für sich positiv nutzen kann, und dabei mit Freude frei schwingt, hat man am meisten Vorteile. Extra gut machen am ESAF geht nicht. Man muss das machen, was man imstande ist zu leisten. Ob 500 oder 50‘000 Zuschauer: Schwingen funktioniert deswegen nicht anders.
Schlussendlich werden die gut schwingen und Kränze machen, welche mit diesen Umständen am besten umgehen und loslassen können.
Ich würde das Eidgenössische sehr gerne gewinnen und werde alles daran setzen. Ich weiss mittlerweile sehr gut, was ich dafür tun muss, dass es passieren kann. Ob es dann passiert, ist eine andere Frage.

Gehst du vorher in Estavayer auf Rekognoszierungs-Tour oder fährst du erst zum ESAF hin?
Ich habe meine Übernachtungsmöglichkeit bereits angeschaut. Weiter werde ich sicher früh genug anreisen. Damit ich rekognoszieren kann, wo sich alles befindet und dadurch kein Stress aufkommt.

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Christian Schuler stand mit seinem Trainingskollegen Martin Grab im Schlussgang beim diesjährigen Zuger Kantonalen
Bildquelle: Rolf Eicher

Ich bedanke mich bei Christian Schuler für die Möglichkeit, dass ich ihn auf seinem Weg nach Estavayer während dieser Saison in vier Beiträgen begleiten durfte. Für mich war es eine spannende und sehr interessante Gelegenheit, bei einem Spitzenschwinger ein wenig hinter die Kulissen blicken zu können.

Dass ich beim Rothenthurmer gleich die aktuelle Nummer eins der Innerschweizer Schwinger auswählte, freut mich umso mehr. Die tolle Saison kündigte sich bereits im Frühling an, als Christian den Frühjahrsschwinget Pfäffikon souverän gewann und mit dem Sieg beim Zuger Kantonalen den Kranzfestauftakt erfolgreich gestaltete.

Eine bisher äusserst erfolgreiche Saison liegt hinter dem 28-Jährigen. Die Rippenprellung ist ausverheilt und das „Comeback“ auf dem Brünig lief erfolgreich. Christian schwang sehr angriffig. Bereits beim Anschwingen gegen den amtierenden Schwingerkönig Matthias Sempach zeigte er, dass mit ihm zu rechnen ist.

Der Schwingerkönig-Titel liegt für den starken Sennenschwinger absolut drin. Wenn Christian zwei gute Tage erwischt, an welchen die Form stimmt und das nötige Wettkampfglück vorhanden ist, dann ist viel möglich. Ich möchte es dem symphatischen Schwyzer von Herzen gönnen und werde ihm vor Ort meine Daumen drücken.

feldwaldwiesenblogger

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