Schwyzer Schwinger im Jubiläumsjahr – TK-Chef Marcel Steinauer sagt im Interview: «Mein Gefühl ist leider schon, dass sich der Schwingsport verändert.»

Der Schwyzer Kantonale Schwingerverband feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Aus diesem Grund hat Hansruedi Ulrich eine vierteilige Serie am Laufen. Im ersten Teil führte er ein Gespräch mit dem Kampfrichter Markus Brunner. Heute unterhält sich der Schwyzer Medienchef mit Marcel Steinauer, dem TK-Chef der Aktivschwinger.

Text und Foto: Hansruedi Ulrich (Medienchef Schwyzer Kantonaler Schwingerverband / Bearbeitung: Schwinger-Blog

Eigentlich wird ein Sportverband meist an seinen Erfolgen gemessen. Zwar sind Pflege der Kameradschaft und Organisation gesellschaftlicher Anlässe nicht minder wichtig, aber die Erfolge zählen halt doch am meisten. Der Schwyzer Kantonale Schwingerverband brachte seit der Gründung immer wieder starke Schwinger hervor. Wie etwa Alois Odermatt (Siebnen), welcher am Kilchberger Schwinget 1952 einen Spitzenplatz belegte. Oder der Einsiedler Ernst Reichmuth, der am ESAF 1956 in Thun gar in den Schlussgang vordrang. Als stärkste Schwyzer Schwinger in der längeren Vergangenheit zählen bis heute der Ingenbohler Toni Steiner und der Küssnachter Ady Zurfluh, die in den 50iger und 60iger Jahren landesweit gefürchtete Eidgenossen waren. Doch die mit Abstand glorreichste Zeit durften die Schwyzer in den letzten 30 Jahren erleben, gespickt mit etlichen Ausnahmekönnern. In dieser Zeit schnupperten mehrere Schwyzer am begehrten Königstitel, scheiterten aber jeweils knapp. Ob nun stärker oder schwächer, eines bleibt gleich: den Schwingern steht immer ein technischer Leiter vor, der für seine Sportler zuständig ist und zu ihnen schaut. Aktuell ist dies der Willerzeller Marcel Steinauer. Steinauer stammt aus einer weit bekannten Schwinger- und Ringerfamilie und hat den Zweikampf im Blut. Im nachfolgenden zweiten Teil der Interviewserie gibt uns der TK-Chef einen kleinen Einblick in seine Tätigkeit.

Marcel Steinauer ist seit 2019 TK-Chef der Schwyzer Aktivschwinger

Die Schwyzer Schwinger brachten in der Vergangenheit etliche starke Schwinger hervor. Gibt es Schwinger oder Erfolge, die dir in spezieller Erinnerung bleiben?

«Mit meinem Alter kann ich mich vor allem an die Schwinger der Neuzeit erinnern. Mit Eugen Hasler Ende der 80iger-Jahre hatten wir einen der besten Schwinger überhaupt. Er hatte eine sehr erfolgreiche Zeit des Schwyzer Kantonalen Schwingerverbandes eingeläutet. Bei seinen beiden Schlussgangteilnahmen an den «Eidgenössischen» in Stans und Chur schrammte er haarscharf am Königstitel vorbei. Als Erstgekrönter in Stans und mit dem Kilchberger-Sieg konnte er Eidgenössische Anlässe für sich entscheiden. In seinem Rücken hatten wir weitere Spitzenathleten wie Alex Auf der Maur, Peter Suter, Daniel von Euw und Heinz Suter. Danach kam mit Martin Grab ein weiterer Spitzenschwinger, welcher den Expo- und den Unspunnen-Schwinget (ebenfalls Eidgenössische Anlässe) für sich entscheiden konnte. Auch er hatte mit den Gebrüder Laimbacher, Andreas Ulrich und Christian Schuler starke Schwinger im Rücken.»

Zurzeit hat der Schwyzer Verband nicht mehr die grosse Fülle an starken Athleten wie in der Vergangenheit. Als technischer Leiter hast du härteres Brot zu kauen als deine Vorgänger. Du gibst zwar alles für die Schwyzer Schwinger, dennoch fällt der Ertrag kleiner aus. Wie gehst du damit um?

«Wie erwähnt haben wir nicht mehr so eine grosse Dichte. Dies ist klar ersichtlich, und doch haben sich noch nicht alle damit abgefunden. Trotzdem geben wir alles und sind für die Zukunft optimistisch. Ich sehe, dass in den sechs Schwingklubs im Kanton gute Arbeit geleistet wird. Trotzdem ist es in der heutigen Zeit enorm schwierig, die jungen Schwinger im Übertrittsalter beim Schwingsport zu halten.»

Wie viele Aktivschwinger kämpfen zurzeit für unseren Kanton und wie viele davon sind Kranzschwinger?

«Zurzeit haben wir etwa 100 Aktivschwinger, die Zahl ist aber eher rückläufig. Davon sind 38 Kranzschwinger.»

Die sechs Schwyzer Schwingklubs haben alle ihre eigenen Trainings. Dazu organisierst du als technischer Leiter kantonale Zusammenzüge. Wie gestaltest du diese, und funktioniert das klubübergreifende Trainingswesen in unserem Kanton gut?

«Als Technischer Leiter organisiere ich in den Monaten Januar und Februar sechs Trainings, bei jedem Schwingklub eines. So kann jeder kommen und von den anderen profitieren. Die Spitzenschwinger haben sich selbst organisiert und absolvieren so optimale Trainings. Mittlerweile haben wir zudem am Samstagmorgen in Siebnen und in Ibach Trainings, so ist der Kanton gut abgedeckt. Darum denke ich schon, dass es klubübergreifend gut funktioniert. Schlussendlich liegt es am Athleten selbst, ob er ins Training kommt oder nicht.»

Werden unsere Schwinger an Kranzfesten auch klubübergreifend betreut?

«Bevor die neue Beschickungs-Regelung der Kranzfeste im Innerschweizer Verbandsgebiet eingeführt wurde, ging der Kanton Schwyz als Gast hauptsächlich ans Zuger Kantonale. Da waren von jedem Klub mehrere Schwinger anwesend, so dass die Betreuung eigentlich klubintern geregelt war. Ich persönlich fand dies sehr gut. Mit der neuen Beschickung und dem Corona-Unterbruch haben wir festgestellt, dass man bei der Betreuung noch den Hebel ansetzen muss. Mittlerweile haben wir ein kleines Team zusammen. Ich bin aber immer noch auf der Suche nach motivierten Leuten für unser Betreuer-Team.» 

Als technischer Leiter stehst du an Kranzfesten auch in den Einteilungen im Einsatz. An welchen Anlässen trägst du diese Verantwortung?

«Die Hauptverantwortung trage ich jeweils am Schwyzer Kantonalen. Weiter bin ich der Vertreter für die Schwyzer am «Innerschweizerischen». Für die verschiedenen kantonalen Schwingfeste (Zuger, Urner, Ob/Nidwaldner und Luzerner) haben wir ein Dreierteam mit Dominik Linggi, Kilian Hasler und mir. Wir sprechen uns ab, wer an welches Kantonalfest in die Einteilung geht. Zudem bin ich jedes Jahr bei einem der Bergfeste auf dem Stoos, der Rigi oder dem Brünig in der Einteilung.»

Was braucht es, um ein gewiefter Einteiler zu sein?

«Als Grundvoraussetzung sehe ich, dass man die Schwinger sehr gut kennt. Zusätzlich braucht es noch ein bisschen taktisches Geschick und etwas Erfahrung. Manchmal sollte man den Festverlauf etwas voraussehen können. Manchmal gelingt das besser, ein anderes Mal weniger gut.» 

Als Einteiler steht man jeweils auch im Blickpunkt. Spürst du dabei den Erfolgsdruck?

«Als ich 2019 mit dem Job als technischer Leiter angefangen habe und nicht jedes Fest so gelaufen ist wie ich mir es gewünscht habe, gab es schon hie und da eine schlaflose Nacht. Vielleicht hat die Erfahrung noch etwas gefehlt. Man steht halt nicht allein in der Einteilung, jeder Kantonalverband hat einen Vertreter vor Ort. Da kann man sich vorstellen, dass nicht immer alle der gleichen Meinung sind. Mittlerweile kann ich damit besser umgehen. Es gibt immer Schwinger, welche an einem Sonntag härtere Gegner bekommen als andere. Ich finde, es sollte sich jeweils gerecht ausgleichen.» 

Im Schwyzer Jubiläumsjahr steht mit dem Unspunnen-Schwinget wieder ein Schwingfest mit Eidgenössischem Charakter an. Was traust du unseren Schwingern in dieser Saison zu?

«Wir haben in der Saison 2022 von einigen jungen Schwingern gute Leistungen gesehen. Sei es mit ihrem ersten Kranzgewinn oder sogar mit Schlussgangqualifikationen. Leider ist unser Kader aber sehr schmal geworden. Zudem haben wir auch Schwinger, die nach wie vor mit Verletzungen kämpfen. Darum liegen unsere Hoffnungen ein weiteres Jahr in den Händen von Mike Müllestein und Christian Schuler. Wenn sie gesund bleiben, können sie noch immer mit der absoluten Spitze mithalten. Alle andern brauchen noch etwas Zeit. Ich bin aber überzeugt, dass wir den einen oder andern Nadelstich setzen können.»

Wie siehst du die Zukunft unserer Schwinger für die nächsten Jahre? Hast du das Gefühl, dass sich der Schwingsport verändert hat?

«Wenn ich auf die letzten 30 Jahre zurückblicke, hatte der Kanton Schwyz sehr erfolgreiche Jahre. Dereit haben wir drei Schwingklubs, die mit jungen Schwingern gut aufgestellt sind. Die anderen drei Klubs haben im Moment extrem zu kämpfen, um wieder Schwinger mobilisieren zu können. Mein Gefühl ist leider schon, dass sich der Schwingsport verändert. Auch, weil es schon etliche Schwinger gibt, die nicht mehr einem 100 Prozent-Arbeitspensum nachgehen, um mehr zu trainieren. So verlieren wir etwas die Schwinger, die das Schwingen einfach als Hobby sehen, und in der Woche maximal zwei Klubtrainings absolvieren. Für diese ist das so in Ordnung. Wenn sie aber in den verschiedenen Medien sehen, was gewisse Schwinger für einen Aufwand betreiben können, wird es für sie schon hart. Das erklärt mir auch die eher rückläufigen Schwinger-Zahlen.»

Zu guter Letzt: was für Tipps gibst du als technischer Leiter jedem einzelnen Schwinger mit auf den Weg?

«Für mich ist Schwingen eine Lebensschule. Man lernt mit Siegen und Niederlagen umzugehen. Nach Verletzungen muss man sich wieder zurückkämpfen, was immer sehr hart ist. Man lernt zudem sehr viele Leute kennen. Unter den Schwingern herrscht eine grossartige Kameradschaft. Darum finde ich, dass es sich lohnt zu kämpfen.»

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.