Vorkommnisse am ISAF, Gästeschwinger-Problematik und Anfeindungen – TK-Chef Stefan Strebel nimmt Stellung

Die «Vorkommnisse» am «Innerschweizerischen» von vergangenem Wochenende beschäftigen auch den Schwinger-Blog. Ist das Verhalten von zwei Gegnern von Fabian Staudenmann als unsportliches Verhalten zu taxieren, war es bloss Verbands-Taktik oder nur ein Sturm im Wasserglas? Zu diesen und anderen Fragen wie die Gästeschwinger-Problematik, Anfeindungen, die Zeitmessung, die Kampfrichter-Leistungen oder die mediale Verbreitung nimmt Stefan Strebel, TK-Chef vom ESV, Stellung.

Text: Schwinger-Blog

Für TK-Chef Stefan Strebel gibt es zwei Meinungen zu den Vorkommnissen am ISAF

Bild: Keystone-SDA

Vorkommnisse am ISAF

Haben sich Werner Suppiger und Damian Stöckli unsportlich verhalten, als sie sich gegen Fabian Staudenmann in Rücklage befindend relativ leicht auf den Rücken legen liessen? Dem Berner Saison-Dominator entging so ein halber Punkt. Oder hakt man dies einfach als taktisches Geplänkel ab? Stefan, was meinst du dazu?

«Für mich gibt es dazu zwei Meinungen. Wenn sie sich tatsächlich selbst hingelegt haben, dann ist es unsportlich. Wenn sie sich aber gegen Staudenmann in der Beinschwere und somit in einer fast aussichtslosen Situation befunden haben, und als Vorbeugung gegen eine mögliche Rippenverletzung nicht mit letzter Konsequenz verteidigt haben, dann geht das absolut in Ordnung. Ich glaube nicht, dass diesbezüglich vom Innerschweizerischen Schwingerverband (ISV) Aufträge erteilt wurden. Und ich glaube Stefan Muff, dem ISV-TK-Chef, dass dahinter keine Absicht steckte.»

Müsste bei offensichtlichen Aktionen von Unsportlichkeit der Kampfrichter nicht eingreifen? 

«Auf die angesprochenen Szenen am ISAF möchte ich nicht weiter eingehen. Aber: wenn ein Kampfrichter eine unsportliche Szene beobachtet, greift das Reglement mit einem möglichen Punkteabzug. In beiden angesprochenen Fällen hätte der Kampfrichter in meinen Augen nicht eingreifen müssen.»

Wird sich die Technische Kommission des ESV damit noch beschäftigen?

«Wir diskutieren solche Fälle laufend, auch bilateral. Das heisst aber nicht, dass daraus immer zwingend Konsequenzen erfolgen.»

Gästeschwinger-Problematik an Teilverbandsfesten

Einmal mehr wird ersichtlich, dass man Gästeschwinger mit unschönen Aktionen zurückbinden kann. Das ist zwar nicht neu, trotzdem: müsste man die Gästeschwinger-Problematik nicht neu überdenken? Frage an Stefan: Müsste man konsequenterweise die Einladung von Gästen an Teilverbandsfeste nicht grad ganz weglassen?

«Nein! Als Gast musst du einfach ein bisschen besser sein und musst auch ein bisschen mehr leisten. Aber immer auf einer fairen Basis. Dabei wirst du getestet. Das ist keine Benachteiligung, sondern bedeutet, sich auf fremdem Gebiet ehrenvoll durchzukämpfen.»

Wäre das eine Option: Es sind in Zukunft auch Kampfrichter und Einteiler aus anderen Teilverbänden dabei?

«Bei der Einteilung sehen wir diesbezüglich keinen Handlungsbedarf. Bei den Kampfrichtern haben wir diese Problematik schon diskutiert. Eine Beschickung von auswärtigen Kampfrichtern an Teilverbandsfesten ist aber kein Thema und auch nicht angedacht. Wir haben volles Vertrauen in die Kampfrichter der einzelnen Teilverbände.»

Fabian Staudenmann ist sichtlich erstaunt, wie einfach sich Damian Stöckli im fünften Gang auf den Rücken legen liess

Bild: Marc Schumacher (Freshfocus)

Die Kampfrichter-Leistungen in der bisherigen Saison

Eine weitere diskussionswürdige Geschichte am ISAF war die Entscheidung Michael Gwerder gegen Michael Ledermann im ersten Gang. Stefan, das war doch ganz offensichtlich ein Fehlentscheid?

«Als ich hinterher die TV-Bilder konsultierte, habe ich das auch so gesehen. Die Kampfrichter-Entscheidungen waren an diesem Tag ansonsten tadellos.»

Man hat das Gefühl, dass die Kampfrichter-Leistungen in der bisherigen Saison gut bis sehr gut waren. Wie schätzt du das ein?

«Ja, ich finde, dass die Kampfrichter bisher einen sehr guten Job machten. Die Neuerungen mit dem Gang an den Brunnen, die 45 Sekunden-Regel und die gut sichtbaren Handzeichen wurden sehr gut umgesetzt. Ich stehe aber auch dazu: Fehler dürfen passieren.»

Harmonisierte Zeitmessung?

Ist in der heutigen zunehmend digitalisierten Welt die Zeitmessung an Kranzfesten noch zeitgemäss? Diese Frage stellte sich nach dem Bernisch-Kantonalen Schwingfest, als Kilian Wenger’s Sieg im fünften Gang eine Sekunde über der Zeit war. Das Problem dabei ist weniger der Entscheid an sich, sondern die unterschiedlichen Zeitmessungen vom Kampfrichter mit der Stoppuhr, den Kampfrichtern am «Tischli» mit dem Tablet und der eingeblendeten Zeitmessung im TV. Stefan, müsste die Zeitmessung bei Kranzfesten und dem TV-Umfeld nicht aufeinander abgestimmt werden, sprich: es gibt nur noch eine harmonisierte Zeitmessung?

«Zu 99.99 Prozent läuft alles korrekt ab. Wir hatten diesbezüglich im vergangenen Winter eine klare Schulung. Ich will, dass der Kampfrichter den Lead über die Zeit hat. Aber: Wenn es eine Technologie gäbe, welche die Stoppuhr vom Kampfrichter an diese Technik koppeln würde, wäre ich für so eine harmonisierte Zeitmessung.»

Kilian Wenger und Lars Zaugg akzeptierten anstandslos das Resultat am Bernisch-Kantonalen nach dem 5. Gang. Fragen wegen der Zeitmessung standen hinterher trotzdem im Raum

Bild: Keystone-SDA

Anfeindungen gegen Schwinger

Nick Alpiger und seine Entourage wurden kürzlich ziemlich heftig angegangen. Ein absolutes No-Go, und es stimmt einem nachdenklich. Denn die Schwingerfamilie hat sich bisher gerühmt, wie tolerant sie ist und alle gut untereinander harmonieren. Das ging in letzter Zeit manchmal vergessen. Stefan, muss man die Schwinger diesbezüglich nicht besser schützen? Und: Wie ist die Haltung des ESV zu dieser Problematik?

«Es ist klar verwerflich und es gefällt mir überhaupt nicht. Die Schwinger reichen sich vor und nach dem Kampf die Hand. Neben dem Schwingplatz geht man miteinander mit Anstand und Disziplin um. Grossmehrheitlich bin ich zufrieden, wie es abläuft. Aber: Bei solchen Fällen nehme ich die Schwingerfamilie in die Pflicht. Sie soll für Ordnung sorgen, und die unanständigen und fehlbaren Personen zurechtweisen.»

Hat der Schwingsport ein Problem mit der medialen Verbreitung

Praktisch alle Kranzfeste und bereits etliche Regionalfeste werden entweder live am TV gezeigt oder als Live-Stream angeboten. Das Schwingen erlebt derzeit eine mediale Verbreitung sondergleichen. Strittige Szenen können hinterher mehrfach und in Zeitluppe angeschaut und heftig diskutiert werden. Daraus entwickelt hat sich in letzter Zeit leider, wie schon beim vorherigen Kapitel angesprochen, eine Art «Wut-Schwingfan». Diese entgleisen einerseits auf den zahlreichen Socialmedia-Kanälen, andererseits wurden Anfeindungen oder Schmährufe auf den Schwingplätzen beobachtet. Stefan, was sagst du zu dieser Entwicklung?

«Ich finde das mediale Interesse primär gut. Es zeigt, dass unser Schwingsport attraktiv ist. Die Entgleisungen jeglicher Art finde ich klar daneben. Das ist keine Schwinger-Art und ist in meinen Augen ein Gesellschaftsproblem. Das können wir vom Verband her nicht regeln. Wie vorhin schon erwähnt: Dieses Problem muss die gesamte Schwingerfamilie in die Hand nehmen und regeln.»

Der ESV verrichtet mit zusätzlicher Ausbildung für Kampfrichter und Einteiler gute Arbeit. Reicht das, oder muss mit den einhergehenden Konsequenzen der medialen Verbreitung noch besser hingeschaut werden bei Fehlentscheiden?

«Als ich mein Amt angetreten habe, habe ich die Ausbildung forciert. Wir haben viel reingebracht. Wir müssen die Kampfrichter nun arbeiten lassen, damit sich alle Neuerungen festigen können. Ich möchte derzeit nicht noch mehr reinbringen. Auch für die Einteiler gibt es zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten. Das reicht momentan. In dieser Saison wurde bisher gut eingeteilt, und es braucht in meinen Augen keine Veränderungen. Aktuell habe ich grosse Freude an den Spitzenpaarungen vom Rigi-Schwinget. Es wurde mutig eingeteilt.»

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