ESAF-OK-Präsident Thomas Weber schaut auf bewegte Monate zurück und sagt: «Wir haben mit wenigen Ausnahmen eine Riesensolidarität festgestellt, damit wir das Fest nun zu einem guten Abschluss bringen können.»

Uns allen bleiben die stimmungsvollen Bilder vom «Eidgenössischen» 2022 in Pratteln in bester Erinnerung. Das OK kam in letzter Zeit aber wegen einem 3.8 Millionen Franken-Defizit in die Negativschlagzeilen. Präsident Thomas Weber nimmt Stellung und erklärt sich im Gespräch mit dem Schwinger-Blog.

Text: Schwinger-Blog

Kritisieren ist immer einfacher als selbst anzupacken oder mitzuhelfen. Dass dem Prattler OK nun zum Teil heftige Kritik um die Ohren fliegt, ist nicht gerechtfertigt. Die Besucher und Athleten schwärmten noch im letzten August nach dem ESAF in den höchsten Tönen von diesem gut organisierten Fest. Und auch der Zusammenhalt in der Schwingerfamilie wurde einmal mehr gefeiert. Man könnte also meinen, dass sich die «Familien-Angehörigen» auch in der Krise beistehen und gegenseitig aushelfen. Wenn es aber um fehlendes Geld geht, hört der Spass oft auf. Da folgen Schuldzuweisungen und mit dem Finger wird auf Versäumnisse gezeigt. Man bedenke auch die nicht gerade einfachen Umstände: ein nicht erschlossenes Gelände, kein ausgebauter Schnellzug-Bahnhof, Corona und die unsichere Wirtschaftslage wegen dem Ukraine-Krieg. Es ist deshalb angebracht, dass die viel kritisierten auch zu Wort kommen dürfen, und ihre Sichtweise darlegen können. Thomas Weber, welcher nicht nur umsichtiger OK-Präsident war, sondern auch Basellandschaftlicher Regierungsrat ist, berichtet uns heute von den Schwierigkeiten des ESAF in Pratteln. Er zieht Fazit, erklärt das Defizit, wie er mit seinen beiden Rollen zurechtkommt und was er künftigen «Eidgenössischen» mit auf den Weg gibt.

ESAF 2022-OK-Präsident Thomas Weber nimmt Stellung zu verschiedenen Aspekten rund um das «Eidgenössische»

Bild: esaf2022.ch

Wie sieht dein Gesamt-Fazit nach dem stimmungsvollen ESAF in Pratteln aus?

«Auch für mich war es ein hervorragendes und sensationelles Fest. Ich werde in der ganzen Schweiz auf dieses grossartige ESAF angesprochen, welches als Gesamtwerk faszinierend war. Momentan befinden wir uns im Schlussgang und sind zuversichtlich, dass wir das Fest mit einer ausgeglichenen Rechnung erfolgreich abschliessen.»

Mit welchen Schwierigkeiten hattet ihr allgemein gesehen zu kämpfen?

«Das Gelände mit den Randbedingungen betreffs der Strasse, der Bahnlinie, der historisch geschützten Panzersperre und der Hochspannungsleitung war eine grosse Herausforderung. Eine weitere grosse Herausforderung war das Verkehrskonzept samt dem temporären Ausbau des Bahnhofs, was aufwändig war, aber einwandfrei funktioniert hat. Das öffentlich diskutierte Thema Sicherheit hat uns in der hektischen Schlussphase zusätzlich herausgefordert. Die COVID-Pandemie war ebenfalls eine Herausforderung. Wir versuchten dabei stets, alle im OK und unsere Partner motiviert zu halten. Mit dem Eidgenössischen Schwingerverband (ESV) hatten wir diesbezüglich einen guten Kontakt. Es galt, vorsichtig abzuwägen und trotzdem zielgerichtet weiter zu planen.» 

Wie kam es eigentlich zu diesem Defizit?

«Wir stellten eine Abweichung von 5 bis 10 Prozent zwischen Aufwand und Ertrag fest. Dass wir nicht wie das ESAF 2019 in Zug mit einem grossen Gewinn abschliessen können, war uns von Anfang an klar. Das Ziel war stets eine ausgeglichene Rechnung. Auf der Ertragsseite hatten wir betreffs der Supporterschaften mit VIP-Tickets einen Minderertrag von über 1.5 Franken zu verzeichnen. Es ist schwierig zu sagen, wieso diese zusätzliche Einnahmequelle nicht so gut lief wie in Zug. Das Thema Sicherheit hat uns Zusatzkosten für die Infrastruktur generiert. Uns wurde von der Behördenseite offenbart, dass das ESAF in technischer Hinsicht nicht wie bisher als Kultur-Event sondern als Sport-Event gewertet wird. Diese Klassifizierung hiess für uns, dass wir beispielsweise grössere und breitere Fluchtwege planen und errichten mussten. Zusätzlich war die Materialteuerung ein Kostenfaktor.»

Das ESAF in Pratteln stellte die Organisatoren vor verschiedene Herausforderungen

Bild: Raphael Alù/aluarts.ch

Wie gross fiel die erwähnte Sicherheit ins Gewicht? Gab es noch weitere Auflagen, die zusätzliche Kosten verursachten?

«Im Zusammenhang mit der Sicherheit mussten wir zusätzlich über hunderttausend Franken aufwenden. Zudem erteilte uns die Umweltbewilligungsbehörde zusätzliche Auflagen zum Schutz des Untergrunds und der Bodenbeschaffenheit, was uns ebenfalls mehrere hunderttausend Franken an Kosten generierte.»

Bekanntlich werden 3.3 Millionen Franken von Sponsoren und Partnern gedeckt. Wer sind diese?

«Es sind unterdessen sogar 3.45 Millionen geworden. Die Königspartner sind grösstenteils dabei. Zudem helfen uns grössere Dienstleistungspartner mit Beiträgen respektive Abschlägen auf ihren Rechnungsbeträgen sowie dem Schwingsport verbundene Privatpersonen. Aber auch kleine Partner haben sich daran beteiligt. Wir haben mit wenigen Ausnahmen eine Riesensolidarität festgestellt, damit wir das Fest nun zu einem guten Abschluss bringen können.»

Wieso muss der Kanton Basel-Landschaft nun für die restliche halbe Million aufkommen?

«Es geht nun noch um 350’000 Franken, da wir inzwischen weitere Zusagen für 150’000 Franken bekamen. Es ist mir wichtig dabei zu betonen, dass es auch für den Kanton nicht ein Müssen ist. Das Prattler OK hat diesbezüglich einen Antrag an die Regierung gestellt, welche das nun in eine Landrats-Vorlage gegossen hat. Ich trat dabei als Regierungsrat in den Ausstand aufgrund meiner Rolle als OKP. Baselland als Standortkanton ist ebenfalls ein wichtiger ESAF-Partner, welcher aus der Sicht des OK auch zur paritätischen Lösung beitragen sollte. Es liegt nun am Landrat, welcher am 16. Februar darüber befindet. Übrigens: Die vorberatende Kommission stimmte der Vorlage mit elf zu einer Stimme zu, bei einer Enthaltung.»

Wie ist die Stimmung deswegen in Baselland? Wird der finanzielle Zustupf auf Kosten der Steuerzahler vom Volk goutiert?

«Ich hoffe es. Es sind sehr viele Leute, welche hinterher sagten: Es war ein grossartiges Fest. Es gibt natürlich auch Stimmen, die sich – vorwiegend in den sozialen Medien und meist anonym – negativ äusserten. Ich möchte aber auch betonen, dass wir rund ums ESAF keine einzige Reklamation von den Anwohnern wegen Lärm oder dem Verkehr erhielten. Zudem hatten und haben wir mit allen Landbewirtschaftern und -besitzern ein gutes Einvernehmen.»

Thomas Weber sagte kürzlich: «Dank Schwingerkönig Joel Wicki weiss man nun im Entlebuch bestens, wo Pratteln liegt.»

Bild: esaf2022.ch

Wie gehst du mit deinen beiden Rollen als OK-Präsident und Regierungsrat um?

«Ich trenne diese beiden Rollen und habe das von Anfang an so gemacht. Ich informierte bereits 2017 den Regierungsrat und dieser bewilligte, dass ich dem Trägerverein zusage und das Amt des OK-Präsidenten annehme. Für die politische Beratung der aktuellen Parlamentsvorlage bin ich wie erwähnt als antragstellender OKP frühzeitig in den Ausstand getreten.»

In einem Leitartikel der Basler Zeitung, welcher kürzlich erschienen ist, wird kritisiert, dass es gar nie so weit hätte kommen dürfen. Die BaZ schreibt gar: «Zu viele Amateure, zu wenige Profis: Das Esaf-Minus hätte verhindert werden können.» Was ist dein Kommentar dazu?

«Ich kenne Organisatoren von professionellen Sportveranstaltungen und weiss, dass etliche von ihnen auch mit der Finanzierung zu kämpfen haben. Ich muss zugestehen, dass in einem Punkt ein Kern Wahrheit im Kommentar steckt: Wenn wir von Beginn weg einen zusätzlichen Finanz-Profi fest angestellt hätten, hätte dies den Geschäftsführer entlasten können. Aber: Wie schon die Vorgänger-OK setzten wir vor allem auf das Miliz-Prinzip mit Freiwilligenarbeit. Wir sind der Meinung, dass eine Profi-Organisation nicht mit der genau gleichen Freude und Leidenschaft für den Austragungsort an die Aufgabe herangegangen wäre. Weiter wurde der Knowhow-Transfer kritisiert, welcher nicht stattgefunden habe. Das stimmt überhaupt nicht, der Austausch mit dem OK Zug und dem ESV hat gut funktioniert. Und: Jeder ESAF-Standort kennt seine speziellen Herausforderungen. Das macht es doch auch spannend und offenbart den Charakter des Austragungsortes. Meiner Meinung nach würde etwas verloren gehen, wenn das Ganze professionalisiert würde und das ESAF beispielsweise nur noch an einem Ort und mit dem gleichen Führungsteam ausgetragen würde.»

Wo siehst du die Schwierigkeiten beim Organisieren eines ESAF? Müsste die Grössenordnung nicht dringend überdacht werden?

«Klar ist: Das ESAF ist nicht ein normales Schwingfest, und es ist, nur schon weil an zwei Tagen geschwungen wird, um einiges komplexer als ein Teilverbandsfest. Die Auflagen der Behörden werden zudem immer grösser und verursachen immer höhere Kosten. Aber: Das Drumherum und der kritisierte «Gigantismus» dienen schliesslich dazu, die grosse Arena und das Angebot für die Ticketinhaber zu finanzieren. Kleiner machen heisst, dass man auch weniger grosse Arenen erstellen dürfte. Es wäre dann nur noch ein «grösseres Teilverbandsfest». Das wäre schade, denn die Dauer und Grösse des ESAF macht auch den sportlichen Reiz aus. Über was man sich Gedanken machen müsste, wären die Ticketpreise in der Arena. Wären die Preise beispielsweise 50 Franken teurer gewesen, hätte das uns zusätzlich 2.5 Mio. Franken in die Kasse gespült. Und das Finanzloch wäre um einiges geringer ausgefallen respektive mit den privaten Defizitgarantien, die wir vor dem Fest hatten, gar nicht entstanden…»

Was gibst du zukünftigen OK’s von Eidgenössischen Schwingfesten mit deinen gemachten Erfahrungen auf den Weg?

«Es war für mich eine unglaublich erfüllende Aufgabe, welche ich mit viel Freude ausführte. Für mich war stets das Wichtigste: Das Schwingen muss im Zentrum sein und das Fest muss nach Sägemehl riechen. Dies galt es, von allem Anfang an im OK zu vermitteln. Wichtig für uns war zudem, den Team-Geist im OK mit verschiedenen Events hochzuhalten. Das funktionierte, denn wir hatten in der ganzen Zeit nur sehr wenige Abgänge zu verzeichnen. Unser Motto «Gemeinsam mit Schwung und Herz» haben wir gelebt und allen im OK, den Helferinnen und Helfern und unseren Partnern erfolgreich mitgegeben.»

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