Von Verletzungsursachen, heutigen Trainingsmethoden und Stucki’s Mentaltraining

Text: feldwaldwiesenblogger

In der Innerschweiz beschäftigt gut drei Wochen vor dem Saisonhöhepunkt, dem Unspunnen-Schwinget, vor allem die Verletzungshexe. Am 29. Juli erschien im Bote der Urschweiz dazu passend ein Beitrag mit dem Titel „Polemik um Verletztenmisere“. Diesen Artikel stellte ich als Bild in den „Schwinger-Blog“ auf Facebook.


Foto: Bote der Urschweiz-Beitrag vom 29. Juli

Kurz darauf kommentierte der bekannte Athletiktrainer Tommy Herzog den Beitrag mit zwei interessanten Statements. Zudem wurde kürzlich bekannt, dass Christian Stucki seit gut zwei Monaten von besagtem Tommy Herzog im mentalen Bereich trainiert wird. Das Resultat ist bekannt: Christian Stucki ist so stark wie eigentlich noch nie. Grund genug also, zum Telefonhörer zu greifen, Tommy mit seinen Aussagen zu konfrontieren und ihn auf Stucki’s Mentaltraining anzusprechen.

Tommy Herzog war selber aktiver Schwinger bei den Nordwestschweizern, und erkämpfte sich vor gut 20 Jahren zwei Kränze. Knieprobleme mit einer Schleimbeutel-Entzündung zwangen ihn aber relativ früh, den Schwingsport an den Nagel zu hängen. „Heutzutage wäre das mit einem operativen Eingriff und anschliessender Physiotherapie kein Problem mehr“, meint der Athletik-Trainer dazu.
Später war Tommy Bob-Anschieber und gewann 2007 in St. Moritz WM-Silber. Heute betreibt er eine eigene Firma, die Herzog Training GmbH. Auf der Homepage erklärt Tommy: „Heute gebe ich mein Wissen und meine Erfahrungen weiter. An junge Talente und sportbegeisterte Menschen. Ich begleite Menschen, für die Bewegung eine Herzensangelegenheit ist, auf ihrem Weg zu ihren ganz persönlichen Zielen. Wie auch immer diese aussehen.“


Athletiktrainier Tommy Herzog
Foto: Tommy Herzog (Facebook)

Du schreibst: „Wenn man die Schwingweise von heute mit früher vergleicht, sehe ich einen enormen Anstieg von Explosivität und Schnellkraft. Ich persönlich sehe dort eher eine der Ursachen der vielen Verletzungen.“ Kannst du diese Aussage präzisieren respektive erläutern?
„Im Bote-Beitrag wurde vom statischen Schwingsport geschrieben. Ich hatte das Gefühl, das erklären zu müssen. Denn das ist einfach nicht so. Das Ganze ist viel schneller geworden. Ich trainiere mit den Schwingern vor der Saison und während der Saison an der Explosivität. Man hat heutzutage das nötige Wissen und das Schwingen lebt mehr von der Schnellkraft als von der Ausdauer. Ich würde nicht behaupten, dass falsch trainiert wird. Eine Muskulatur hat eine hohe Spannung wenn man Schnellkraft trainiert. Dabei sind es manchmal nur kleine „Zwicke“, welche zu Verletzungen führen können.
Weiter fällt mir auf, dass viele Verletzungen wegen emotionaler Müdigkeit passieren. Sei es wegen dem Rummel nach Erfolgen oder der langen Saison wegen. Die jungen Schwinger müssen schon Ende April parat sein, damit sie ihre Kränze für die Unspunnen-Selektion machen. Jetzt, anfangs August, wird es gefährlich. Wegen der emotionalen Müdigkeit stimmt teilweise die Koordination nicht mehr, und schon geschehen Unfälle.
Als vorbeugende Massnahme müsste man auch darauf achten, was alles neben dem Schwingsport noch gemacht wird. Dazu gehören unter anderem Ausbildung und Beruf. Zu viele Tätigkeiten neben dem Sport machen einfach müde.“

Weiter schreibst du: „Viele sind schon in sehr jungen Jahren auf sehr hohem Niveau. Heisst, beziehungsweise kann heissen, dass aktive und passive Strukturen noch nicht voll ausgereift sind.“ Wie könnte dem begegnet werden?
„Fakt ist, dass heutzutage die Athleten einfach grösser sind, wie beispielsweise Pirmin Reichmuth oder Michael Bächli. Diese grossen Athleten hatten schon in sehr jungen Jahren Riesenhebel, waren körperlich aber noch nicht bereit im Verhältnis zu ihrer Technik.
Ich war beim Luzerner Kantonalen in Malters anwesend und hatte das Gefühl, ich sei an einem Jungschwinger-Anlass. Dort traten so viele junge Schwinger an. Ich meine, dass die doch verheizt werden. Wenn diese Jungen ein oder zwei Gänge gewinnen, müssen sie gegen einen „Crack“ antreten. Die Bänder und Muskeln sind mit 16 Jahren aber noch nicht bereit für solche Kämpfe. Es sind nicht alles Giger oder Wicki, die schon in jungen Jahren körperlich voll parat sind.“

Eine weitere Aussage von dir: „Was das Vorbeugen von Verletzungen angeht, ist man heute in vielen Bereichen weiter als noch zu Zeiten von Hasler und Co.“ Wie beugt man heutzutage Verletzungen vor? Wie tat man es zu Zeiten von Hasler und Co.?
„Hasler hatte einen robusten Körperbau. Damals holte man sich unter anderem bei der Arbeit die nötige Kraft. Man hat heute einfach mehr Möglichkeiten, weiss mehr über die Trainingslehre und kann gezielt schwache Stellen am Körper trainieren. Es wird ganzheitlich alles gestärkt und man schaut die Bewegungen an.“

Du bist der Betreiber der Herzog Training GmbH. Was genau bietest du an und was für Sportler sind deine Kunden?
„Bei mir trainieren etwa 12 Schwinger. Weiter Motocross-Fahrer, Eishockeyspieler, Karate-Kämpfer, Tennisspieler, FIFA-Schiedsrichterinnen, Eishockeyschiedsrichter, Unihockeyaner und ganze Fussballklubs, welche bei mir vor allem das Wintertraining absolvieren.
Ich biete ganzheitliches Athletiktraining an. Meine Philosophie lautet dabei: Den grösstmöglichen Übertrag vom Kraftraum in die Sportart respektive auf den Platz zu bringen.“

Wie trainierst du mit den Schwingern?
„Ich mache mit ihnen gezieltes Athletik- und Aufbautraining. Nach der Saison ist jeweils vor der Saison. Nach einer kurzen Pause wird polysportiv Ausdauer, Kraft und Kondition trainiert. Ich bringe den Schwingern olympisches Gewichtheben bei. Dabei müssen sie die entsprechenden Übungen erst erlernen.
Ich muss die Schwinger bei mir sehen, denn ich mache keine Pläne für Fernbehandlung. Ich brauche zwei Jahre mit einem Athleten. In dieser Zeit kommt er zweimal pro Woche ins Training. Zudem wird auch im mentalen Bereich trainiert.“

Kürzlich konnte man in der Berner Zeitung lesen, dass du neuerdings Christian Stucki im mentalen Bereich trainierst. Seit gut zwei Monaten schwingt Stucki viel angriffiger und ist so gut wie eigentlich noch nie. Wie sieht eigentlich diese Betreuung aus?
„Ich kenne Fabian Lüthi, den Athletiktrainier von Christian Stucki, schon länger. Wir haben regelmässig Kontakt und einen guten Austausch miteinander. Vor sechs Jahren war ich einmal bei einem Training von Chrigu dabei und habe gesehen, was er eigentlich könnte. Ich wollte mich aber nicht einmischen.
Vor einiger Zeit hat mich Chrigu aus eigenen Stücken angerufen, und wollte etwas ändern. Er kam zu mir, und wir haben erst mal zwei Stunden miteinander gesprochen und Kaffee getrunken. Wir arbeiten nun miteinander im mentalen Bereich zusammen. Per Zufall bin ich an ihn herangekommen, und die Wellenlänge zwischen uns stimmt. Chrigu kommt jeden Freitag für die Wettkampfvorbereitung und wir trainieren zusammen. Dazu gibt es Gespräche. Bei Schwingfesten bin ich für ihn da. Manchmal genügen zwei oder drei Worte. Ab und zu braucht es einfach jemanden von aussen, um etwas zu verändern.“

Manchmal bekommt man den Eindruck, dass die Berner den restlichen Teilverbänden in Sachen Trainingsmethodik einen grossen Schritt voraus sind und deshalb so erfolgreich sind. Was meinst du dazu?
„Die Berner haben vor den anderen damit angefangen, ein Team zu bilden. Zudem haben ihre Schwinger früher damit begonnen, mit professionellen Trainern zusammen zu arbeiten. Es gibt halt immer noch sehr viele Schwinger, die auf eigene Faust in den Kraftraum gehen und trainieren. Bei einigen funktionierts, bei anderen nicht.
Die anderen Teilverbände haben aber inzwischen aufgeholt. Ich sehe es ja bei mir. Denn es kommen ganze Klubs ins Training. Aber: Vor den Bernern dominierten die Ostschweizer. Deshalb muss man das ganze schon relativieren.“

Erst vor einigen Tagen habe ich im „Bote der Urschweiz“ einen Beitrag mit dem Titel „Verletzte Schwinger wetteifern mit der Zeit“ gelesen. Darin konnte man unter anderem lesen, dass beispielsweise Christian Schuler dank einer speziellen Therapie noch vor dem Unspunnen-Schwinget wieder schwingen könnte. Wie sieht so eine „spezielle Therapie“ eigentlich aus?
„Ich weiss nicht, was er macht. Die Überlegung, nicht zu operieren, finde ich gut. Denn ein Eingriff ist ein Eingriff, inklusive Narkose. Das ist eine Belastung für den Körper. Christian weiss: Wenn er operieren lässt, ist die Saison definitiv vorbei. Wenn es funktioniert, ohne zu operieren, dann hat er dem Körper etwas Gutes getan.“

feldwaldwiesenblogger

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